Es steht ein Haus in Albanien …
Human Rights Watch fordert die Untersuchung von Entführungsfällen. Die Menschenrechtsorganisation sieht den Verdacht erhärtet, dass die UCK Handel mit Organen von Verschleppten betrieb.
Fred Abrahams, der Senior Researcher in der Abteilung für Krisengebiete bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hält Anschuldigungen für glaubhaft, die im Zuge der Vorveröffentlichung des Buches "Die Jagd: Ich und die Kriegsverbrecher" von Carla Del Ponte bekannt wurden.
Die frühere Chefanklägerin des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien schildert darin, dass das Tribunal im Jahre 2003 Informationen darüber erhielt, dass nach dem Einmarsch der NATO 100 bis 300 Menschen aus dem Kosovo nach Albanien verschleppt wurden. Die jüngeren und gesünderen Opfer seien aussortiert und in die Nähe der albanischen Kleinstadt Burrel gebracht worden. Dort seien ihnen Organe entnommen worden, die anschließend ins Ausland geflogen wurden. Laut Del Ponte wurden die Ermittler in einem „gelben Haus“ fündig: Mittels eines chemischen Sprays konnten an den Wänden und am Boden gewaltige Blutflecke als Beweismittel sichergestellt werden. Zusätzlich habe man in der Nähe des Hauses Gerätschaften und Utensilien gefunden, die für Operationen gebraucht werden, u.a. Spritzen, Verbandsmull, Infusionsbeutel und Ampullen für Muskelentspannungsmittel.
Eine Sprecherin des Strafgerichtshofes erklärte jedoch Mitte April, dass die Untersuchungen „die Anschuldigungen nicht bestätigen konnten und der Zuständigkeitsbereich [des Strafgerichtshofs] keine Grundlage für weitere Ermittlungen bietet“. – Tatsächlich besitzt der Strafgerichtshof nur ein Mandat für Verbrechen die während des Kosovo-Krieges begangen wurden und genau hier liegt die Crux der hiesigen Ermittlungen: Es besteht die Gefahr, dass die Verfolgung der Verbrechen im juristischen Niemandsland endet, weil die einen dafür nicht zuständig sind und die anderen kein Interesse an deren Aufklärung haben. Hierzu Abrahams:
„Das Erbringen stichhaltiger Beweise zum Einleiten einer Strafverfolgung und das Erbringen von Beweisen, durch die sich Behauptungen untermauern lassen, sind zweierlei Dinge, und die in der Nähe von Burrel gefundenen Beweise verleihen den Anschuldigungen definitiv mehr Gewicht“.
Human Rights Watch liegen Einzelaussagen verschiedener ehemaliger Mitglieder der kosovarischen Terrorgruppe vor, welche die Entführungpraxis der UCK beglaubigen. Außerdem haben zwei Personen, die während der Untersuchungen im mittelalbanischen Burrel anwesend waren, die Angaben Del Pontes bestätigt. Bereits Anfang April hatte sich Human Rights Watch mit einem Schreiben an die Ministerpräsidenten des Kosovo und Albaniens, Hashim Thaci und Sali Berisha, gewandt und eine seriöse Untersuchung verlangt, worauf die Beschuldigungen offiziell als “unbegründet“ und “beleidigend“ verworfen wurden. Im Kosovo werden nach Angaben des Roten Kreuzes insgesamt noch 1.613 Menschen vermisst, 350 davon wurden bereits als tot gemeldet. Die Mehrheit der Entführungsopfer von Burrel sind laut Angaben von Human Right Watch Serben, aber auch Frauen aus dem Albanien, Russland und anderen Ländern seien verschleppt worden.
Die brisanten Informationen der Del Ponte-Publikation sickerten an dem Tag durch, an dem der berüchtigte UCK-Ex-Kommandant und ehemalige Regierungschef des Kosovo, Ramush Haradinaj vor dem Gerichtshof in Den Haag freigesprochen wurde. Dem kosovarischen Clanchef wurden zwar Verbrechen „von pathologischer Grausamkeit“ (FAZ) zur Last gelegt (weswegen die Staatsanwaltschaft auch 25 Jahre Haft forderte) – trotzdem erreichte er einen Freispruch aus Mangel an Beweisen. Neun von zehn potentiellen Belastungszeugen waren nämlich umgebracht worden - der letzte lebende Zeuge, der selbst knapp einem Attentat entgangen war, zog seine Aussage zurück. So wurde in der Urteilsbegründung auch die massive Zeugeneinschüchterung moniert. Im Kosovo gibt es bis jetzt keinen funktionierenden Zeugenschutz - ein "Mangel" den mancher Politiker dort durchaus als Gewinn empfinden dürfte.