Kriegswaffen aus der Ukraine: Europas nächster Albtraum?
Ukraine-Krieg bedroht auch die EU. Geheimdienste warnen vor Waffenschmuggel. Das bestätigen interne Protokolle – und nun auch ein prominenter Geheimdienstler.
Der Chef des tschechischen Geheimdienstes, Michal Koudelka, hat davor gewarnt, dass nach dem Ende des Ukraine-Krieges Waffen aus dem Konfliktgebiet nach Europa geschmuggelt werden könnten. Die Sicherheitsbehörden in Europa bereiten sich laut Koudelka bereits jetzt darauf vor, dieser Bedrohung entgegenzutreten.
Ungeachtet des anstehenden Machtwechsels in Washington erwartet der tschechische Geheimdienstchef, dass die Sicherheitskooperation mit den USA weiterhin gut funktionieren wird. Unter Ex-Präsident Trump wie unter Präsident Biden habe die Zusammenarbeit hervorragend geklappt und werde dies auch in Trumps zweiter Amtszeit tun, so Koudelka gegenüber der US-Nachrichtenagentur Bloomberg:
Die Geheimdienste in ganz Europa bereiten sich auch auf wahrscheinliche Bedrohungen nach Kriegsende vor, wie z. B. einen Zustrom ukrainischer Veteranen und den Schmuggel von Waffen, die in die falschen Hände geraten könnten.
Der 59-jährige, seit jeher im Bereich Terrorismusbekämpfung und Spionageabwehr tätige Beamte wies Bedenken in Europa zurück, dass die künftige Regierung des designierten Präsidenten Donald Trump die Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa im Bereich Sicherheit und Geheimdienst schwächen könnte.
Bloomberg: Top Czech Spy Warns NATO Against Pushing Bad Peace in Ukraine
Experten der Europäischen Union hatten in den vergangen Wochen in internen Beratungen bereits ein besorgniserregendes Bild der aktuellen Sicherheitslage in den Mitgliedsstaaten gezeichnet. Besonders alarmierend: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte die Terrorgefahr in Europa mittelfristig deutlich erhöhen – auch wenn die akuten Auswirkungen bisher begrenzt sind.
In den Analysen hochrangiger EU-Sicherheitsexperten für das zweite Halbjahr 2024 ist von "signifikanten mittel- und langfristigen Risiken" die Rede. Die größte Sorge bereitet den Experten der illegale Handel mit Waffen und Sprengstoffen.
Durch Schmuggel aus der Ukraine drohe eine unkontrollierte Verbreitung in der Hand von Extremisten, so die düstere Prognose. "Der Zustrom von Kleinwaffen und leichten Waffen sowie Sprengstoffen wird wahrscheinlich mittelfristig Konsequenzen haben", warnen die EU-Strategen.
Auch auf anderen Wegen könnte der Konflikt die Sicherheitslage verschärfen: Laut einer nicht öffentlichen Sicherheitseinschätzung, die unserer Redaktion vorliegt, besteht das Risiko, dass sich Terroristen unter dem Deckmantel von Flüchtlingen Zugang zur EU verschaffen.
"Die potenzielle Bedrohung durch Personen, die mit Terrorismus oder gewaltbereitem Extremismus in Verbindung stehen und irregulär in die EU einreisen, muss kontinuierlich überwacht werden", mahnen die Analysten. Auch Cyberangriffe und Sabotage kritischer Infrastruktur werden als Gefahren genannt.
Doch der Ukraine-Krieg ist längst nicht die einzige Bedrohung. "Die Bedrohung durch den Terrorismus bleibt generell hoch", so das nüchterne Fazit eines internen Gremiums. Als besonders gefährlich stufen die Experten weiterhin den islamistischen Terror ein, vor allem durch Anhänger des "Islamischen Staats" und Al-Qaidas.
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Zwar hätten beide Gruppen nur begrenzte Fähigkeiten für zentral gesteuerte Anschläge in Europa. Doch der Propagandakrieg im Internet laufe auf Hochtouren – zusätzlich befeuert durch den Nahost-Konflikt. Dieser berge ein "beträchtliches Mobilisierungs- und Radikalisierungspotenzial" und erhöhe das Risiko von Attentaten durch Einzeltäter und Kleingruppen.
Neben Dschihadisten haben die Sicherheitsstrategen auch Rechtsextreme im Visier. In einigen europäischen Ländern, vor allem im Westen und Norden, gehe von ihnen eine hohe Gefahr aus.
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Die Szene sei zwar zersplittert, professionalisiere sich aber zunehmend bei der Online-Rekrutierung junger Menschen. Auch gewaltbereite Linksextremisten werden als Bedrohung eingestuft, wenngleich regional unterschiedlich ausgeprägt. Der Nahost-Konflikt habe jedoch auch hier mobilisierend und radikalisierend gewirkt.
Um die vielfältigen Gefahren einzudämmen, empfehlen die EU-Gremien ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Entschlossenes Vorgehen gegen extremistische Online-Inhalte, besserer behördenübergreifender Austausch über Gefährder, Stärkung von Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen, engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Terrorabwehr.
Fest steht: Europas Sicherheitsbehörden müssen in Alarmbereitschaft bleiben. Denn die Terrorgefahr ist nicht gebannt - sondern droht durch Krisen wie in der Ukraine und im Nahen Osten sogar zu wachsen.
Dieser Artikel basiert auf einem Telepolis-Bericht über die Analysen hochrangiger EU-Sicherheitsexperten für das zweite Halbjahr 2024, der am 13.11.2024 erstmals erschien. Er wurde um die Stellungnahme Koudelkas aktualisiert und überarbeitet.