Ermittler im Skripal-Fall: "Wir haben bislang keinen Fall für eine Anklage"
Der Skripal-Fall köchelt weiter vor sich hin, Neil Basu, Leiter der britischen Antiterroreinheit der Polizei, distanziert sich von Spekulationen und von politischen Interessen
Nach der Krim, dem Abschuss von MH17 und Giftgasanschlägen in Syrien war der Anschlag auf den russischen Ex-Spion Skripal und seine Tochter ein Ereignis, das den Konflikt des Nato-Westens mit Russland eskalieren ließ oder, je nach Perspektive, lassen sollte. Die Krim hat sich Russland angeschlossen oder wurde mit dem Willen ihrer Bewohner annektiert, bei den drei Gewaltereignissen, für die Russland (mit)verantwortlich gemacht wird, gibt es noch Meinungsverschiedenheiten.
Im Nato-Westen gibt man sich sicher und spricht davon, dass Russland nur Fakenews verbreitet, um die Menschen zu beeinflussen. Um das zu verstärken, hat die britische Medienaufsicht nun auch den russischen Staatssender RT der Verbreitung von Desinformation bezichtigt und wegen einseitiger Darstellung zu einer Geldstrafe verurteilt.
In Russland sieht man Intrigen gegen das Land, dabei ist in allen drei Fällen auch immer die scheinunabhängige Gruppe Bellingcat, die offensichtlich nur im Interesse der Nato und gegen Russland inoffiziell, aber wohl finanziert mit staatlichen Mitteln, ermittelt und deren Ergebnisse gerne etwa vom JIT im Fall von MH17 oder von der britischen Staatsanwaltschaft im Fall von Skripal, von vielen Medien sowieso, übernommen werden. Geschaffen wird damit vor jeder gerichtlichen Wahrheitsfindung ein Verdächtigungsraum. Politisch reicht dies aus, fraglich ist sehr, ob die bislang vorliegenden Ermittlungsergebnisse für MH17 und Skripal gerichtsfest wären.
Sind die Skripals untergetaucht oder dürfen sie nicht an die Öffentlichkeit?
Lange hat man von Ermittlungen über den Nervengift-Anschlag auf die Skripals nichts mehr gehört, nachdem zwei Russen als Verdächtige genannt wurden. Die Tatorte, vor allem das Skripal-Haus, wo das Nowitschik am Griff der Haustüre angebracht worden sein soll, sind mittlerweile bereinigt. Wo sich Skripal und seine Tochter aufhalten, ist unbekannt, auch, ob sie nicht mit Medien sprechen dürfen oder wollen, was sie auch geschützt und verdeckt machen könnten. Angeblich leben beide noch. Dass sie selbst sich nicht zu dem Anschlag äußern können/dürfen, lässt Misstrauen über den Tathergang, die Täter und das Motiv bestehen.
Vermutlich wird es zu keinem Prozess kommen, da Russland die von Bellingcat und der Staatsanwaltschaft Verdächtigen nicht ausliefern wird. Das ist auch insofern günstig, weil dann auch die Skripals nicht vor Gericht aussagen müssen. Man kann die Sache im Sande verlaufen lassen, die Schuld bleibt an Russland und letztlich, wie bei den Vereinfachern, an Putin hängen, der dämonisiert für alles verantwortlich gemacht werden kann. Dazu passt, dass im Fall von Skripal viel nicht nur über Bellingcat, sondern auch über Medien verbreitet wurde, was Regierung und Sicherheitskräfte offiziell nicht behaupten wollen, was aber das gewünschte Narrativ verstärkt.
Beweise statt Spekulationen
So verbreitet nun der Guardian, dass die britischen Geheimdienste davon ausgingen, dass Putin "wahrscheinlich" den Anschlag gebilligt habe, um dann Neil Basu, den Leiter der britischen Antiterroreinheit der Polizei, zu zitieren, nach dem die Ermittlungen weiter gingen. Die letzte Pressemitteilung über den Fall wurde im November 2018 veröffentlicht. Anklagen seien eine komplexe Angelegenheit: "Man muss beweisen, dass er (Putin) direkt beteiligt war." Man geht also davon aus, dass Putin direkt verantwortlich war, oder ist eben daran interessiert, es so erscheinen zu lassen.
Das Problem sei, so Basu, dass es eigentlich keine gerichtsfesten Beweise gibt, um einen europäischen Haftbefehl auszustellen: "Wir haben bislang keinen Fall für eine Anklage." Ob Basu damit nur die Drahtzieher meint oder auch die der Tat Verdächtigen, ist nicht so ganz klar. Für die angeblichen GRU-Agenten Alexander Petrov und Ruslan Boshirov, die sich selbst als Geschäftsleute auf touristischen Besuch von Salisbury ausgegeben haben, wurden im September 2018 europäische Haftbefehle und eine Red Notice bei Interpol ausgegeben, die Staatsanwaltschaft hat aber kein Auslieferungsgesuch an Russland gestellt, da es darüber keine Vereinbarungen gibt.
Die Staatsanwaltschaft geht trotz der Behauptungen von Bellingcat, die die Täter mit richtigen Namen identifiziert haben wollen, nur davon aus, dass die Namen Pseudonyme sind. Den dritten Verdächtigen hat die Staatsanwaltschaft nicht beschuldigt (BBC und Bellingcat wollen dritten Mann im Skripal-Fall ausgemacht haben).
"Wir sind Polizeioffiziere", sagte Basu, " daher müssen wir Beweise suchen. Es gab eine riesige Menge an Spekulationen, wer verantwortlich ist, wer die Befehle gab, alles auf dem Expertenwissen von Menschen über Russland. Ich brauche Beweise." Damit scheint sich Basu von der politischen Interessenlange zu entfernen. Der Guardian will aus seinen Äußerungen hingegen das westliche Narrativ verstärken: "Met police examine Vladimir Putin's role in Salisbury attack. Russian president is assessed as ‘likely’ to have approved of nerve agent attack on Skripals."
Konform geht er auch sonst nicht mit der konservativen Regierung und deren neoliberaler Ideologie. Er sagte, 80 Prozent der Terroristen, die das Land bedrohen, in Großbritannien geboren oder sind dort aufgewachsen. Sie könnten aufgrund des Mangels an sozialer Mobilität und Inklusion als Terroristen gewonnen werden. Polizeiarbeit würde nur die Symptome des Extremismus, aber nicht die Ursachen behandeln. Ein besserer Zugang zur Bildung und zum Gesundheitssystem und eine Verbesserung der Gleichstellung im Justizsystem würde den Terrorismus eher beenden als die Polizei und der staatliche Sicherheitsapparat zusammen.
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