Experte zu Ukraine-Krieg: Drei Szenarien für das Kriegsende
Der Ukraine-Krieg könnte bald enden - oder sehr lange weitergehen. Sicherheitsexperte August Pradetto skizziert drei mögliche Wege. Doch einer wäre für Europa fatal.
Es sind bewegte Zeiten. Vor allem der bevorstehende Machtwechsel in den USA, aber auch das Ende der deutschen Ampelkoalition sorgen für Unruhe, werfen viele Fragen auf. Darunter auch die, was das für den Krieg in der Ukraine und die Sicherheit in Europa bedeutet.
Dietmar Ringel hat darüber mit dem Politikwissenschaftler und emeritierten Professor an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, August Pradetto, gesprochen.
▶ Einer der markigsten Sprüche von Donald Trump im Wahlkampf war, er könne binnen 24 Stunden den Krieg in der Ukraine beenden. Trauen Sie ihm das zu?
August Pradetto: Unter zwei Bedingungen. Die Erste: Donald Trump ruft am 21. Januar nach seiner Amtseinführung den ukrainischen Präsidenten Selenskyj an und sagt ihm: Wir haben mehr als 100 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, um den Krieg zu wenden. Das hat sich als aussichtslos erwiesen. Ich bin nicht bereit, mehr Steuergeld der Vereinigten Staaten zu vergeuden. Ihr macht jetzt mit Putin einen Waffenstillstand, sonst ist das Ende der Hilfe erreicht.
Wenn Selenskyj dem zustimmt, dann ist die erste Bedingung erfüllt. Selenskyj würde nichts anderes übrig bleiben, als Zugeständnisse zu machen.
Die zweite Bedingung ist, Donald Trump ruft Putin an und schlägt ihm vor, einen Deal zu machen: Du stimmst einem Waffenstillstand zu. Wir frieren den Konflikt an der aktuellen Frontlinie ein. Die Ukraine kommt nicht in die Nato. Alle anderen Fragen, einschließlich der territorialen, werden anschließend in Verhandlungen besprochen. Wenn Putin darauf eingeht, ist der Krieg in der Tat zu Ende.
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▶ Wäre das aus Ihrer Sicht begrüßenswert?
August Pradetto: Ja, denn es gibt ein zweites Szenario. Putin sieht sich im Vorteil, weil er momentan militärisch besser dasteht als die ukrainische Seite. Er geht nicht auf Trumps Deal ein, was Trump möglicherweise zu einer Kehrtwendung veranlasst: Gut, dann bekommt die Ukraine doch, was sie benötigt, um gegen Euch zu kämpfen, bis Ihr bereit seid, auf diesen Deal einzugehen.
Das würde zu einer weiteren Eskalation mit unsicherem Ausgang führen. Die Ukraine müsste weiterkämpfen, und zwar unter den extrem schwierigen Bedingungen, wie sie sich gegenwärtig darstellen.
▶ Nun ist jetzt schon zu beobachten, dass mit Blick auf die Ukraine einiges in Bewegung kommt. Zum einen werden Stimmen lauter, die mehr Diplomatie hin zu einem Waffenstillstand fordern. Gleichzeitig stellt der scheidende US-Präsident Biden der Ukraine Waffen neuer Qualität wie Raketen größerer Reichweite und Landminen zur Verfügung. Wie bewerten Sie das?
August Pradetto: Wir wissen bisher nicht genau, welche Einschränkungen mit der Erlaubnis verbunden sind, Raketen größerer Reichweite auf russischem Gebiet einzusetzen. Zumindest auf die Region Kursk scheinen sie bereits abgefeuert worden zu sein. Das entspricht der Eskalations-Logik des bisherigen Kriegsverlaufs.
