"Es geht nicht nur um neue Militärbasen, sondern auch um die Militarisierung des Bewusstseins"
- "Es geht nicht nur um neue Militärbasen, sondern auch um die Militarisierung des Bewusstseins"
- "Die Nato erhält eine Legitimation durch die Übertreibung der Angst"
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Der russische Links-Aktivist Ilja Budraitskis über den Anti-Nato-Kongress in Warschau und den schweren Stand als Antimilitarist
Am Freitag und Sonnabend fanden in Warschau ein Anti-Nato-Kongress und eine Demonstration gegen die Militärallianz statt. Ulrich Heyden sprach mit einem Teilnehmer aus Moskau, Ilja Budraitskis, Aktivist der Russischen Sozialistischen Bewegung (RSD). Die Organisation hat Gruppen in mehreren russischen Städten und mobilisierte 2011 zu Demonstrationen 300 Aktivisten und Aktivistinnen.
Wie viele Menschen haben sich an der Anti-Nato-Demonstration in Warschau am Sonnabend beteiligt?
Ilja Budraitskis: Es waren wahrscheinlich 300 Menschen. Am Anti-Nato-Forum am Freitag haben sich 150 Menschen beteiligt. Dafür gibt es eine Erklärung. Die Mehrheit der Menschen in Polen hat eine ganz andere Einstellung zur Nato. Ich habe den Eindruck, dass die Meinung der überwiegenden Mehrheit in Polen und die Mehrheit des politischen Spektrums von rechts bis linksaußen - wie zum Beispiel die Zeitschrift Krytyka Polityczna - die Verstärkung der Nato in Polen unterstützen. Eine Drittel der Teilnehmer auf dem Forum und der Demonstration kamen aus den USA, Deutschland und anderen europäischen Ländern.
Wie viele Teilnehmer kamen aus Russland?
Ilja Budraitskis: Ich und ein Aktivist aus St. Petersburg.
Gab es Teilnehmer aus der Ukraine?
Ilja Budraitskis: Leider nein.
Wie reagierte die Öffentlichkeit auf die Anti-Nato-Demonstration?
Ilja Budraitskis: Zu Beginn der Demonstration waren viele Journalisten da, aus Russland, Frankreich, Deutschland, aber kein einziger polnischer Fernsehkanal.
"Ich bin gegen Militarismus in jedem Land"
Warum gelang es nicht, eine Massenaktion zu machen? Was hätte man besser machen müssen?
Ilja Budraitskis: Man hätte mehr Unterstützung in der polnischen Bevölkerung bekommen müssen. Man muss den Leuten die eigene Position genau erklären, dass sie verstehen, dass Du kein Agent Putins bist, wenn Du gegen die Nato auftrittst. Die Nato nutzt Besonderheiten des Massenbewusstseins in den osteuropäischen Staaten, wo die Vorsicht vor Russland historische Wurzeln hat.
Mit welchen Thesen sind Sie auf der Konferenz aufgetreten?
Ilja Budraitskis: Meine Hauptthese war folgende: Ich komme aus Russland und bin Antimilitarist in meinem Land. Ich werde daher nicht von der Nato sprechen, sondern von unserem russischen Regime. Denn ich meine eine antimilitaristische Position ist nur folgerichtig und ehrlich, wenn sie sich gegen das Wachsen der Aggression und des Militarismus in jedem Land wendet und nicht einen Staat als "kleineres Übel" oder "schwachen militaristischen Staat" bezeichnet, den man aus taktischen Gründen unterstützen muss.
Ich habe davon gesprochen, dass die Militarisierung von Osteuropa von zwei Seiten läuft, von Seiten der Nato und von Seiten Russlands. Dabei geht es nicht nur um neue Militärbasen, sondern auch um die Militarisierung des Bewusstseins. Denkstrukturen aus dem Kalten Krieg kehren zurück. Jede politische Position muss einen politischen Block unterstützen. Wenn Du zum Beispiel gegen die Ausdehnung der Nato bist, wirst Du automatisch als Agent des Kreml bezeichnet. Du bemühst Dich, diese Assoziation zurückzuweisen. Viele Linke im Westen rechtfertigen oder verstehen das aggressive Handeln Russlands in der Ukraine.
Wie reagierte man auf der Konferenz auf Ihre Thesen?
Ilja Budraitskis: Es gab unterschiedliche Reaktionen. Auf der Konferenz waren einige Vertreter der deutschen Partei Die Linke. Ich stelle ihre ehrliche Anti-Nato-Position nicht in Frage. Aber sehr oft ist ihre Position unkritisch gegenüber der russischen Außenpolitik. Auf der Konferenz entspann sich eine Polemik mit mehreren Vertretern der deutschen Partei. Sie wollte nicht über Putin sprechen. Sie erklärten, das Problem sei nicht Putin, sondern die Nato und die deutsche Regierung.
Meiner Meinung nach zeichnet sich eine internationalistische Position dadurch aus, dass man jedes Problem als sein eigenes auffasst. Ich kann als Sozialist in Russland sagen, die Ausweitung der Nato ist mein Problem. Genauso können die westlichen Linken sagen, dass die aggressive Politik Russlands in der Ukraine und die repressive Politik Russlands gegenüber seinen Bürgern ihr Problem ist.
Wie sieht die militärische Einmischung Russlands in der Ukraine aus?
Ilja Budraitskis: Es ist eine Tatsache, dass Russland militärisch aktiv in den Konflikt in der Ost-Ukraine eingreift.
Was meine Sie mit Repression in Russland?
Ilja Budraitskis: Ich meine das Gesetz, welches vor einigen Tagen vom russischen Präsidenten unterschrieben wurde, das sogenannte Jarowa-Gesetz. Dabei geht es um stärkere Strafen gegen Extremismus. Die Handy-Netzwerkbetreiber sollen Informationen über alle Telefongespräche und SMS-Nachrichten speichern.