Expedition zum Mount Everest: Zwei Mann sicher zum Gipfel bringen
Seite 2: Gandhi, Morris, Suez – das Ende des British Empires
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Generell lässt sich Morris eher von seinen Überzeugungen leiten als von der Loyalität zu einer bestimmten Autorität.
Obwohl er wie Gandhi im Einflussbereich des Commonwealth aufwächst und sozialisiert wird, teilt er mit ihm eine Verabscheuung der gewalttätigen Grundeinstellungen der Briten. In seiner Wahlheimat Wales wird er über die Jahre zum walisischen Nationalisten.
Dennoch krönt Morris seine Schriftstellerkarriere später mit einer großen Trilogie namens "Pax Britannica".
Eine Buchreihe, in der Morris dem britischen Weltreich eine ähnliche Weltpolizistenrolle zuschreibt, wie man sie heute den USA zuerkennt. Der Titel von Band 1: "Die Krönung des Imperiums." Das erste Buch veröffentlicht Morris als Mann, die beiden anderen Bände als Frau.
1956 landet Morris einen weiteren Scoop. Als Großbritannien und Frankreich in einer verdeckten Aktion Israel helfen, wegen der Beschlagnahme des Suezkanals durch die Regierung in Kairo in Ägypten einzumarschieren, reist Morris vor Ort und wird Zeuge der Aktivitäten seiner Landsleute. Seit seiner Tätigkeit für den britischen Geheimdienst in Palästina kennt sich Morris im Mittleren Osten aus.
Um eine Nachricht an seinen neuen Arbeitgeber, den Guardian, verschicken zu können (Israel behindert den Versand von Pressemeldungen), fliegt Morris nach Zypern.
Von der Times hat er sich da schon getrennt, weil die Zeitung in ebendiesem Suez-Krieg eine andere Meinung als Morris vertritt. In Zypern befragt Morris französische Soldaten und erfährt freimütig von deren Beteiligung am Krieg gegen Ägypten.
Die Nachricht des Guardian sorgt indirekt für den Rücktritt des britischen Premierministers Anthony Eden. Auch auf Druck der USA muss Großbritannien seine Kriegsteilnahme einstellen und verliert spätestens in jenem Moment Ansehen und Einfluss im Mittleren Osten.
Wenn der Krönungstag vom 02. Juni 1953 für Britannien ein Wumms war, landet Morris mit dem Suez-Scoop einen Doppel-Wumms.
Vom Mann zur Frau
Auch privat wird es bei James Morris nicht langweilig. Seitdem er als drei- oder vierjähriger Junge am Klavier seiner Mutter saß (seine Mutter hatte eine Ausbildung als Konzertpianistin am Leipziger Konservatorium absolviert), hat der kleine James das Gefühl, im falschen Körper zu leben.
Nach zuvor jahrelanger Hormonbehandlung reist er 1972 nach Casablanca, um sich dort im Alter von 46 Jahren einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen. Vor der Operation löst Morris noch Times-Kreuzworträtsel und verabschiedet sich – in den Spiegel schauend – von seinem männlichen Leben. Aus James wird Jan.
Fünf Jahre lang wird sie sich von ihrer Frau Elizabeth trennen, um erst einmal alleine als Frau zu leben. Jan Morris schreibt extensiv über diese Erfahrung, zu einer Zeit, als ansonsten noch nicht über Sexualität publiziert wird.
Zusammen mit Elizabeth hat Jan fünf Kinder. Elizabeth und Jan bleiben ein Paar, bis zu Jans Tod vor drei Jahren. Jan Morris war das letzte überlebende Mitglied der britischen Everest-Expedition von 1953.
Jan schrieb viel von sich selbst. Ein Buch handelt von ihrem Haus in Wales. So lernen meine Frau und ich vor elf Jahren Jan und Elizabeth kennen, in ihrem Haus in Wales. Ein wahres Schriftstellerhaus mit Tausenden von Büchern. Wir überlegen, schriftstellerisch zusammenzuarbeiten. Ebenso wie Jan bereisten wir die Welt. Jan schrieb keine Reiseliteratur, sondern – wie sie immer sagte – über Orte: Venedig, Spanien, Hongkong, Sydney.
Ihr Werk umfasst über 10 Millionen Wörter, 58 Bücher und eine beachtliche Menge journalistischer Werke. Doch auf den Everest-Scoop war Jan immer besonders stolz.
Die Briten gaben dem Everest seinen westlichen Namen. George Everest stammte aus Wales. Die Expeditionsteilnehmer von 1953 trafen sich viele Jahre lang unweit von Jans walisischem Heimatort – im kleinen Berghotel Pen-y-Gwry.
Hier in den Bergen Snowdonias hatte das Team von John Hunt während der Vorbereitungszeit auf die Expedition gewohnt. Da es auch noch heute ein kleines uriges Berghotel ist, kamen die Expeditionsteilnehmer immer wieder zurück. Der jetzige Besitzer öffnet das Hotel nur für Übernachtungsgäste.
Doch wer es hierhin schafft, den erwartet ein einzigartiges Museum: In der Bar baumeln alte Expeditionsstiefel von der Decke, überall hängen Originalfotos vom Abenteuer Everest und hinter einer Glasscheibe findet man Ausrüstungsgegenstände wie die gelben Sauerstoffflaschen. In der Bar haben sich Hillary, Tenzing & Co. mit Unterschriften verewigt. Ein Ort, der eine der letzten großen Geschichten eines bröckelnden britischen Weltreichs erzählt.