Die russische Armee versucht, mit Bomben auf Infrastruktur das ukrainische Militär und die Bevölkerung zu zermürben. Dann holt die Führung in Moskau auch noch nordkoreanische Soldaten zur Verstärkung ins Land. Und der Westen reagiert darauf mit weiterreichenden Raketen und der Ausweitung ihres Zielgebiets in Russland. So läuft es im Grunde seit zwei Jahren, während sich der Frontverlauf praktisch nicht verändert.
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▶ Heißt das, die Freigabe neuer Waffenkategorien durch die USA bringt für den Kriegsverlauf keine grundsätzlichen Veränderungen?
August Pradetto: Wir haben diese graduelle Eskalation von beiden Seiten seit zwei Jahren. Jede Seite findet eine Antwort auf den veränderten Mitteleinsatz der anderen Seite. Gleichzeitig versucht der Westen, die Maßnahmen gegen die russische Aggression so zu dosieren, dass er selbst nicht zu weit in den Konflikt involviert und eine direkte Konfrontation mit Russland vermieden wird.
Die vorübergehende Schließung der US-Botschaft in Kiew und Einschränkungen bei anderen westlichen Botschaften spiegeln dies. Wenn die Meldungen stimmen, wonach eine militärische Zentrale im russischen Kursk durch die neuen, weitreichenden Waffen aus dem Westen getroffen und zerstört wurden, könnte ein massiver russischer Schlag auf Kiew die Antwort darauf sein.
Es ergibt sich also keine grundsätzliche Veränderung in der Kriegssituation, was die Möglichkeit anbelangt, die militärische Frontlinie zu verändern. Aber es besteht das Risiko, dass der Konflikt an einen Punkt gelangt, an dem das graduelle Hochschaukeln umschlägt und sich eine oder beide Seiten veranlasst sieht, über den bisherigen Mitteleinsatz grundsätzlich hinauszugehen, z.B. wenn etwas mit dem Kernkraftwerk Saporischschja passiert oder wenn Moskau die Kontrolle über die Krim nicht mehr gewährleistet sieht. Oder wenn in Moskau Raketen einschlagen.
▶ Noch vor der mutmaßlichen Freigabe der neuen Waffen durch die Amerikaner hat Bundeskanzler Scholz mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat ihn dafür kritisiert. Und auch in Deutschland wird Scholz vorgeworfen, das sei Verrat an der Ukraine. Wie sehen Sie es?
August Pradetto: Der Bundeskanzler ist in einer schwierigen Lage, sowohl außen- als auch innenpolitisch. Die Lage im Ukrainekrieg ist verfahren. Es gibt keine, jedenfalls keine sichtbaren, Initiativen von Seiten der USA oder der EU, zu Verhandlungen zu kommen.
Aber jetzt kommt der Winter, und es ist gut möglich, dass sich die Lage in der Ukraine so verschlechtert, dass eine neue Fluchtwelle anfängt. Also muss was getan werden. In dieser Situation versucht der Bundeskanzler offenbar, Bewegung hineinzubringen.
Er betont ja schon seit einigen Wochen, dass auch die Diplomatie eine stärkere Rolle zur Beendigung des Krieges spielen soll. Das ist die eine Seite. Gleichzeitig ist er innenpolitisch unter Druck. Er ist nur noch ein Bundeskanzler auf Zeit, und gleichzeitig ist er Wahlkämpfer für die Bundestagswahl am 23. Februar.
Und eines der Themen, die der SPD bleiben, um bis dahin Stimmen zu gewinnen, ist das Thema Besonnenheit bei Waffenlieferungen bzw. keine Lieferung von Waffen, die den Konflikt noch zusätzlich anheizen könnten und möglicherweise negative Folgen für die deutsche Sicherheit haben.
Das ist das Argument von Scholz angesichts der Tatsache, dass Deutschland ohnehin der zweitgrößte Lieferant von Waffen für die Ukraine ist. Damit und mit dem Thema Diplomatie kann er sich von den Grünen, der FDP wie auch der CDU/CSU absetzen.
