E-Rezept: Digital bestellt, analog gescheitert?
Das E-Rezept sollte die Medikamentenversorgung revolutionieren. Doch die Realität sieht anders aus. Warum das digitale System an analogen Hürden scheitert.
Viele ärztliche Verordnungen sind inzwischen als elektronisches Rezept (E-Rezept) erhältlich und können unmittelbar danach bei einer Apotheke erworben werden, falls diese das spezifische Medikament vorrätig hat. Trifft dies nicht zu, kann die Apotheke das Medikament bei einem ihrer Vertragsgroßhändler bestellen, der üblicherweise innerhalb eines halben Tages per Kurier liefert. Viele Apotheken bieten dann an, das Medikament nach Hause zu liefern.
Ein Problem der E-Rezepte ist die Tatsache, dass bestimmte Produkte wie Blutzucker-Teststreifen ebenso wenig als Medikament gelten wie die Nadeln für Insulin-Pens und daher weiterhin der Papierform bedürfen und der Patient den Empfang quittieren muss.
Daher können derartige Produkte zwar als E-Rezept verordnet werden, die Apotheke darf sie jedoch nicht bedienen, was für den Patienten mit einem erneuten Arzttermin verbunden sein kann.
Inzwischen beginnt diese Lieferkette jedoch an ihrem Ende zu brechen, denn die Zahl der Apotheken geht immer schneller zurück, wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) vermeldet. Die Zeiten, als die Apotheker mit ihren Apothekenpreisen ein sicheres Auskommen hatten, scheinen aufgrund der geltenden Regulierungen schon lange vorbei.
Die ABDA meldet zu den sinkenden Apothekenzahlen konkret:
Die Zahl der öffentlichen Apotheken ist auf ein neues Rekordtief von 17.187 gesunken. Zum Ende des dritten Quartals 2024 gab es damit 384 Apotheken weniger als zu Jahresbeginn (17.571). Das entspricht einem prozentualen Rückgang von 2,2 Prozent.
Im Vergleich zu den ersten neun Monaten der Vorjahre hat sich die Geschwindigkeit des Rückgangs somit weiter erhöht – 2022 gab es im selben Zeitraum 285 Apotheken weniger, 2023 dann 335 Betriebsstätten weniger. In den ersten drei Quartalen 2024 gab es auch nur noch 36 Neueröffnungen im Vergleich zu 46 (2022) und 48 (2023) in den Vorjahreszeiträumen.
Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening verlautbart dazu:
Die Apothekenzahl geht immer schneller zurück. Das ist dramatisch, aber leider nicht überraschend. Die Politik muss den Apothekenrückgang dringend stoppen. Jede Apotheke, die schließen muss, verschlechtert die Versorgung für tausende Patientinnen und Patienten, weil die Wege zur nächsten Apotheke dann länger werden.
Die Politik weiß ganz genau, dass das Apothekenwesen seit Jahren chronisch unterfinanziert ist. Das seit elf Jahren stagnierende Apothekenhonorar muss deshalb sofort an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angepasst werden.
Online-Apotheken sind für eilige Arzneimittel keine Lösung
Wer aufgrund einer akuten Erkrankung noch schnell ein Rezept vom Arzt einlösen muss, dem ist mit einer Versandapotheke nicht wirklich geholfen. Da die Medikamente dann mit den üblichen Versanddiensten zugestellt werden, muss der Empfänger zum Zustellzeitpunkt verfügbar sein und die Zustellung selbst verfolgen, weil er sonst nicht rechtzeitig reagieren kann. Zudem besteht das Risiko, dass ein temperaturkritisches Medikament bei der Zustellung Schaden nimmt.
Im Bundesgesundheitsministerium überlegte man zuletzt, ob man bei der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten bei weiter abnehmender Zahl an Apotheken letztlich auch auf Apotheker und ihre Beratung verzichten könnte.
Produkte von Doc Morris sind heute schon teilweise im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich. Wer sich die Doc-Morris-App auf seinem Smartphone installiert, kann im Gegenzug auch auf Rabatte bei teilnehmenden Lebensmittelhändlern hoffen.
Auch am Anfang der deutschen Medikamentenlieferkette stockt es gewaltig
Nicht zuletzt die quartalsweisen Absprachen mit den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen sorgen dafür, dass es zu Lieferengpässen bei Generika kommen kann. Zum einen werden nach der Produktion der Grundstoffe weitere Produktionsschritte in Länder mit niedrigeren Produktionskosten verlagert, zum anderen fällt es einigen Vertragspartnern der Kassen nicht immer leicht, im Bedarfsfall den deutschen Arzneimittelbedarf zu decken.
Einen Fortschritt gibt es inzwischen bei der Verfügbarkeit der Lieferengpasslisten von BfArM, PEI und EMA. Waren die in der Vergangenheit nur als durchsuchbare PDF-Datei verfügbar, stellt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) inzwischen eine Web-Anwendung mit vielfältigen Möglichkeiten zum Filtern, Sortieren und zum Datenexport zur Verfügung.
Die Informationen stammen direkt von den jeweiligen pharmazeutischen Unternehmern und werden durch Daten aus dem Arzneimittelinformationssystem des Bundes ergänzt. Die Aktualisierung der Datenbank erfolgt automatisiert auf Basis der gemeldeten Informationen.
Das BfArM hat nach eigener Aussage in der Regel keine weitergehenden Informationen zum Lieferstatus der gelisteten Arzneimittel und kann auch die Richtigkeit der eingestellten Informationen nicht überprüfen. Die Einstellung in die Liste erfolgt somit unter der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Zulassungsinhaber.
Meldet ein Hersteller eine Mangelsituation nicht, findet sie somit auch keinen Eingang in die Listen des BfArM. Je nach Marktsituation verfügen auch nicht alle Pharmagroßhändler bundesweit über alle Medikamente, sodass ungemeldete, lokale und regionale Lieferengpässe auftreten können, die für den Patienten erst zutage treten, wenn er die Verordnung in der Apotheke einlösen will.
Die Zeiten, als der Patient sich darauf konzentrierte, die verordneten Medikamente plangemäß einzunehmen, scheinen vorbei zu sein. Die mit dem E-Rezept angekündigte Kontrolle möglicher Interferenzen zwischen den verordneten Arzneimitteln ist in der Praxis nicht angekommen.