Energiewende und die Versorgungssicherheit
- Energiewende und die Versorgungssicherheit
- Die Zeiten der billigen Energie sind unwiderruflich vorbei
- Auf einer Seite lesen
Kommentar: Plädoyer für eine geschickte Nutzung der Elektromobilität
Am 27.04. 2011 erschien als Drucksache 17/5672 der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des deutschen Bundestages "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung". In der Zusammenfassung steht wörtlich:
In modernen, arbeitsteiligen und hochtechnisierten Gesellschaften erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen durch ein hochentwickeltes, eng verflochtenes Netzwerk "Kritischer Infrastrukturen". Dazu zählen u. a. Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Energieversorgung oder das Gesundheitswesen. (…)
Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten würden sich die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage von besonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle Kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
Dieser Einschätzung ist nichts hinzuzufügen und sie gilt leider auch heute, 7 Jahre später, noch in vollem Umfang, genau wie die gesamte Studie. Die Problematik wird sich im Zuge der Energiewende noch verschärfen, da wir durch die E-Mobilität und die Umstellung der Heizsysteme auf Wärmepumpen und Elektroheizungen noch abhängiger von der Elektroenergie werden.
Deshalb ist es allerhöchste Zeit, sich Gedanken zu machen, wie wir die Energieversorgung der Zukunft im Rahmen der Energiewende konzipieren wollen, damit es kein böses Erwachen gibt.
Die Energiewende umfasst den Wechsel von fossilen Brennstoffen zu regenerativen Energien, in der Hauptsache Solar- und Windenergie, auf den Gebieten der Stromerzeugung, der Heizung und der Mobilität. Derzeit werden knapp 40% unserer Elektroenergie aus erneuerbaren Ressourcen erzeugt, davon 75% aus Sonne und Wind.
Da nur Sonne, Wind und Niedertemperatur-Umweltwärme als Primärenergiequellen in ihren Potentialen noch nicht ausgeschöpft sind, muss die Umstellung auf diese erfolgen. Daraus ergibt sich, dass wir die Solar- und Windenergieerzeugung etwa verfünffachen, den Verkehr auf E-Fahrzeuge und die Heizungen sinnvollerweise auf Wärmepumpensysteme umstellen müssen.
Im Klartext heißt das, das wir bei der Umstellung der Stromerzeugung auf Sonne und Wind etwa bei 20% stehen, bei den Heizsystemen irgendwo unter 10% und im Verkehrssektor bei 0, wenn man mal von den Straßenbahnen und der teilweisen Elektrifizierung der Bahn absieht.
Mit so wenig Speichern wie möglich auskommen
Leider geht der weitere Ausbau von Solar- und Windstrom nicht im gewünschten Tempo voran. Das hat verschiedene Ursachen. Eine entscheidende Ursache ist die Netzsteuerung und das Fehlen der dafür notwendigen Speicherkapazität für Elektroenergie.
Bisher wird das Netz nach der Last gesteuert, d.h. die Leistung der Kraftwerksblöcke wird entsprechend dem aktuellen Verbrauch hochgefahren bzw. gedrosselt. Das ist mit Solar- und Windenergie nicht möglich. Diese müssen erzeugt werden, wenn Sonne und Wind vorhanden sind. Schwankungen in der Erzeugung müssen durch die Netzsteuerung ausgeglichen werden.
Dazu muss man in Zukunft bei Erzeugungsspitzen Speicher als Last zuschalten und laden. Leider sind Speicher teuer und auf absehbare Zeit nicht ausreichend verfügbar. Deshalb müssen wir mit so wenig Speichern wie möglich auskommen.
Hier bieten sich Synergieeffekte durch die Elektromobilität an.
Umstellung auf E-Autos: Nutzen ...
Die Hauptnutzung der meisten PKW ist die Fahrt zur Arbeitsstelle und zurück. Den Tag über steht das Auto dann auf einem Parkplatz vor der Arbeitsstelle. Wenn man dabei von einer täglichen Gesamtfahrleistung von 100 km ausgeht, ergibt sich daraus ein Strombedarf von etwa 15 kWh täglich.
Da die Autos die meiste Zeit des Tages sowieso auf Parkplätzen vor den Arbeitsstellen stehen, ist es egal, ob sie gleich um 7 Uhr zu laden beginnen und um 10 Uhr voll sind oder der Ladevorgang erst in der Einspeisungsspitze von 11-14 Uhr stattfindet. Den Ladezeitpunkt kann man entweder im Bordcomputer des Fahrzeugs festlegen oder das Fahrzeug kommuniziert mit der Netzsteuerung und diese bestimmt, wann wieviel geladen wird. So kann man die Akkukapazität der E-Autos zur Netzsteuerung nutzen.
Wichtig ist nur, dass auf den Parkplätzen eine ausreichende Zahl von Ladesäulen vorhanden ist. Das sollte sich aber ohne großen Aufwand realisieren lassen, da man auf das überall gut ausgebaute Niederspannungsnetz als Basis zurück greifen kann.
Wenn man dann noch gesetzlich festlegt, dass der Ladestrompreis am aktuellen Strompreis am Spotmarkt gekoppelt wird, haben alle den Nutzen davon.
Die Autofahrer, weil sie den Strom billig tanken können. Die Netzbetreiber, weil sie die benötigte Regelenergie zur Verfügung gestellt bekommen. Und alle Stromkunden, weil der Strom aus erneuerbaren Energien zu Peakzeiten nicht mehr ins Ausland verschleudert, sondern zu vernünftigen Preisen an die Autofahrer verkauft wird. Dadurch sinkt die EEG-Umlage, die sich ja aus der Differenz zwischen Einspeisevergütung und dem erzielten Erlös aus dem eingespeisten Strom ergibt.