Auch dies ist ein Motiv bei Putin anzurufen und solcherart diplomatische Initiative zu zeigen. Die Frage ist allerdings, ob der dafür der richtige Adressat ist.
▶ Donald Trump hat ja nicht nur mit Blick auf die Ukraine einen Kurswechsel auch in der Außenpolitik angekündigt. Wird er nach seinem Amtsantritt im Januar schnell den Schalter umlegen?
August Pradetto: Ich glaube, der Druck auf Europa und auch Deutschland wird sehr schnell wachsen. Man konnte in den vergangenen Wochen den Eindruck gewinnen, zum Beispiel bei der Aufstellung des neuen Kabinetts, dass Trump tatsächlich umsetzt, was er im Wahlkampf angekündigt hat.
Vielleicht nicht eins zu eins, aber er nimmt doch sehr schnell die Dinge in Angriff. Das bedeutet für Europa und Deutschland etwa die Erhöhung der Verteidigungshaushalte.
Trump wird sagen, wenn Ihr nicht mehr Rüstungsgüter herstellt bzw. in den USA kauft, dann werde ich den Artikel 5 des NATO-Vertrags, also das Beistandsgebot, infrage stellen. Er fordert mit Sicherheit Loyalität in Bezug auf seine Außenpolitik gegenüber China und Iran.
Es wird neue Zölle, also auch ökonomische Konsequenzen geben. All das hat die Diskussion darüber angeheizt, ob Europa nicht autonomer werden müsse.
▶ Nun wird das Thema "mehr Verantwortung" vor allem auf Ausgaben für das Militär, Waffenlieferungen und Wehrtüchtigkeit fokussiert. Aber lässt sich "mehr Verantwortung" darauf beschränken?
August Pradetto: Nein. Europa und Deutschland hätten bereits seit dem Ende des Kalten Krieges mehr Verantwortung übernehmen müssen. Und zwar in dem Sinne, dass man die europäischen Interessen definiert und eine europäische Sicherheitsordnung aufbaut, die alle europäischen Staaten einschließt und neue Bedrohungsszenarien vermeidet.
Die Nato-Osterweiterung ist nicht flankiert worden von einer gesamteuropäischen Struktur. Man hätte sich unabhängiger von den USA machen müssen.
Man sieht jetzt mit Blick auf die Ukraine und in anderen weltpolitischen Fragen, in welch hohem Maße man von den USA abhängig ist. Was nicht die Vereinigten Staaten zu verantworten haben.
In Europa gibt es vor allem in den östlichen Nato-Staaten und in Großbritannien eine starke Lobby für eine unbedingte Loyalität zu den USA und die Auffassung, man könne nur mit den USA die eigene Sicherheit gewährleisten. Deutschland hat im Zweifel ebenfalls immer diese Art Transatlantizismus verfolgt. Französische Initiativen in diese Richtung wurden ignoriert.
Deswegen ist nie eine gemeinsame eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik zustande gekommen. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde.
▶ Lassen Sie uns noch mal auf den Krieg in der Ukraine schauen. Wie ist Ihre Prognose – wird er im nächsten Jahr zu Ende gehen?
August Pradetto: Ich habe vorhin zwei Szenarien benannt, wonach sich Selenskyj und Putin entweder auf ein Einfrieren des Konflikts einigen und der Krieg relativ schnell beendet wird. Oder dass der Krieg weitergeht, weil sich Putin gegenwärtig militärisch im Vorteil fühlt.
Es gibt aber noch ein drittes Szenario, nämlich, dass Trump den Europäern sagt: Putin will keinen Frieden, Selenskyj ist auch nicht ausreichend zu Zugeständnissen bereit, das ist nicht mein Business, was in Europa abläuft. Ihr könnt bei uns die Waffen kaufen und den Konflikt weiterführen, solange ihr wollt. Dann wird es sehr prekär und sehr teuer für die Europäer.
