Exportartikel Internetzensur
Auch in Weißrussland gibt es das Internet bald nur noch gefiltert
Eigentlich wurden Filterprogramme entwickelt, um Angestellte oder Kinder vom Herumtreiben auf fragwürdigen Seiten des Internets abzuhalten. Die meist in Amerika entwickelte Software wurde mittlerweile jedoch auch zur vollautomatischen Zensur umgestrickt.
Ein völlig unzensiertes Internet gibt es nur in wenigen Staaten. Selbst Deutschland hat schon seine ersten Erfahrungen mit der Zensur von IP-Verbindungen gemacht. Neben den Aktivitäten der Bezirksregierung Düsseldorf hat sich hier auch die ursprünglich als Werbeblocker gedachte deutsche Filtersoftware Webwasher hervorgetan, doch ebenso amerikanische Programme, die bereits im normalen Bürobetrieb deutliche Probleme erzeugen können ("Matsushita ist eine Sch...firma").
Mit der Internetfilterung nicht im kleinen Intranet-Maßstab, sondern für ein ganzes Land haben die Hersteller zunächst in den arabischen Ländern Erfahrungen darin gesammelt, wie man religiöse und pornographische Seiten aussperren kann. Später haben sie für China auch die Filterung nach politischen Kriterien nachgerüstet (China perfektioniert die Kontrolle des Internet). Offiziell will natürlich kein Hersteller diese Modifikation durchgeführt und an China verkauft haben. Und deshalb tut sich das Land leicht damit, die erfolgreich modifizierte Software nun als eigenes Erzeugnis an andere Staaten weiter zu verkaufen, der eine vollautomatische Zensur für alle IP-Verbindungen einrichten möchten.
Den Staaten, die kein ungefiltertes Internet ins Land lassen wollen, sind dabei zunächst einmal Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen ein Dorn im Auge, die sich für Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen (Geschäfte im "weltweit größten Gefängnis" für Internetnutzer). Regierungen in kommunistisch oder islamisch geprägten Staaten gehen zudem gegen die politische Opposition oder kritische Journalisten vor.
Doch ist die Kommunikation dieser Gruppen untereinander und somit beispielsweise die E-Mail-Überwachung nicht einmal das Hauptproblem für totalitäre Staaten. Viel mehr Angst haben sie davor, dass der normale Bürger Dinge aus dem Internet erfahren kann, die er nicht erfahren soll.
Internet nicht für jeden
Um dieses zu erreichen, wird der Zugang zum Internet für die normale Bevölkerung komplett gesperrt; nur spezielle Staatsorgane und vertrauenswürdigen Personen dürfen dann noch auf das Internet zugreifen, wie beispielsweise in Turkmenistan. Wenn die normale Bevölkerung überhaupt online gehen kann, dann nicht von eigenen Computern von zuhause oder aus Büros, sondern über öffentliche Internetcafes, die genau überwacht werden. Dabei werden sogar die besuchten Webseiten aufgezeichnet. In Ländern wie Burma oder Nordkorea (Die Infokrieger aus der "Achse des Bösen") können Privatleute ohnehin wieder Computer noch Internetzugang erhalten. In Kuba ist die Situation komplizierter (Kontrolle über Internetzugänge). Im Jahr 2004 meldete Reporter ohne Grenzen allein 63 Personen in China, die aufgrund von Internetvergehen inhaftiert sind: Sie sollen subversive Inhalte im Web verbreitet haben (Netz unter Kontrolle).
Das Internet ist jedoch von Natur aus selbstorganisierend und nicht klar strukturiert. So finden sich für solche Regierungen kritische Informationen eben nicht nur auf bestimmten, bekannten Webseiten, sondern auch beispielsweise in Weblogs, die sich innerhalb des Landes befinden und die nur eine Unterseite einer größeren Webpräsenz darstellen können. Das einfache Blockieren über Internetadressen, ob Domänen oder IP-Adressen, hat bereits massive Auswirkungen, wenn der Zugriff auf diese verbotenen Seiten abgefangen und durch eine Fehlermeldung, schlimmer aber durch eine gefälschte Seite ersetzt werden, die dann Aussagen enthält, die nicht den entsprechen, die die ursprüngliche Webseite vertritt.
Sofern die Manipulation nicht allzu auffällig sind, merken die Einwohner solcher Staaten, die das Original ja gar nicht kennen, den Betrug nicht und schreiben deshalb auch E-Mails an die gefälschten Seiten, die ebenso wie die Webzugriffe dann nicht beim eigentlich gemeinten Adressaten ankommen, sondern beim Inhaber der gefälschten Seiten, also des Regimes. Damit outen sie sich also auch noch zusätzlich.
