Experten: Ohne KI-Strategie droht Firmensterben – so retten Sie Ihren Job
KI verändert die Arbeitswelt radikal. Experten warnen: Firmen ohne KI-Strategie droht das Aus. Was bedeutet das für Arbeitnehmer? Die Antwort könnte überraschend sein.
▶ Herr Gondlach, Herr Brinkmann, es kursieren noch immer viele Mythen rund um die Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz. In ihrem Buch "KI jetzt! Wie Künstliche Intelligenz Ihren Arbeitsalltag erleichtern kann" räumen Sie mit ihnen teilweise auf. Könnten Sie unseren Lesern kurz erklären, was KI mit heutigem Stand kann und was nicht?
Mark Brinkmann: Ich befasse mich täglich mit Anwendungsfällen, wo KI eine Rolle spielt. Dabei KI zu pauschalisieren ist nicht möglich, sei es über die Anforderung oder die Technologie selbst. Überall, wo man eine gute Datengrundlage hat und diese auch kontinuierlich aktuell gehalten wird, kann die KI schon sehr weitreichend Prozesse automatisieren.
Insbesondere im produzierenden Gewerbe ist hier sehr viel möglich. So kann beispielsweise die KI bereits Maschinen steuern. Aber auch mit der generativen KI im Marketing oder in der Verwaltung ist schon wahnsinnig viel möglich, so zum Beispiel bei der Erstellung von Werbetexten, auch wenn wir hier noch am Anfang stehen.
Im Computer Vision-Umfeld ist man einen Tick weiter, sodass die Ideen auch wirtschaftlich umsetzbar sind, wobei die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung kaum überschaubar ist.
Kai Gondlach: Mir ist eine Ergänzung wichtig, unabhängig von den sehr konkreten Anwendungsfällen, die wir im Buch auch beschreiben: Gerade im Mittelstand, der unter Kostendruck und Fachkräftemangel ächzt, kann KI wahrlich ungeahnte Potenziale heben. Gleichzeitig fehlt es aber oft an den digitalen Grundsteinen, die Mark Brinkmann schon genannt hat, zudem sind in manchen Branchen oder Regionen die Investitionskassen nach diversen Wertschöpfungsschocks leer.
Generell gilt: KI wird nicht über Nacht Arbeitsplätze oder Geschäftsmodelle ersetzen, kann aber – richtig eingesetzt – den eigenen Fortbestand sichern. Allein werden das besonders KMU aber nicht stemmen können, hier braucht es innovative Unternehmensnetzwerke und die Zusammenarbeit mit den Kammern oder Verbänden.
Umgekehrt erwarte ich als Zukunftsforscher aber auch ganz klar ein Massensterben von Unternehmen, die sich nicht um KI und die angrenzenden Strategie-, Organisations- und Personalfragen kümmern.
KI als Jobkiller? So verändert sich die Arbeitswelt
▶ Ihr Buch trägt den Untertitel "Wie Künstliche Intelligenz Ihren Arbeitsalltag erleichtern kann". Geht man nach der aktuellen Prognose des IWF, könnte KI für viele erst einmal bedeuten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Sie haben sich zwölf Berufsbilder angeschaut, in denen KI zum Einsatz kommen könnte. Müssen die Beschäftigten Angst um ihren Job haben?
Kai Gondlach: Angst ist vielleicht das falsche Wort. Oft wird kein ganzer Arbeitsplatz durch KI ersetzt, sondern einzelne Tätigkeiten mehrerer Jobs. KI muss letztlich rentabel sein – und es muss ehrlich in den Organisationen darüber kommuniziert werden, wohin die Entwicklung getrieben wird.
Unser Credo ist weniger zu sagen: "Ihr werdet eure Jobs verlieren!" als "Kümmert euch darum, dass ihr und euer Personal KI-fit werdet!" Insofern kommt es hier und da natürlich kurzfristig zu Kürzungen, langfristig handelt es sich dabei um eine Transformation von A nach C, wo hinterher wenig so gewesen sein wird, wie es früher einmal war. Einige Firmen sind jedoch schon bei B, weil sie früher und ernsthafter die Digitalisierung ihrer Prozesse betrieben haben.
Mark Brinkmann: Wichtig für Berufsanfänger ist es, sich zu überlegen, inwieweit der gewählte Beruf in der Zukunft noch existieren wird. KI wird die Arbeitswelt dramatisch verändern, daher ist es jetzt wichtig, sich über KI zu informieren und gegebenenfalls frühzeitig in die Weiterbildung zu gehen.
In der ersten Phase wird insbesondere der Fachkräftemangel in einigen Berufen durch KI-Software gelöst. Sichere Berufe sind aktuell alle Handwerksberufe, da hier erst noch andere Technologien weiterentwickelt werden müssen und der Bedarf gigantisch ist.
