Erdogans gefährliches Netzwerk in Deutschland

Seite 2: Auch Jan Böhmermann im Visier der Osmanen Germania

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Nach seinem Schmähgedicht zu Erdogan geriet auch Böhmermann ins Visier der Osmanen, der UETD und der AKP. Kanzlerin Merkel hatte zuvor ihr Okay zur Strafverfolgung Böhmermanns wegen Präsidentenbeleidigung gegeben.Von oberster türkischer Stelle sei angeblich eine "Abstrafung" Böhmermanns durch die Osmanen angeordnet worden.

Aus den Abhörprotokollen deutscher Sicherheitsbehörden geht hervor, das der Mannheimer UETD-Vorsitzende Mehmet Ilkay Arin am 1. April 2016 angeblich ein Telefonat mit dem Chef der Osmanen Germania führte, in dem er Bagci den Auftrag erteilt, dieser solle "mit seinen Leuten eine Person abstrafen, die beim ZDF in Mainz arbeitet" und den "Reis" (türkisches Wort für "Führer") beschimpft und beleidigt haben.

Am 6. April 2016 soll Külünk persönlich in einem Telefonat mit einem UETD - Mitglied angeordnet haben, weitere UETD-Anhänger zu mobilisieren, damit sie Strafanzeige gegen Jan Böhmermann wegen der Beleidigung des türkischen Staatsoberhauptes stellen. In folgenden Telefonaten mit Arin soll Bagci berichtet haben, er würde die genaue Adresse Böhmermanns in Köln über einen Kontakt bei den "Onkels" herausfinden. Die Ermittler vermuten, dass mit den "Onkels" türkische Maulwürfe in der deutschen Polizei gemeint sind.

Die Behörden warnten Böhmermann vor den Osmanen, - der musste sich im Ausland verstecken und stand unter Polizeischutz. Über die Unterwanderung deutscher Behörden durch türkische Spitzel berichtete Telepolis bereits mehrmals (siehe Türkischer Geheimdienst infiltriert auch Deutschlands Polizei.

Besondere Sanktionen hatten solche Spitzel nie zu befürchten. Vor Gericht wurden sie freigesprochen, oder man wartete so lange mit ihrer Festnahme, dass sie sich in die Türkei absetzen konnten. So ließ man auch die DITIB-Imame ausreisen, die in ihren Gemeinden für die AKP spioniert hatten.

Das Schweigen der Bundesregierung

Im Herbst 2016 wurde in Stuttgart unter Leitung des LKA die Ermittlungsgruppe "Meteor" zu den Machenschaften der Osmanen Germania im Rockermilieu gegründet. Bundespolizisten, Ermittler des Polizeipräsidiums Stuttgart und Beamte des LKA stellten schnell fest, dass dies nur die Spitze eines Eisberges ist. Sie stießen auf ein Netzwerk von UETD, Rockern, AKP und engsten Vertrauten Erdogans. Sie baten um Unterstützung und Informationen der Bundesbehörden und erhielten angeblich: Nichts!

Das Bundesamt für Verfassungsschutz lud zu einem geheimen Treffen nach Köln am 12. April dieses Jahres ein. Ein Jahr nach den ersten Erkenntnissen der schwäbischen Ermittler. An dem Treffen nahmen teil: "Agenten des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes, Experten aus dem Bundeskriminalamt, Verfassungsschützer aus Stuttgart und Düsseldorf, Referenten aus den Unterabteilungen des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusbwehrzentrums (GETZ), Kriminale aus Düsseldorf, Saarbrücken, Wiesbaden und Stuttgart".

Aber es brachte keine neuen Erkenntnisse. "Von den Bundesbehörden kam nichts, was wir nicht schon selbst wussten. Das war wie im Fall von Anis Amri: Richtig redet keiner mit keinem. Informationen werden gerade von den Bundesbehörden abgeschöpft und gehortet!", wird ein Teilnehmer zitiert.

Nach der Veröffentlichung des Frontal 21-Beitrages und zahlreichen Artikeln der Stuttgarter Nachrichten versicherte das Bundesinnenministerium am letzten Donnerstag:

Soweit bei einzelnen Mitgliedern der Osmanen "Hinweise auf mögliche Verbindungen zu extremistischen Organisationen oder eine Einbindung in nachrichtendienstliche Aktivitäten beziehungsweise Einflussoperationen staatlicher türkischer Stellen vorliegen, gehen die Sicherheitsbehörden diesen mit Nachdruck nach".

Stuttgarter Nachrichten

Schon seit April 2016 ermitteln die Behörden einzelner Bundesländer. Spätestens seit April dieses Jahres ist das Innenministerium umfassend informiert. Wieso meldet sich das Innenministerium erst jetzt zu Wort? Der CDU Innenexperte Armin Schuster geht von einem Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland durch das Netzwerk aus. In diesem Falle müsste der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führen.

Doch auch da: Schweigen. Ist das Schweigen der Bundesregierung in dieser Angelegenheit etwa der Preis für die kürzliche Freilassung von Peter Steudtner aus türkischer Haft? Informationen aus dem Auswärtigen Amt, von denen der Focus berichtete, besagten damals, dass die Bundesregierung einen hohen Preis für die Freilassung bezahlt hätte.

Ähnliches scheint im Moment im Fall der auf freien Fuß - allerdings nur innerhalb Türkei - gesetzten deutschen Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu zu laufen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) gab sich zuletzt betont Türkei-freundlich. Er betonte die seit langem bestehenden engen Verflechtungen zwischen Deutschland und der Türkei. Steudtners Freilassung sei nicht das Ende einer Entwicklung gewesen, sondern der Anfang, ließ er vor der Freilassung verlautbaren.

Bagci sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Allerdings nicht wegen seiner politischen Kontakte oder politisch motivierten Gewalttaten, sondern wegen typischer Vergehen aus dem Rockermilieu: Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Prostitution.