Enzyklopädie für Neue Medien in Brüssel vorgestellt

Museen und die Neuen Medien, Brüssel, 19 November 1998

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Die Enzyklopädie für Neue Medien, ein dreisprachiger Online-Katalog, ist der erste Museumskatalog im Internet, der Ausschnitte von Videokunst zeigt. Der Katalog wurde am 19. November 1998 in Brüssel während des Symposions "Museen und die Neuen Medien" vorgestellt. Umrahmt von Präsentationen von Künstlern und Kuratoren wurde die Veröffentlichung von digitalen Videoaussschnitten, um die nächste Generation mit einer Primärquelle für seltene Mediendokumente zu versorgen, zur Debatte gestellt.

"Museen und die Neuen Medien", ein Symposion von Künstlern und Kuratoren, wurde im Palais des Beaux-Arts de Bruxelles vom 19. bis 21. November 1998 veranstaltet. Die öffentliche Sitzung wurde einberufen, um die Enzyklopädie für Neue Medien, die ambitionierte gemeinsame Datenbank, vorzustellen, ein Online-Dokumentationsprojekt, welches vom Kaleidoskop Fonds 1998 der Europäischen Union unterstützt wird. Das Projekt wurde von Christine van Assche initiiert, der Kuratorin für Medienkunst am Centre Georges Pompidou Paris. Es ist das erste voll zugängliche Datenbankprojekt online, das Filmausschnitte (mit einer Länge von 10 Sekunden bis zu 2 Minuten) im Quicktime-Format aller auf Zeit basierenden Arbeiten verwendet.

Projektpartner für die Enzyklopädie sind das Museum Ludwig in Köln (das keine Website hat), das Centre pour l'Image Contemporaine, Saint-Gervais Geneva und der belgische Partner constant vwz, eine Projektgruppe für die Förderung und Präsentation Neuer Medien.

Die Enzyklopädie für Neue Medien ist nicht tatsächlich, wie der Name vermuten lassen würde, eine enzyklopädische Auflistung aller Medienarbeiten. Es ist ein Katalog der Sammlungen der Partnerinstitutionen. In graphisch sparsam gestaltetem Format präsentiert, werden die Arbeiten in einer einheitlichen Masterliste aufgezählt und diese Struktur beinhaltet eine recht ausführliche Biographie jedes Künstlers (oder jeder Künstlergruppe), Dokumentationen der Ausstellungen der Arbeiten, und eine kuratorische Beschreibung jeder Arbeit. Jedes Medienkunstwerk (Video, CD Rom oder Multi-Media Installation) wird von einem Quicktime-Film begleitet, der in seinem Erscheinungsbild zwar so wie die kürzlich erschienene CD Rom der Videothek des ZKM, Karlsruhe gestaltet, aber viel einfacher als das Offline-Beispiel zugänglich ist. Die Videoaussschnitte wurden von den Kuratoren so ausgewählt, um einen Einblick in den Stil, Ton, und Rhythmus jeder Arbeit zu geben, die Länge wurde in Hinblick auf die beste Repräsentation des Inhaltes jeder Arbeit festgelegt. In der Diskussion mit dem Publikum in Brüssel wurde ursprünglich befürchtet, daß zukünftige Generationen nie das wichtige Zeitelement des auf Zeit basierenden Mediums Video erfahren würden, wenn diese leicht zugänglichen kurzen Auszüge zur Verfügung stünden. Aber nach einem Statement gefragt meinte Van Assche, daß zukünftige Pläne auch die Digitalisierung der Videos von Künstlern in voller Länge beinhalten, die online sein werden, sobald die Technologie - und Bandbreite - zur Verfügung stehen.

Die dreisprachige Enzyklopädie für Neue Medien (Englisch, Französisch, Deutsch) stellt derzeit 200 Arbeiten online aus (und repräsentiert an die 50 Künstler). Bei der Fertigstellung im Jahr 2000 wird die New Media Encyclopedia mehr als 1000 Arbeiten von über 200 Künstlern beinhalten. Die Datenbank der Enzyklopädie für Neue Medien ermöglicht den Zugriff auf Daten nach dem Alphabet, beziehungsweise chronologisch. An einer Suchfunktion nach Themenbereichen wird gearbeitet (sie wird Kunstreferenzen wie Körperkunst, Konzeptkunst, Fluxus etc. verwenden), um eine Einordnung von Künstlern und die Restrukturierung von Stilen aus verschiedenen kulturellen Referenz- und Zeitbereichen zu ermöglichen. Zusätzliche Merkmale der Enzyklopädie für Neue Medien sind ein Glossar von Begriffen (bald dreisprachig), eine kurze Geschichte der Medienkunst repräsentativer Länder, in denen Video, Performance und Multi-Media blühte und in den 1970ern und 1980ern Geschichte machte, und eine Bibliographie medienbezogener Publikationen, die in den Bibliotheken jeder Institution zu finden sind. Das sind nützliche Werkzeuge für Kuratoren, Studenten, und Geisteswissenschafter, die sowohl nach weiteren Quellen, als auch genauen Referenzen suchen.

