Erkennen die USA ein unabhängiges Katalonien an?

Seite 3: Die Regierung ging gegen die Website für das Referendum vor und droht, den Strom am 1. Oktober abzudrehen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Spanischer Repressionsfantasie sind derzeit aber kaum noch Grenzen gesetzt. Die Polizei verpflichtet schon Freiwillige in ihren Reihen für Einsätze in Katalonien. Nach den Anklagen gegen Parlamentarier und Mitgliedern der Regionalregierung werden nun auch die beiden Präsidenten von Gemeinde-Vereinigungen angeklagt, weil sie für das Referendum eintreten. Versucht wird auch, die offizielle Referendumsseite aus dem Internet zu verbannen, wie auch im Telepolis-Forum schon debattiert wurde. Ein gut informierter Leser, der in Barcelona wohnt, schrieb, dass die paramilitärische Guardia Civil "bei der Webhosting-Firma CDMon in Malgrat de Mar vorstellig geworden" sei und auf richterliche Anordnung die Schließung erwirkt hätte.

Wie er feststellte, war die Seite zeitweise nicht mehr erreichbar, doch später zeigte er sich überzeugt, "dass es morgen so ungefähr 1000 funktionierende mirrors gibt..." Und tatsächlich funktioniert http://www.ref1oct.cat wieder problemlos. Offenbar haben hier Wikileaks und Assange Hilfestellung gegen die "Zensur" geleistet. Assange ist stolz, dabei helfen zu können, die Referendums-Webseite zu schützen. "We have a lot of experience stopping abusive censorship. I am happy to help protect the publishing rights of #Catalonia's referendum website".

Die Regierung droht in ihrer gesamten Hilflosigkeit gegen eine riesige Demokratiebewegung, die längst den Steuerknüppel in die Hand genommen hat, man werde am 1. Oktober den Wahllokalen in Katalonien den Strom abstellen. Der Staat werde die "Logistik des Referendums kurzschließen". Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont kommt nicht umhin, sich angesichts derlei Vorstellungen im Zeitalter von Notstromaggregaten, Wind- und Solarstrom darüber lustig zu machen. Mit Blick auf Kerzenlicht sagte er über Facebook: "Mit ihrer Obsession werden uns einen romantischen Tag schenken." Auch die Post wurde angewiesen, keine Wahlbriefe und Material zum Referendum zu befördern. Schauen die also nun in alle Briefe hinein, um festzustellen, was sich in den Umschlägen befindet?

Der Repressionswahn macht sogar vor dem fernen Madrid nicht halt. Dort wurde eine Veranstaltung verboten, die sich am Sonntag mit dem Selbstbestimmungsrecht beschäftigen wollte. Gegen das Verbot des Richters José Yuste Bastarreche geht auch die linke Bürgermeisterin Manuela Carmena juristisch vor. Die Verantwortliche in der Stadtverwaltung findet zum Verbot klare Worte: "Es bedeutet, dass wir praktisch in einer Diktatur leben", sagte Rommy Arce. Angesetzt wurde von den Veranstaltern nun als Ersatz eine Veranstaltung für Meinungsfreiheit, Demokratie und Recht auf Selbstbestimmung.

Sicher freuen sich die Veranstalter über die ungeahnte Werbung und vermutlich wird der "Matadero" (Schlachthof) am Sonntagmittag nun aus allen Nähten platzen, da es auch in Madrid viele Menschen gibt, die sich keinen Maulkorb verpassen lassen werden. So hat auch die Stadtverwaltung angekündigt, alle juristischen Schritte zu unternehmen, um das Verbot - das ebenfalls auf Antrag der PP erwirkt wurde - wieder zu kippen.

Aber auch dieser Vorgang zeigt letztlich erneut, was von der Unabhängigkeit der spanischen Justiz zu halten ist. Der Richter hätte wegen Befangenheit nie darüber urteilen dürfen, denn er hat ein Manifest gegen das katalanische Selbstbestimmungsrecht unterschrieben, mit dem "das Zusammenleben unter Spaniern zerstört" werden solle.

Dass er auch schon über die Bürgermeisterin Carmena herzog, die angeblich kein "präsentables Aussehen" hätte, sagt eigentlich auch schon sehr viel. Um über Fragen zu urteilen, die in Zusammenhang von Entscheidungen der Stadtverwaltung der linken Bürgerkandidatur Ahora Madrid (Jetzt Madrid) stehen, hatte er sich ohnehin längst disqualifiziert. "Wenn ich daran denke, dass solch eine Truppe nun unsere Städte regiert", schrieb er nach dem Wahlsieg vieler linker Kandidaturen bei den Kommunalwahlen wie in Madrid und Barcelona.

Fehlte noch ein Hinweis, dass man es mit einem Richter am rechten Rand zu tun hat, sei noch angefügt, dass er auch noch kritisiert hatte, dass die Sozialdemokraten einst in einem Gesetz versuchten, die Opfer des Franco-Regimes zu rehabilitieren. Sogar das total verwässerte Gesetz zur Wiederherstellung der historischen Erinnerung war ihm noch zu viel. Die sozialdemokratische Regierung habe "in dunkler Absicht die Vorgänge und Taten wieder aufleben lassen, nicht aus Sicht eines Historikers, sondern aus Parteiinteressen, die unser Vaterland in diese schwierige Zeit gebracht hatten". So umschreibt er blumig einen Putsch durch die faschistischen Generäle gegen die gewählte Republik, Mord, Totschlag und Folter, ohne auch nur eine Spur davon Distanzierung erkennen zu lassen.

Man wundert sich darüber vielleicht nicht mehr, wenn man weiß, dass der Vater von Yusty Bastearreche Admiral während der Franco-Diktatur war. Es sagt eher viel über das heutige Spanien aus, dass solche Leute noch immer in der Justiz tätig sein können. Dort können sie auf Antrag der PP die Meinungsfreiheit aushebeln, einer Partei, die von Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich von Putsch und Diktatur nie distanziert hat. Sie zeigt bis heute mit repressiven Ticks, wie stark sie die autoritäre Regierungsform verinnerlicht hat.

Dabei könnte man sich mitten in Europa ein Beispiel nehmen, wie auf Basis des demokratischen Prinzips die Frage des Selbstbestimmungsrechts in Kanada und Großbritannien mit einem abgesprochenen Referendum gelöst wurde, wo keine Politiker verhaftet oder Zeitungen gestürmt wurden. Eine Trennung kann friedlich verlaufen. Das haben Tschechen und Slowaken vor fast genau 25 Jahren mit dem Trennungsbeschluss gezeigt. Beide Länder sind heute befreundet und EU-Mitglieder. In Spanien geht man stattdessen lieber mit Maßnahmen vor, die stärker an die Ukraine oder das ehemalige Jugoslawien erinnern, wo es bekanntlich wenig zivilisiert und blutig zuging.