Und sie werden sich über das Ausmaß der Hilfe für die Ukraine noch mehr zerstreiten, als das ohnehin der Fall ist. Wie es aussieht, sind die Europäer in einer solchen Krisensituation hilflos ohne die Führungsmacht USA.
Ein solches Szenario wäre das schlechteste, denn es würde bedeuten, dass Putin ermutigt wird, seine territorialen Ziele in der Ukraine weiterzuverfolgen, bis er einen Regime-Change in Kiew erreicht hat.
Welche Variante tatsächlich eintritt, wie schnell der Krieg endet oder wie lange er noch dauert, hängt von den Akteuren ab und davon, wie sie die Situation einschätzen. Es gibt für alle Seiten gute Gründe, jetzt zu sagen, wir beenden diesen Krieg. Aber die gab es auch schon in den Jahren 2022 und 2023.
Allerdings haben die Verluste bei den Truppen auf beiden Seiten jetzt ein Ausmaß erreicht, das den Ausschlag für eine Kursänderung geben könnte.
▶ Es gibt ja eine Reihe von Vorschlägen für eine Friedensregelung. Zum Beispiel Selenskyjs "Sieges-Plan", der auf die weitere Unterstützung der Ukraine durch den Westen und den Beitritt zur NATO setzt. Oder Putins Ansage, wonach die entstandenen Realitäten anerkannt werden müssten, also die besetzten ukrainischen Gebiete jetzt zu Russland gehörten. Es gibt aber auch einen Vorschlag Chinas und Brasiliens, der z.B. von der Schweiz unterstützt wird. Sehen Sie dabei etwas, an das sich realistischerweise anknüpfen lässt?
August Pradetto: Als ich vorhin gesagt habe, dass Putin vielleicht der falsche Adressat für Scholz ist, habe ich genau das gemeint, was Sie eben mit der Initiative von China und Brasilien angesprochen haben und was ja von einer ganzen Reihe von Ländern unterstützt wird.
Ich denke, Putin ist in keiner Weise bereit, wegen eines Anrufs von Scholz oder von wem auch immer in Deutschland seine Aggression einzustellen. Nicht Deutschland ist der entscheidende Faktor für eine diplomatische Regelung von westlicher Seite, sondern letztlich die USA.
Das ist das eine. Das Zweite: Außenpolitischer Druck durch BRICS-Staaten wie Indien, Brasilien, Südafrika, China, Indonesien und neutrale Staaten wie der Schweiz würde ein anderes Setting für Putin darstellen.
Das sind Länder, von denen er gerade nach dem Bruch mit dem Westen in ganz anderer Weise abhängig ist und deren Ansatz es gleichzeitig ist, den Konflikt einzufrieren und nicht den Rückzug russischer Truppen von ukrainischem Gebiet zur Vorbedingung für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu machen.
Die Ukraine bewegt sich ja auch. Die Signale sind widersprüchlich, aber Selenskyj hat verlauten lassen, dass es übergangsweise territoriale Zugeständnisse an Russland gibt und man über einen Waffenstillstand diskutieren könne.
Ansprechpartner für die deutsche Regierung, um zu einem solchen Prozess beizutragen, sind also die genannten BRICS-Staaten, Washington und natürlich auch der Rat der Außenminister der Europäischen Union, um möglichst viele Akteure einzubinden und möglichst starken Druck auf Putin aufzubauen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.
▶ Deutschland galt ja lange als Brückenbauer zwischen Russland und dem Westen, hat politisch, vor allem aber auch wirtschaftlich von guten Beziehungen zu Russland profitiert. Ist von dieser Sonderrolle noch etwas übriggeblieben, an das man anknüpfen könnte, wenn es um diplomatische Anstrengungen für eine Friedensregelung geht?
August Pradetto: Ich glaube, Deutschland und die Europäische Union sind gegenwärtig weitgehend aus dem Spiel. Sie haben die Ukraine notwendigerweise gegen die russische Aggression unterstützt, mit Waffenlieferungen und vielen Hilfsgütern. Was den Waffenstillstand und die Diplomatie anbelangt, sind jetzt aber in einem stärkeren Maße andere am Zug.
