Erdogans gefährliches Netzwerk in Deutschland
- Erdogans gefährliches Netzwerk in Deutschland
- Auch Jan Böhmermann im Visier der Osmanen Germania
- Baut die AKP paramilitärische Organisationen in Deutschland auf?
- Auf einer Seite lesen
Die Rockergruppe "Osmanen Germania" und ganz besondere Verbindungen
Sie fahren keine schweren Motorräder, sondern große Autos. Sie organisieren sich in Boxclubs und verbreiten über das Internet martialische Videos. Sie arbeiten als Türsteher und Bodygards bei Veranstaltungen von nationalistischen Türken. Sie gelten als äußerst gewaltbereit. Die Rockergruppe "Osmanen Germania" verfügt über beste Kontakte zu Erdogans engsten Vertrauten in der AKP. Die "Osmanen Germania" bilden zusammen mit der UETD und Islamisten ein gefährliches Netzwerk, das nun auch die deutschen Sicherheitsbehörden genauer hinschauen lässt.
Die Rockergruppe "Osmanen Germania" hat in Deutschland mehr als 2.000 Mitglieder und ist eine ernstzunehmende Konkurrenz für die hiesigen Rockergruppen, wie z.B. die "Hells Angels". Diese fürchten um ihre Reviere, in denen sie mit Schutzgelderpressung, Drogenhandel und Prostitution Millionengeschäfte machen.
Anhänger finden die Osmanen Germania zunehmend unter jungen Männern mit Migrationshintergrund, vor allem unter Türken. Mehmet Bagci, der Präsident der Osmanen Germania, sagt: "Wir wollen die Jugendlichen von der Straße holen. Wir wollen, dass sie sich mit Sport beschäftigen. Ihnen Arbeit besorgen. Von ihrer Drogensucht weg, von ihrer Alkoholsucht weg."
Die Sicherheitsbehörden glauben ihm kein Wort. Neben der Gefahr neuer Bandenkriege zwischen konkurrierenden Rockerbanden sind die Verbindungen zur türkischen Politik besonders besorgniserregend.
Am 27. April 2016 um 17.24 Uhr hörten die Sicherheitsbeamten bei einem Telefonat Bagcis mit, in dem er sich damit brüstet, dass er und seine Kumpane von türkisch-stämmigen Geschäftsleuten in Deutschland Geld erpressen würden. In dem Telefonat soll er von "sehr guten Kontakten" zum türkischen Geheimdienst gesprochen haben. Und dass er mit seinen Männern die Sache mit dem "PKK-Ding" in Stuttgart regeln würde.
Gemeint ist eine Demonstration am 10. April 2016 in Stuttgart, wo es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kam. In dem Telefonat stellte Bagci nach den Worten der Ermittler klar, dass niemand sie von ihrem Ziel in dieser Sache abbringen würde und dass sie bereit seien, für ihre Sache zu sterben und zu töten. Derart alarmiert, was das bedeuten könne, observierten die Ermittler auch elektronisch.
Telefonat für Telefonat, SMS für SMS drangen die Ermittler tief ein in ein bedrohliches Netzwerk aus Politik und Organisierter Kriminalität.
Stuttgarter Nachrichten
Die Stuttgarter Nachrichten und das ZDF-Magazin "Frontal 21" haben in ihren Recherchen Hinweise darauf gefunden, dass die Osmanen Germania möglicherweise von Erdogans Umfeld gesteuert werden. Danach verfügen die deutschen Sicherheitsbehörden über Abhör- und Observationsprotokolle, aus denen hervorgeht, dass der Istanbuler AKP-Abgeordnete Metin Külünk - ein enger Freund aus Jugendtagen und treuer Gefolgsmann Erdogans - schon mehrfach Geldbeträge an Führungsmitglieder der Osmanen transferierte.
Einmal sollen über 20.000 Euro für einen Waffenkauf geflossen sein. Im April 2016 ließ sich Metin Külünk mit dem Osmanen-Chef Bagci auf einem Kongress der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Köln ablichten. Wenige Tage später reiste Bagci in die Türkei, um "den türkischen Staat um finanzielle Hilfe zu bitten", berichteten die Ermittler.
Drei Wochen nach den Erkenntnissen über den Geldtransfer beschlagnahmten die hessischen Sicherheitsbehörden im Mai 2016 einen für die Osmanen Germania bestimmten Waffentransport, darunter eine tschechisch-jugoslawische Maschinenpistole des Typs Skorpion. Gegen Metin Külünk lief 2016 in der Türkei ein Verfahren wegen Organisierter Kriminalität, also Mafiakontakten. Der Putsch im Juli 2016 bewahrte ihn jedoch vor einem Prozess, da der zuständige Staatsanwalt selbst als "Verräter" im Gefängnis landete. Külünk gilt in Regierungskreisen als ausgezeichneter Netzwerker mit guten Verbindungen zum türkischen Geheimdienst.
Erdogan verkündete im Februar diesen Jahres, "sein Freund Külünk würde Chef der neu geschaffenen staatlichen Behörde zum Umgang mit Falschmeldungen". In der Dokumentation von Frontal 21, die das ZDF Mitte Dezember sendete, werden die Verbindungen der Rockergruppe zu nationalistischen und rechtsextremen türkischen Organisationen in Deutschland und der Türkei gezeigt.
