Erdogan legt Teilgeständnis ab
Der türkische Ministerpräsident räumt ein, dass mehrere der auf YouTube geleakten Telefonmitschnitte echt sind
Seit einigen Wochen erregen YouTube-Clips von angeblichen oder tatsächlichen Telefonaten des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan weltweites Aufsehen. Bis gestern bezeichnete der Politiker die Aufnahmen nur als "Montagen" und sprach von einer "Verschwörung". Nun hat er auf einer Pressekonferenz in Ankara eingeräumt, dass auf zwei der Clips tatsächlich seine eigene Stimme zu hören ist.
In dem einen Clip geht es um ein Bußgeld gegen den Medienkonzern Doğan, in dessen Publikationen türkische Journalisten das schreiben, "was sie sich woanders nicht mehr trauen" (FAZ). Ein alevitischer Richter hatte das Bußgeld in einer das ganze Unternehmen gefährdenden Höhe am 2. Juli 2013 aufgehoben, woraufhin Erdoğan seinem damaligen Justizminister Sadullah Ergin wütend mitteilte, er solle sich persönlich um die Angelegenheit kümmern, weil sie "wichtig" sei.
Im anderen Clip, dessen grundsätzliche Echtheit Erdoğan einräumte, spricht er mit dem Werftbetreiber Metin Kalkavan und fordert ihn dazu auf, einen 1,5 Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau von sechs Fregatten anzufechten, der an die Koç-Gruppe ging. Weil der Unternehmer Mustafa Koç (dem der Auftrag später tatsächlich entzogen wurde) als Feind Erdoğans gilt und während der Gezi-Park-Proteste im letzten Jahr in einem seiner Hotels verletzten Demonstranten Zuflucht gewährte, spekulieren türkische Medien darüber, ob diese Aufforderung machtpolitische Hintergründe hatte.
Den vorher geäußerten Vorwurf, die Gespräche seinen "Montagen", hält der türkische Ministerpräsident insofern aufrecht, als er auf kleineren Änderungen und das Zusammenfügen mehrerer Telefonate zu einem Clip beharrt. An den von ihm in den Gesprächen geäußerten Inhalten ist seiner Ansicht nach nichts kritikwürdig: Dass er eine Überprüfung der Bußgeldentscheidung verlangte, sei ein ganz normaler Vorgang gewesen, der dem Zweck gedient habe, den Staat vor Schaden zu bewahren.
Selbiges gelte auch für die Neuausschreibung des Rüstungsauftrages, der nun für mehrere Hundert Millionen Dollar weniger erledigt werde. Außerdem rate er Unternehmern, die mit dem Ergebnis staatlicher Auftragsvergaben nicht zufrieden sind, regelmäßig, die jeweiligen Entscheidungen anzufechten. Zu anderen Gesprächen, in denen der Eindruck entsteht, dass er und sein Sohn Bilal Bestechungsgelder in beträchtlicher Höhe annahmen, machte er keine Angaben.
Erdoğan zufolge liegt der Skandal nicht darin, was er sagte oder tat, sondern in der Möglichkeit, dass "besonders gesicherte" Gespräche abgehört und gespeichert wurden. Wer die Telefonate mitschnitt und wer sie auf YouTube einstellte, ist weiterhin unklar. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat mittlerweile eine Untersuchung dazu angeordnet.
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