Essen und Ideologie: Nachhaltigkeit als Terror

Seite 2: Selbstgefällige, abgehobene neue Mittelklasse-Materialisten

Hausners Film hat viele Facetten. Die Regisseurin mokiert sich einerseits über den sektenhaften Charakter des modischen Ernährungregimes, über das gläubige Verhältnis, das die adoleszenten Schüler zu ihrer manipulativen, von sich selbst eingenommenen Lehrerin entwickeln, obwohl sie dies in gewisser Weise bemerken und darüber sprechen, Miss Novak habe sie fast "verhext".

Der Film thematisiert aber auch ganz grundsätzlich fehlgeleiteten Idealismus und die Arroganz von Überzeugungstätern und Weltrettern, die Andersdenkenden mit Cancel-Culture und rigider Sozialkontrolle begegnen.

Club Zero
Bild: © Coproduction Office

Es geht dabei um Glauben und neue profane Religionen unserer Gegenwart, wie um verdrängte Ängste, es geht um einen Klassenstandpunkt – "Wir sind die Elite, die Führungsschicht der Gesellschaft" –, und das Bedürfnis nach Sicherheit voraussetzt, ein Ende der Geduld mit der Langsamkeit "gewöhnlicher Menschen" und eine latente Verachtung für Toleranz, Freiheit der Andersdenkenden und demokratische Mechanismen. Von Wissenschaftlichkeit und "Wahrheit" gar nicht zu reden.

Die Regisseurin legt nahe, hier sowohl an "Fridays for Future"-Gymnasiasten wie an gutbürgerliche Kritiker der Gegner von Corona-Maßnahmen zu denken. Denn "Club Zero" ist vor allem eine Satire über das bourgoise "gute Leben", über die wohldesignten, pastellfarbenen, ökologisch korrekten und – jedenfalls aus Sicht der Filmemacherin Jessica Hausner – vollkommen leere Existenzen in den Wohlstandsgesellschaften der Gegenwart.

Weiche Neue Männer und harte Neue Frauen

Sie macht sich dabei auch über die weichen "Neuen Männer" lustig, die plötzlich anfangen, mit Küchenschürzen herumzulaufen und den Haushalt zu übernehmen. Und über ihre harten "Neuen Frauen", die plötzlich überall CEOs sind.

Daran zeigt sich: Es ist eine überspitzte Gesellschafts-Satire; kein uneingeschränkt realistisches Bild unserer Gegenwart, sondern eher eine sarkastisch-parodistische Hochrechnung auf die Zukunft.

Und es ist eine Kritik an allen in sich selbst suhlenden, selbstgefälligen, abgehobenen neue Mittelklasse-Materialisten, die sich für die besten und moralischsten Menschen der Welt halten und in näselndem Ton in diesem Film Sätze formulieren wie:

"Ich finde es sooo wichtig, unseren Kindern beizubringen, ihr Konsumverhalten zu reduzieren. Es ist nicht leicht, das Richtige zu tun."

Schweineschnitzel gegen Gurkensuppe

Zugleich enthält der Film eine beruhigende Nachricht für all jene Eltern, die gerade unter dem Nahrungsfundamentalismus ihrer Kinder leiden: Diese Kinder werden spätestens dann aufhören, Veganismus toll zu finden und werden auch nicht auf dem Biohof erzeugte Schweineschnitzel und Currywurst schätzen lernen, wenn ihre Eltern erst mal anfangen, nur noch Gurkensuppen, Grünkernreis und Tofu-Schnitzel zu servieren.

"Club Zero" zeichnet sich durch besondere formale Konsequenz aus und durch einen scharfen Blick auf die inneren Widersprüche moderner Gesellschaften.

Gelegentlich leidet "Club Zero" allerdings selbst genau an dem, was er kritisiert: Unter dem Hang zur Reduktion, zum Verzicht, zum Kontrollieren – in diesem Fall im Ästhetischen. Etwas grundsätzlich Zurückgenommenes durchzieht diesen Film.