Die Enzyklopädie für Neue Medien präsentiert die Dokumentation der Medienkunstsammlungen professionell und genau, und die Information, die in diesem Online-Katalog zur Verfügung gestellt wird, ist außerordentlich, vor allem, wenn man sie mit den aufwendig gestalteten Websites der internationalen Videoverleihe vergleicht, die wenig Information und keine Videobilder bieten. Verleiher wie London Electronic Arts, 235Media, Köln, oder Montevideo, Amsterdam, sind daran gescheitert, ihrem Online-Kundenstamm grundlegende biographische oder produktionsbezogene Informationen zur Verfügung zu stellen. Electronic Arts Intermix, New York, bietet gute Katalogtexte zu jeder Arbeit und einige Standphotos, hat aber noch keine Videoaussschnitte entwickelt. Die Video Datenbank am Art Institute of Chicago ist gerade dabei, einen Online-Katalog zu entwickeln und plant die Einbindung von digitalen Videoausschnitten im Jahr 1999.

Die erste Phase für die Online-Enzyklopädie baut auf der Sammlung des Musee National d'Art Moderne, Centre Georges Pompidou auf. Unter den ersten 30 Künstlern, die aus der Pompidou Sammlung vorgestellt wurden, sind Chris Marker (Frankreich), Peter Fischli und David Weiss (Schweiz), Johan Grimonprez (Belgien), Marcel Odenbach (Deutschland) und Jean-Luc Godard (Frankreich/Schweiz). Das Museum Ludwig hat Aufstellungen ihrer Arbeiten von Marina Abramovic und Ulay, Joseph Beuys, Wolf Vostel und Bettina Gruber und Maria Vedder beigetragen. Viele der Arbeiten sind im Besitz der jeweiligen Institution und werden einheitlich repräsentiert, zum Beispiel Arbeiten von Vito Acconi, Doublas Davis, Gary Hill, Bruce Nauman, Nam June Paik und Shigeko Kubota. Spätere Aktualisierungen werden unter Teilnahme der Künstler gemacht werden, die bei der Aufnahme ihrer Werke mithelfen werden.

Das Symposion "Museen und die Neuen Medien" wurde in Brüssel, einem der wenigen wichtigen europäischen Zentren, das keine Sammlung Neuer Medienkunst besitzt, organisiert, um die Diskussion auf die Beziehung zwischen Museen, der Praxis Neuer Medien und dem einmaligen kulturellen Erbe von auf Zeit basierender Kunst zu konzentrieren. Trotz des Mangels an institutioneller Anerkennung Neuer Medienkunst in Belgien bietet constant vwz ein ernsthaftes Forum für die Präsentation und Diskussion Neuer Medienkunst für die online Umgebung, mit Beispielen, die Themen rund um die Dokumentation von Kunst genauso einschlossen, wie auch einzigartige originale Arbeiten, die ganz speziell für das Netz entwickelt wurden. Teilnehmer waren unter anderem die Künstler George Legrady (Stuttgart), Vera Frenkel (Toronto), Karel Dudesek von Van Gogh TV (HH/Wien), Moving Art Studio (Brüssel) und Stefan Decostere (Brüssel). An Kuratoren waren dabei Simon Lamauniere (Genf), Kurator der documenta x Net.art, McKenzie Wark (Sydney), Julie Lazar:www.MOCA- LA.org, Direktorin für experimentelle Programme, MOCA (Los Angeles), und Konrad Becker, Vorsitzender des Institut für Neue Kulturtechnologien und Public Netbase (Wien), der individuelle Fallstudien präsentierte und hervorragende Wege illustrierte, wie das Internet Kunst, das Museum und institutionelle Identität zusammenführen kann.

Die Konservierung und Dokumentation von früher Medienkunst (vor allem von Videoarbeiten) war in den letzten 15 Jahren, seit man erkannt hat, daß Arbeiten, die ab den späten 1960ern hergestellt wurden, Verfallsprozessen ausgesetzt sind, ein Grund für wachsende Besorgnis. Das ist ein wachsendes Problem sowohl für Museen, als auch für Künstler. In der Flutwelle der Kommunikationsrevolution und des Wachstums des Internets als Hauptthema, wurde das Medium Video von einigen Kritikern und Promotern digitaler Kunst sogar für "tot" erklärt. Jetzt scheint es, als ob durch die digitale Technologie die historischen Referenzarbeiten für digitale Kultur und die Meisterwerke zahlloser zeitgenössischer Künstler, die bahnbrechende Ideen lieferten, zumindest ein Revival, wenn schon kein zweites Leben, erleben würden. Dieses neue digitale Leben verspricht eine ewige Flamme für den Kompromiß des Mediums zwischen Qualität und Verfügbarkeit und bietet die Möglichkeit einer erweiterten Verbreitung im Internet. Man hofft, daß das kuratorische Interesse, auf Zeit basierende Kunst zu präsentierten und zu konservieren, das in den letzten zwei Jahrzehnten ständig gewachsen ist, in dieser Anstrengung, Information online anzubieten, eine Belohnung findet. Bis zum Jahr 2000, wenn die Enzyklopädie für Neue Medien in vollem Ausmaß online ist, sollten die Vorteile, die ein leicht zugänglicher kurzer Blick auf die wichtigen Einflüße von Video, Performance und Konzeptkunst auf soziale, politische und kommerzielle Medien bietet, von Museen weltweit anerkannt werden.