Engagiert und couragiert, feudal und bigott
Seite 5: Schonung der eigenen Wähler als Erfolgsgarantie
Mit der Bezifferung des Freibetrages für eine Vermögenssteuer von einer Million Euro sind die Grünen tief in das bürgerliche Lager, in die Wählerschichten von CSU, CDU und FDP eingedrungen, die davon überzeugt sind, dass ihr Vermögen "ja schon einmal" versteuert wurde - und daher unantastbar ist. Wer ein Nettovermögen von einer Million besitzt, für den sind 3 Prozent mehr oder weniger Einkommenssteuer keine existentielle Frage. Es klingt aber gut und gerecht.
"Die Reichen" - das sollen dann noch immer die Henkels, Quandts, Porsches und Dietmar Hopp als einziger Aufsteiger sein. Dabei ist es gerade für die leicht, ihr Nettovermögen, also ihr Vermögen abzüglich der Verbindlichkeiten, nahezu beliebig zu definieren. In der Vorlage der Grünen zum Freibetrag sollen übrigens Betriebsvermögen ausgenommen werden. Natürlich nur "mittelständische".
Wieder die Parallele: Energieintensive Betriebe wurden von der Stromumlage ausgenommen. Hauptsache, die kleinen, nicht energieintensiven Zwangszahler können gepfändet werden.
Der Erfolg der Grünen, der sich auch in der Wahl im September fortsetzen wird, kann auch deshalb erzielt werden, weil die eigenen Wähler immer geschont werden. Die grünen Forderungen richten sich an stets anonym bleibende andere, die unterm Strich die Zeche bezahlen. "Mehr Krippenplätze" heißt zum Beispiel auch "mehr Gebühren". Da in den Kita-Gebühren aber nur die Einkommen berücksichtigt werden, nicht die Familienverhältnisse und die Vermögen, werden automatisch jene begünstigt, die offiziell gar keine oder nur niedrige Einkommen beziehen. In dieser Gruppe bewegen sich aber auch echte Arme und Niedrigverdiener. Die ungerechtfertigt Begünstigten schleichen sich sozusagen unter sie - auf Kosten der hart arbeitenden Mittelverdiener. In Düsseldorf wurde vor kurzem einem Ehepaar in einer öffentlichen KiTa eine Beitragsrechnung von 845 Euro präsentiert - im Monat.
Die Vermischung von Armen und Reichen ist eine perfide Strategie, die wir aus den Tarifverhandlungen für Beamte kennen: Obwohl kaum noch Beamte im "einfachen" und immer weniger im "mittleren" Dienst arbeiten, werden diese immer als Beispiel für die stagnierenden Gehälter herangezogen.
Der Claim "Gerechtigkeit" der Grünen, den sie in der Finanz-, der Bildungs- und Sozialpolitik in der Fahne führen, verdeckt, dass bei näherem Hinsehen nur bestimmte Gruppen Vorteile haben. Dass die Gruppe der gutverdienenden Akademiker und ihrer Erben in einem Land, das seit 60 Jahren Frieden und Wohlstand aufbaut und erhält, nicht kleiner, sondern größer wird, ist kein Rätsel. Auch die Armen werden wieder mehr. Und die Superreichen. Aber die Interessen der entspannten gehobenen Mittelschicht mit den Mitteln für politisch korrektes Shopping sind nicht immer als "gerecht" zu bezeichnen.
Die FDP würde ohne die Leihstimmen von CDU und CSU-Wählern an der geschickten Klassenpolitik der Grünen zu Grunde gehen. Die grünen Erben möchten Begriffe wie "Leistung", "Freiheit" und "Steuersenkung" nicht hören. Sie vereinbaren sich nicht mit ihrer Selbstdefinition als Leser von Zeitschriften wie Brandeins und Enorm, in der die Angehörigen der besitzenden Klasse als Vorbilder in ökologischer Askese, als Innovatoren und Social Entrepreneurs vorgestellt werden.
Diplom-Ökonom Kamm ist noch vom alten Schlag der grünen Revolutionäre. Er hat einen Umweltskandal aufgedeckt und ist dabei ein hohes persönliches Risiko eingegangen. Er kämpfte sozusagen an der Umweltfront. Das tut er noch heute im Kampf gegen die atomaren Zwischenlager. Er ist mit der Bahn angereist und fährt auch mit der Bahn wieder ab. In drei Jahren wartet auf ihn eine Pension von rund 3000 Euro monatlich für die elf Jahre im bayerischen Landtag. 270 Euro pro Jahr. Üblich sind 270 Euro je zehn Jahre. Aber Neid ist in diesem Fall unangebracht: Als Entschädigung für das, was Theo Müller ihm angetan hat, ist eine würdige Altersversorgung durchaus vertretbar.