Experten warnen: Kampf gegen Antibiotikaresistenzen muss verstärkt werden

Antibiotika-Pillen in Blisterpackung auf schwarzem Hintergrund

(Bild: Aria Armoko / Shutterstock.com )

Jährlich sterben in der EU Zehntausende an antibiotikaresistenten Erregern. Experten fordern dringend neue Anreize für die Pharmaindustrie. Doch die Zeit drängt.

Der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Experten schlagen Alarm: Die Wirksamkeit von Antibiotika ist zunehmend gefährdet.

"Wir sind dabei, die Errungenschaften der modernen Medizin wieder zu verspielen und in die Zeit vor der Entdeckung des Penicillins zurückzufallen", warnt Mathias Pletz, Präsident der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie, nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Zahlen sind alarmierend: Allein in der Europäischen Union sterben nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC jährlich rund 35.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern.

In Deutschland kommt es nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) jährlich zu geschätzten 400.000 bis 600.000 Krankenhausinfektionen, von denen etwa 10.000 bis 20.000 tödlich verlaufen. An multiresistenten Keimen sterben dabei rund 2.400 Menschen.

Entwicklung neuer Antibiotika stockt

Seit 2017 wurden nur zwölf neue Antibiotika zugelassen, erklärt Mark Brönstrup vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung der dpa. Zehn davon gehören zu Klassen, gegen die sich bereits Resistenzmechanismen gebildet haben. "Der Patient hat eigentlich nichts davon", so Brönstrup.

Das Problem: Für Pharmaunternehmen rechnet sich die Entwicklung neuer Antibiotika oft nicht. Harald Zimmer, Sprecher des Deutschen Netzwerks gegen Antimikrobielle Resistenzen, erklärt: "Antibiotika sind wegen der Resistenzbildung zu früh unwirksam, weswegen die Unternehmen die Entwicklungskosten meist nicht wieder reinbekommen."

Experten fordern neue Anreize für die Industrie

Um diesem Trend entgegenzuwirken, schlagen Experten verschiedene Maßnahmen vor:

  1. Längere Marktexklusivität: Die EU-Kommission hat einen Vorschlag erarbeitet, der es Pharmafirmen erlauben würde, andere Medikamente länger exklusiv zu vermarkten und so die Antibiotika-Entwicklung quer zu finanzieren.
  2. Schaffung eines Ersatzmarktes: Kleine Start-up-Unternehmen, die derzeit 80 Prozent der Forschungsprojekte für neue Antibiotika durchführen, könnten das Recht auf eine längere Exklusivvermarktung an andere Pharmaunternehmen verkaufen.
  3. Zurückhaltender Einsatz: Es brauchen einen zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika und immer wieder neue resistenzbrechende Wirkstoffe, betont Mathias Pletz.

Zeit drängt – Resistenzen nehmen zu

Aktuelle Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen, wie dringend der Handlungsbedarf ist. So waren im Jahr 2021 bei Infektionen auf Intensivstationen in der EU:

  • 15,3 Prozent der Staphylococcus-aureus-Isolate resistent gegen Oxacillin (MRSA)
  • 41,7 Prozent der Klebsiella-Isolate gegen Cephalosporine der dritten Generation resistent waren
  • 29,9 Prozent der Pseudomonas aeruginosa-Isolate resistent gegen Carbapeneme

"Die Entstehung von Resistenzen kann nicht verhindert, sondern nur verlangsamt werden", erklärt das Robert-Koch-Institut. Umso wichtiger ist es, dass Politik, Forschung und Industrie schnell handeln, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten und neue Wirkstoffe zu entwickeln.