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Weiterbildung und Umschulung: So passt sich die Berufswelt an KI an
▶ Der IWF empfiehlt den Regierungen, mehr in Weiterbildung und Umschulung zu investieren, um die Berufe an die Zukunft mit KI anzupassen. Wo müsste Ihrer Meinung nach angesetzt werden?
Kai Gondlach: Mein Rat an die Bundesregierung wäre: "Schauen Sie weniger ins Silicon Valley oder nach Shenzhen, sondern auf die Cluster, Vereine und Netzwerke, die auch in Deutschland schon sehr gut funktionieren."
Der Hintergrund ist, dass die Lücken, die das Bildungssystem und herkömmliche Fort-/Weiterbildungsinstitutionen zwangsläufig aufweisen, längst durch neue Akteure gefüllt werden, insbesondere im Umfeld der regenerativen, also ökologisch und sozial nachhaltigen Anwendung von KI.
Öffentliche Gelder fließen aber leichter zu etablierten Einrichtungen, hier wünsche ich mir mehr 360°-Sicht in die Winkel der zugegebenermaßen sehr heterogenen Landschaft – das gilt im Übrigen nicht nur für KI. Wenn ich eine Einrichtung hervorheben darf, wäre es die Programmierschule "42 Heilbronn".
Nicht alle müssen programmieren lernen, aber alle brauchen ein solides Grundwissen über KI-Potenziale, um nicht abgehängt zu werden – auf dem Arbeitsmarkt wie privat.
Vorbehalte gegen KI in Belegschaften überwinden: Tipps für den Einstieg
▶ In vielen Betrieben gibt es in den Belegschaften noch Vorbehalte gegen KI. Was empfehlen Sie den Beschäftigten für einen leichten Einstieg in die neue Technologie?
Mark Brinkmann: Das erlebe ich täglich und die Erfahrung hat gezeigt, dass der KI Engineer mit den betroffenen Personen direkt sprechen muss und nicht aus seinem Elfenbeinturm per E-Mail kommuniziert, sondern persönlich vor Ort die Software erklärt sowie Fragen beantwortet.
Wenn die Kollegen einfach die KI-Lösung hingestellt bekommen, kann es nicht funktionieren, da die KI nicht nach festen Regeln arbeitet, sondern aus der Vergangenheit und neuen Daten lernt. Die Ergebnisse können dann auch mal nicht erklärbar sein und hier muss der KI Engineer die Fähigkeit haben, den Menschen das Vertrauen zu geben, dass die KI funktioniert.
Kai Gondlach: Fehlendes Vertrauen ist eins der größten Probleme unserer Zeit und hier sehe ich auch die Regierungen bzw. öffentliche Verwaltung aller Ebenen in der Verantwortung, endlich vernünftige Mechanismen zu finden, um beispielsweise der Verbreitung von Fehlinformationen in "sozialen" Netzwerken vorzubeugen.
KI ist immer dann gefährlich, wenn "böse" Interessen sie einsetzen und leider ist aktuell, wie so oft, die Fraktion der Rechtschaffenden deutlich ins Hintertreffen geraten. Für Unternehmen gilt dasselbe wie für alle anderen Change-Prozesse auch: Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren! Leider fehlt es in der Breite noch an Grundlagenwissen über die Technologien, die wir täglich online nutzen.
Unser Buch ist ein Versuch, das zu ändern. Darin finden sich auch etliche Tipps für leicht verdauliche Anwendungsbeispiele und weiterführende Literatur.
Arbeitswelt 2050: Utopie oder Realität mit KI?
▶ Sie schildern in Ihrem Buch eine Vorstellung der Arbeitswelt im Jahr 2050. Die Arbeitszeiten sind gesunken, kaum jemand macht eine Tätigkeit, die er nicht will. Das klingt alles wie eine schöne Utopie. Heute wird KI in manchen Branchen allerdings mit höherem Leistungsdruck und Überwachung in Einklang gebracht. Wie kann Ihre Utopie erreicht werden?
Kai Gondlach: Jedenfalls nicht, wenn Beschäftigte sich darauf verlassen, dass die Arbeitgeberseite sich um menschenwürdige Arbeitsbedingungen kümmert. KI wird aktuell nur dann entwickelt, wenn sich die Investition schnell amortisiert. Es geht also kein Weg an einer vernünftigen Arbeitnehmervertretung in Gewerkschaft und Betriebsrat vorbei.
Von selbst wird die KI uns nicht "dienen", zumindest nicht allen. Insofern schreit KI förmlich nach NI – der natürlichen Intelligenz, die am Ende die Technologie prägen wird. Wer nicht abgehängt werden möchte, muss sich selbst kümmern. Und das ist ja dann auch wieder herrlich gewohnt.
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