Osmanen Germania unter Beobachtung des Verfassungsschutzes und Landeskriminalamtes
Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen stellte fest, dass die Aktivitäten der Gruppe in erster Linie gegen Türkei-kritische und kurdische Organisationen gerichtet sind. Dies berichtete Burkhard Freier, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen im Interview mit Frontal 21. Sabine Thurau, Leiterin des hessischen Landeskriminalamt (LKA) stellte fest, dass diese Rockergruppierung sehr stark türkisch-nationalistisch geprägt ist. Zu diesem Schluss kamen die Stuttgarter Nachrichten schon im April dieses Jahres.
Sie waren die ersten, die über ein Netzwerk zwischen türkisch-nationalistischen politischen Organisationen, Islamisten und den Rockern berichteten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD).
Als "überparteiliche Organisation", so der ehemalige Vorsitzende Zafer Sirakaya, wirbt sie öffentlich für Staatspräsident Erdogan und die AKP in Deutschland. Im Vorfeld des Referendums warb die UETD in den sozialen Netzwerken für das "Evet" (dt.: Ja) zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei. Zur Abstimmung organisierte sie in vielen Städten Busse zu den Wahllokalen.
Ein gern gesehener Gast auf ihren Veranstaltungen ist jener AKP-Abgeordnete Metin Külünk, der aus der Türkei heraus angeblich die Waffen der Rocker finanziert haben soll. Külünks Ziel bei Deutschlandbesuchen ist in erster Linie Mannheim, wo er sich mit dem Vorsitzenden der UETD Rhein-Neckar, Yilmaz Ilkay Arin, trifft, der nach eigenen Angaben über ausgezeichnete Kontakte zu Erdogan persönlich verfügt.
In abgehörten Telefonaten zwischen Arin und Külünk verfestigte sich der Eindruck der Beamten, dass Arin und sein Onkel zu den wichtigsten Befehlsempfängern der Erdogan-Vertrauten in Deutschland gehören. Arin ist nicht nur Chef der UETD im Rhein-Neckar-Kreis, er ist auch Präsident des "Türkischen Sportclubs in Europa". Mit dem Generalsekretär der Mannheimer UETD, Suat Selcuk, betreibt er die Firma "Müge Arin Transport".
Ihm werden auch Kontakte zu den Grauen Wölfen und dem türkischen Geheimdienst MIT nachgesagt. Die Ermittlungen der deutschen Dienste führten zu einem Agenten des MIT in Salzburg, Mehmet D., der von den Behörden enttarnt wurde. Sie stellten fest, dass es ein engmaschiges Netz zwischen AKP, UETD und MIT gibt. Die Osmanen Germania fungieren dabei als Schlägertruppe.
"Schlagt den Kurden mit Stöcken auf den Kopf"
Der Istanbuler AKP-Abgeordnete Külünk forderte die in Deutschland lebenden Türken auf, gewaltsam gegen Kurden vorzugehen. Sie sollten dies filmen und in die Türkei senden, damit jeder sehen könne, was mit denjenigen passiere, die sich gegen Erdogan erheben, berichtet die Stuttgarter Zeitung weiter. Dass die Rocker für die AKP, den MIT und die UETD als Schlägertruppe fungieren, wurde den Behörden erst durch die Ereignisse rund um die Armenien-Resolution im Deutschen Bundestag bewusst.
Die Bezeichnung der Deportation und Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern als "Völkermord" brachte die türkische Regierung in Rage. Die UETD organisierte Protestkundgebungen und Demonstrationen gegen die Resolution - gekaufte Protestler durch den AKP-Abgeordneten Külünk, berichteten die deutschen Ermittler. Am Brandenburger Tor gingen die Muskelmänner der Osmanen Germania und ihr Chef Bahci in ihren Kutten bei Kundgebungen in Stellung.
Dafür erhielten sie, so der Bericht der Ermittler, am 1. Juni 2016 gegen 14.30 Uhr in der Berliner Potsdamer Straße zwei Briefumschläge mit Geld, das Bagci, wie sich kurze Zeit später herausstellte, von Külünk persönlich erhalten haben soll. Dies gehe aus einem abgehörten Telefonat zwischen Bagci und seinem Stellvertreter Selcuk Sahin hervor. Am Abend soll Külünk dann mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu telefoniert und gefragt haben, ob noch weitere Protestkundgebungen organisiert werden sollen.
Laut Bericht der Stuttgarter Nachrichten reichte Cavusoglu den Hörer - an Erdogan. Dieser soll Külünk empfohlen haben, von weiteren Kundgebungen abzusehen, weil nicht genug Anhänger mobilisiert werden könnten. 50 bis 300 Teilnehmer seien zu wenig, es müssten 4.000 bis 5.000 sein.
Erdogans Sohn Bilal mit von der Partie
Auch Bagcis Stellvertreter bei den Osmanen, Selcuk Sahin, unterhält gute Kontakte zum Erdogan-Clan. Im Juni 2017 hörten die deutschen Ermittler ein Telefonat ab, in dem er Bilal anbot, ihm einen Investor in Deutschland für seine Geschäfte zu besorgen. Zur Erinnerung: Erdogans Sohn Bilal war in den Korruptionsskandal 2013 um den Goldhändler Reza Zarrab verstrickt, der gerade von der US-Justiz aufgedeckt wird.
Mittlerweile haben die deutschen Behörden ein Problem: Das Netzwerk kommuniziert nicht mehr telefonisch. Kurz nachdem hessische LKA-Beamte den BKA-Verbindungsmann in der deutschen Botschaft in Ankara um Auskunft über verschiedene türkische Politiker und Beamte baten, wurde es im Netzwerk still. Ein Schelm, wer Böses denkt.