... Problem: Lithiumbedarf
Allerdings ist das alles Zukunftsmusik, da die benötigten Akkus nicht verfügbar sind und die Elektromobilität deshalb nur sehr schleppend anläuft. Der Engpass sind die Lithiumionenzellen. Und dieser Engpass wird uns noch sehr lange erhalten bleiben, da es nicht ausreicht, Batteriewerke aus dem Boden zu stampfen, sondern man muss auch noch das für die Produktion benötigte Lithium bereitstellen. Und der weltweite Lithiumbedarf wächst zurzeit wesentlich schneller als die Förderung.
Weil nicht genug Akkuzellen verfügbar sind, versuchen die Autobauer, E-Autos mit möglichst kleinen Akkus zu bauen. Das geht natürlich zulasten der Reichweite. Ein E-Auto mit 20 kWh-Akku fährt nun mal nur 100-130 km weit. Und da man im normalen Alltagsbetrieb Reserven braucht, um nicht liegen zu bleiben, reduziert sich seine nutzbare Reichweite auf ca. 80 km.
Das ist für den praktischen Gebrauch zu wenig, weshalb derartige Fahrzeuge kaum akzeptiert werden. Die neueren E-Autos werden deshalb mit größeren Akkus ausgerüstet, was aber teuer ist und zulasten der möglichen Produktionszahlen geht.
Einen Ausweg bieten hier Plug-In-Hybridfahrzeuge mit ca. 15 kWh Akku. Solche Fahrzeuge werden wahrscheinlich 90% ihrer Laufleistung elektrisch absolvieren (eine ordentliche Ladeinfrastruktur vorausgesetzt) und sind trotz der kleinen Batterie voll alltagstauglich, da man bei leerer Batterie nicht liegen bleibt.
Und derartige Fahrzeuge bieten noch einen weiteren Vorteil. Da sie über einen Verbrennungsmotor und einen Elektromotor/Generator verfügen, kann man sie bei entsprechender Auslegung im Stand auch als Notstromaggregat nutzen. Technisch ist das kein Problem, man muss diese Nutzung bei der Konstruktion nur vorsehen.
Außerdem benötigt man dazu eine bidirektionale Ladesäule mit Wechselrichter sowie eine Software, die es der Netzsteuerung ermöglicht, den Einsatz des Autos als Notstromaggregat zu steuern, sobald es an die Ladestation angeschlossen ist. Bidirektionale Ladesäulen sind Stand der Technik und bereits kommerziell erhältlich. Diese Ladesäulen ermöglichen auch die Nutzung des Autoakkus als Pufferspeicher (z.B. für selbsterzeugten PV-Strom), wenn der Strom nicht zum fahren benötigt wird ("vehicle to grid" oder V2G-Konzept).
Allerdings haben die derzeit erhältlichen Plug-In-Hybriden fast alle Benzinmotoren, was für die Verwendung als Notstromaggregat ungünstig ist. Einerseits sind Dieselmotoren sparsamer im Verbrauch und Diesel ist auch billiger als Benzin und andererseits muss im Katastrophenfall genügend Treibstoff vor Ort vorhanden sein. Benzin kann man aus Brandschutzgründen nicht in größeren Mengen in Wohnhäusern lagern, für Diesel steht die dafür benötigte Infrastruktur in Form der Heizöltanks jetzt schon flächendeckend zur Verfügung.
Die Autobauer haben genügend kleine Dieselmotoren zur Auswahl, die sie in die Hybridautos einbauen können.
Diese Motoren brauchen nicht einmal die allerhöchsten Emissionsstandarts zu erfüllen, da die Autos in der Stadt sowieso elektrisch fahren und der Diesel nur selten bei Langstreckenfahrten benutzt wird. Da fallen die höheren Emissionswerte gar nicht ins Gewicht. Wichtiger ist die Treibstoff- und CO2-Einsparung durch den höheren Wirkungsgrad. Aufwändige Abgasreinigungssysteme kann man sich hier auch sparen.
Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis genügend Hybridfahrzeuge und die notwendige Ladeinfrastruktur vorhanden sind, damit die Fahrzeuge im Katastrophenfall die Notstromversorgung übernehmen können, aber wenn jedes Fahrzeug 15 KW liefert und wir 1 Million solcher Fahrzeuge auf den Straßen haben, entspricht das einer Gesamtleistung von 15 GW.
Schnell verfügbare Reserveleistung
Auch wenn davon nur die Hälfte an die Ladestationen angeschlossen ist, sind das 7,5 GW Reserveleistung, also die Leistung von 5-6 Großkraftwerken. Und diese Reserveleistung ist dann flächendeckend über das ganze Land verteilt, so dass auch bei Ausfall der Übertragungsnetze überall Reserveleistung zur Verfügung steht.
Und das ist erst der Anfang. Wir haben in Deutschland über 40 Millionen zugelassene PKW. Wenn nur 10 Millionen davon irgendwann entsprechende Diesel-Plug-In Hybriden wären, entspräche das einer jederzeit verfügbaren Reserveleistung von mindestens 75 GW.
Zum Vergleich: Die Gesamtkapazität aller in der Bundesrepublik z.Zt. vorhandenen Kohle- Gas- Öl- und Kernkraftwerke beträgt ca. 86 GW, die allerdings nie gleichzeitig abgerufen werden können, da einige Kraftwerke immer wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten nicht verfügbar sind.