Erdogans militarisierte Außenpolitik irritiert den Westen

Seite 2: Raus aus dem atlantischen Raum

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Für Putin ist es natürlich nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch reizvoll, als Rüstungslieferant eines NATO-Mitglieds aufzutreten. Wobei es schon eine Ironie ist, dass Russland ausgerechnet Flugabwehr in die Türkei liefert, die seinerzeit ein russisches Kampflugzeug abgeschlossen hat - damals war es die türkische Luftwaffe mit einer Luft-Luft-Rakete.

Doch Erdogan macht Politik längst nach eigenem Gusto und weit außerhalb des NATO-Bündnis-Gebiets. Der neuste Coup ist der Bau eines türkischen Truppenstützpunkt in Somalia. Seit zweieinhalb Jahren wird an der Truppenbasis unweit des Flughafens der Hauptstadt Mogadischu schon gebaut. Die Türkei will auf dem Stützpunkt Soldaten der Armee für den Kampf gegen die islamistische Al-Shabaab-Miliz ausbilden. Die ersten 300 türkischen Soldaten sollen bald nach Somalia reisen. Allein 100 davon sollen Ausbilder sein. Die somalische Regierung hofft, damit die eigene Armee professioneller zu machen.

In dem Land am Horn von Afrika herrscht immer noch Bürgerkrieg, trotzdem kam Erdogan 2001 zu einem Besuch und erneut 2016, als er die neugebaute türkische Botschaft in Mogadischu eröffnete. Der türkische Staat unterstützt die somalische Regierung auch finanziell, Turkish Airlines fliegt Mogadischu regelmäßig an. Es geht um nicht weniger, als den somalischen Staat wieder aufzubauen. Gelingt das, dann ist die Türkei in der Pole Position und weiter im Süden, als es das Osmanische Reich jemals war.

Rein in den Nahen Osten

Damit greift die Türkei weit in den Nahen Osten aus bis zum strategisch wichtigen Horn von Afrika und tut es Großmächten wie den USA, Frankreich und China gleich. Die sind mit Soldaten im benachbarten Dschibuti präsent: Dort herrscht allerdings kein Bürgerkrieg, die dortige Regierung hat aus dem Vermieten von Truppenstützpunkten ein Geschäft gemacht. Die Türkei ist aber auch auf der entgegengesetzten Seite der arabischen Halbinsel mit Soldaten präsent, im Emirat Katar.

Das bringt die Türkei nun in Schwierigkeiten. Denn Saudi-Arabien wirft Katar Terrorunterstützung vor und hat vor mehr als 100 Tagen eine Blockade verhängt. Später legte Riad eine 13-Punkte-Liste vor, die Katar erfüllen müsse. Darin wird nicht nur gefordert, dass Katar Organisationen wie die Hisbollah oder die Muslimbrüder nicht mehr zu unterstützt sowie den Fernsehsender Al-Dschasira abschaltet. Riad fordert auch den türkischen Militärstützpunkt zu schließen: "Immediately terminate the Turkish military presence currently in Qatar and end any joint military cooperation with Turkey inside of Qatar."

Das zeigt natürlich, dass es Saudi-Arabien mit der Blockade von Katar um mehr geht als um Terrorismus. Erdogan nannte die Forderung eine Verletzung internationalen Rechts. Als Antwort an Saudi-Arabien will die Türkei nun die Zahl ihrer Soldaten in Katar von 100 auf möglicherweise bis zu 1000 aufstocken. Demonstrativ ließ Erdogan außerdem türkische Panzer durch die katarische Hauptstadt Doha rollen.