Zumal sich die Europäer über den einzuschlagenden Weg in keiner Weise einig sind. Deutschland und die Europäische Union werden dann wieder eine wesentliche Rolle spielen, wenn es um die Ausgestaltung einer vereinbarten Friedensregelung und den Wiederaufbau der Ukraine geht.
Das ist keine angenehme Position, denn es bedeutet einen hohen finanziellen Einsatz. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten unter Trump große Leistungen beim Wiederaufbau erbringen werden, sofern sie nicht eindeutig auch der US-Wirtschaft Vorteile bringen.
Das Ausmaß der angerichteten Zerstörungen ist bei weitem nicht allein mit Krediten oder Privatinvestitionen zu bewältigen. Umso notwendiger wäre es von Seiten Deutschlands und der europäischen Länder, möglichst viele Akteure, nicht nur internationale Finanzinstitutionen, sondern auch Staaten wie China und andere zu mobilisieren, die über entsprechende Mittel verfügen, um in den Wiederaufbau der Ukraine zu investieren.
Die Frage ist freilich, ob die Europäer diesbezüglich über ihren geopolitischen Schatten und den der USA springen können, wenn es um China geht.
Aber zunächst muss ein Waffenstillstand militärisch und sicherheitspolitisch abgesichert werden. Das heißt, es werden Kräfte gebraucht, um eine einzurichtende Pufferzone zu sichern.
Auch hier wären externe Kräfte, d.h. nicht nur Nato und EU, sehr hilfreich, um die Lage zu beruhigen und zu stabilisieren. Nicht zuletzt die Vereinten Nationen sollten eine herausgehobene Rolle spielen, um über den Sicherheitsrat und die Weltgemeinschaft die Legitimität einer Regelung zu untermauern. Das ist auch eine Rolle, in der ich Deutschland und die Europäische Union im weiteren Verlauf sehe.
Was das Verhältnis zu Russland betrifft, könnte Deutschland sicher nur zusammen mit den Partnern in der EU ein pragmatisches und vielleicht auch produktiveres Verhältnis zu Russland gewinnen, wenn es um so etwas wie eine Neuauflage der KSZE zur Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle in Mitteleuropa und im gesamteuropäischen Kontext und um die Wiederaufnahme ökonomischer Beziehungen geht, auch wenn das jetzt noch utopisch erscheint.
▶ Sie haben es vorhin schon angesprochen: Für die SPD spielt eine Friedensregelung für die Ukraine möglicherweise eine wichtige Rolle im bevorstehenden Wahlkampf. Wie wichtig wird die Außen- und Sicherheitspolitik Ihrer Ansicht nach insgesamt bei dieser Wahl und für die Wahlentscheidung der Menschen?
August Pradetto: Ich glaube, im Unterschied zu früheren Wahlen wird die Außenpolitik diesmal eine viel stärkere Rolle spielen und die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland bald auch deutlich mehr beeinflussen.
Es herrscht mittlerweile Unsicherheit und auch Angst vor einem Krieg in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die Berichte über Kriegsvorbereitungen verunsichern immer mehr Menschen.
Die täglichen Meldungen über den Krieg nur ein paar hundert Kilometer von Deutschland entfernt zermürben. Wenn in der Ukraine westliche Botschaften geschlossen werden, lässt dies die Befürchtungen noch weiter wachsen.
Tatsächlich hat ja der Krieg auch erhebliche ökonomische Folgen für Deutschland. Dies alles wird, wenn der Krieg nicht in Kürze zu einem Ende kommt, auch über die Wahlen hinaus die innenpolitische Debatte in Deutschland stärker bestimmen, verbunden mit einer zunehmenden innenpolitischen und gesellschaftlichen Polarisierung. Das macht Deutschland innenpolitisch nicht stabiler und außenpolitisch nicht handlungsfähiger.