Eritrea: Nordkorea Afrikas oder alles halb so schlimm?

Seite 2: Vom Hoffnungsland zum Nordkorea Afrikas

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Vorwürfe gegen eritreische Flüchtlinge sind ja nicht neu: Vor über einem Jahr gab es diese Debatte schon in der Schweiz. "Machen Flüchtlinge aus Eritrea Ferien zu Hause?", fragte 2015 das Schweizer Blatt "20 Minuten".

Nicole Hirt: Neben den Flüchtlingen gibt es eine große eritreische Diaspora, die in Europa lebt und vor der Unabhängigkeit in den 1980ern entstanden ist. Und von denen ist ein großer Teil pro Regierung. Die haben zum Beispiel die deutsche oder schweizerische Staatsbürgerschaft und fahren nach Eritrea in den Urlaub. Das sind nicht die jetzigen Flüchtlinge.

Die Diskussion kommt natürlich durch die allgemeine Diskussion über Flüchtlinge in Europa. Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren viele Eritreer aufgenommen. Gleichzeitig wendet sich die SVP gegen die Flüchtlinge und will sie wieder in ihre Heimat zurückführen. Da werden dann auch Argumente der eritreischen Regierung wiedergegeben und die Lage schöngeredet.

Eritrea galt nach der Unabhängigkeit als Muster- und Hoffnungsland. Wie konnte sich das Land zum "Nordkorea Afrikas" entwickeln?

Nicole Hirt: Hoffnungsträger war Eritrea nur bis 1997. 1998 kam der Krieg mit Äthiopien, danach der politische Einschnitt, die Opposition wurde verhaftet und die Militarisierung des Landes begann. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde komplett gestoppt, obwohl da ein großes Potenzial wäre. Durch die institutionalisierte Zwangsstaatsarbeit stagniert die Entwicklung. Der private Sektor wurde komplett zerstört. Die eritreischen Unternehmer arbeiten im Südsudan oder in Uganda, der Bausektor wurde komplett verstaatlicht. Es gibt willkürliche Verhaftungen, Zwangsarbeit, keine persönliche Freiheit.

Nicht jeder sieht Eritrea als afrikanisches Nordkorea. Betont wird, dass das Gesundheitssystem gut ist, unter anderem stieg seit der Unabhängigkeit die Lebenserwartung von 48 auf 63 Jahre. So ist der UNDP-Bericht von 2014 voll des Lobes für Eritrea, das dabei sei, die Millenniumsziele zur Gesundheit 4, 5 und 6 zu erreichen.

Nicole Hirt: Diese Angaben sind fraglich. Die UNDP in Eritrea ist eine One-Woman-Show von Christine N. Umutoni aus Ruanda. Sie fungiert als Sprachrohr der eritreischen Regierung. Die ganzen Statistiken stammen von der Regierung und es gibt keine Möglichkeit, sie unabhängig zu überprüfen. Ich würde in Eritrea jedenfalls auf dem Land nicht krank werden wollen.

Aber sind die Zustände dort so schlecht, dass nur Flucht bleibt?

Nicole Hirt: Es geht eben nicht nur um Armut, sondern um institutionelle Zwangsarbeit. Die Menschen haben ihr Leben nicht in der Hand. Mit 18 kommen sie in ein Militärcamp. Dann werden sie interniert und politisch indoktriniert. Bis sie 50 sind, kommen sie nicht mehr aus diesem Dienst raus. Die Regierung sagt ihnen, ob sie studieren dürfen oder nicht, sie stehen unter dem Kommando der Regierung. Diese absolute Unfreiheit hat nichts mit Armut zu tun, wie es sie auch in anderen Ländern gibt.