Zensur: Auch in Deutschland
In kleiner Form haben wir das auch in Deutschland kennen gelernt, ob beim Verbot der Sabotageanleitung für Atommüll-Transporte in "Radikal" (Hyperlink-Prozeß: Freispruch für Angela Marquardt) oder beispielsweise rotten.com im Geltungsbereich der Bezirksregierung Düsseldorf, ebenso aber natürlich auch bei einem der beliebten Domainstreits (Email-Klau über den Weg des Domainklaus ist legal) oder der Übernahme versehentlich gelöschter Domains durch Domaingrabber und Dialeranbieter.
Diese technischen Sperren über die Internetadresse lassen sich relativ leicht dadurch umgehen, dass auf die betroffenen Seiten auf andere Weise zugegriffen wird, nämlich mit Proxies, die die gewünschten Webzugriffe zwischenspeichern und weiterleiten. Der Interessent ruft in diesem Fall nicht mehr direkt die gewünschte Seite auf, sondern beispielsweise einen Anonymizer. Erst dieser greift dann auf die Zieladresse zu.
Natürlich können und werden dann die Anonymisierungsdienste gesperrt. Dies entwickelt sich jedoch schnell zum Fass ohne Boden, wenn die beanstandeten Webseiten von Freiwilligen in aller Welt unter anderen Adressen erneut gespiegelt werden. An diesem Punkt wechselt die Zensurtechnik deshalb vom adress- zum inhaltebestimmten Filter. So wird der Zugriff beispielsweise gesperrt, wenn das Wort "Menschenrechte" oder "Meinungsfreiheit" auftaucht – sei es als Begriff auf den betreffenden Webseiten, sei es aber auch bei den Suchmaschinen über die eingegebenen Suchbegriffe.
Zentralistische Struktur sabotiert das WWW
In China gibt es nur einige wenige zentrale Übergangspunkte ins WWW, womit es technisch einfach ist, auch ein eigentlich gerade gegen Unterbrechungen sicheres Medium wie das Internet dort zentral zu filtern. Doch China hat inzwischen über 100 Millionen Internetnutzer, und die Zahl steigt ständig weiter an. Dies führt zur Überlastung der Filtersoftware und damit zu massiven Geschwindigkeitseinbrüchen. Vor dem Hintergrund der geplanten wirtschaftlichen Expansion in China ist dies natürlich ein taktischer Nachteil, selbst wenn den neu angesiedelten Firmen die eigentliche Zensur nicht negativ auffallen sollte.
In der Praxis erfahren hat dies beispielsweise die China-Redaktion der Deutschen Welle: 2001 war das Webangebot des Senders bereits sechs Monate blockiert, von März 2004 bis Anfang 2005 waren die Webseiten der Deutschen Welle aus China ebenfalls nicht mehr erreichbar. Chinesisch ist dabei mit 13,7% der Internetnutzer nach Englisch mit 35,2% die zweitstärkste Sprache im Web, es gibt 130 Millionen Internetnutzer im Land und 1,8 Millionen Internetcafés.
Zu Recht kritisieren Holger Haibach und Stephan Zeidler in ihrem lesenswerten Beitrag "Internet-Zensur auf dem Vormarsch", dass der Westen offensichtlich keine Probleme damit hat, Zensursoftware zu exportieren, dann aber Verschlüsselungsprogramme, die E-Mail in repressiven Staaten wieder ermöglichen würden, nicht exportiert werden dürfen. Ebenso wird im Interesse des ökonomischen Zusammenarbeitens gerne über Unterdrückung und Zensur in den betroffenen Staaten hinweggesehen, obwohl dies gegen die Grundsätze der westlichen Staaten verstößt.
Während aus dem islamischen Raum vor allem Saudi-Arabien (O mein Herr, mir ist Gefängnis lieber als das, wozu sie mich einladen), der Iran (Haben sie doch nicht so viel Angst vor dem Netz, liebe Führer!) und auch Tunesien, das Gastgeberland des diesjährigen Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS) „schädliche Inhalte“ filtern und auch die Türkei unter anderem pro-kurdische Websites blockieren lässt (Der Gipfel tagt in einem Schwarzen Loch des Internet), schränken mittlerweile auch die Länder der ehemaligen UDSSR den Zugang zum Internet über Zensursoftware ein, so auch in Weißrussland und der Ukraine. Ebenso wie in China ist in Weißrussland dabei die Internet-Zensur besonders einfach, weil es nur einen einzigen Internetprovider gibt, der direkt durch das Ministerium für Telekommunikation überwacht wird. Und hier nutzte China nun die Tatsache, dass niemand sich freiwillig als Vater der Zensursoftware ausgibt und stellte diese direkt der Regierung von Belarus zur Verfügung.