Extraprofite: So wächst der Druck auf die Energiekonzerne in Deutschland

Die Spritpreise sinken kaum, trotz steuerlicher Entlastung. Jetzt wird nach langer Blockade auch über die Extra-Profite der Energiekonzerne in Deutschland diskutiert und Sonderabgaben gefordert. Bild: Marco Verch / CC-BY 2.0

Steuerliche Erleichterungen senken die Spritpreise in Deutschland kaum. Erste Koalitionspolitiker fordern nun auch Übergewinnsteuer (Update)

Die Kritik an den Ölkonzernen wächst. Denn trotz der Senkung der Spritsteuer kommt davon kaum etwas bei den Verbrauchern an. Der Steuervorteil bei Super (E10) beläuft sich seit Mittwoch auf über 35 Cent pro Liter, bei Diesel fast 17 Cent.

Doch die Preise an den Zapfsäulen sind nur kurzzeitig gesunken. Ein Sprecher des Automobilclubs ADAC sagte am Wochenende: „Die Entwicklung geht in die komplett falsche Richtung“.

Nun fordern auch in Deutschland Koalitionspolitiker, dass die Energiekonzerne stärker zur Kasse gebeten werden. Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dräge sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA), dass die Preise für fossile Energien im Zuge des Ukrainekriegs dramatisch angestiegen seien:

Dabei haben Unternehmen, wie etwa Mineralölkonzerne, ihre Verkaufspreise teilweise deutlich stärker erhöht, als die Einkaufspreise dies nötig gemacht hätten.

Das sei ungerecht, da viele Menschen in Deutschland unter den gestiegenen Preisen litten.

Auch in der SPD mehren sich Stimmen, die einen sozialen Ausgleich verlangen und eine zusätzliche Abgabe für die Mineralölunternehmen. So fordert SPD-Chef Lars Klingbeil eine stärkere Besteuerung der „Krisen- und Kriegsgewinner“. Es sei nicht vermittelbar, dass sich „in der Krise“ die Energiekonzerne „die Taschen noch voller machen“, sagte Klingbeil gegenüber der Funke Mediengruppe.

Vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht sich aber gegen die Profit-Besteuerung aus. Auch der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest warnt vor einem solchen Schritt. Viele Wirtschaftsredaktionen der großen Medien wenden sich ebenfalls gegen die Übergewinnsteuer, wie sie jetzt diskutiert wird.

Der Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung Nikolaus Piper zum Beispiel nennt eine Übergewinnsteuer „Willkür“ und empfindet sie als „ungerecht“. Und er fragt: „Ist es wirklich gerecht, Unternehmen Gewinne wegzunehmen, bloß weil Politiker sie für überhöht halten?“

Natürlich könnte Piper auch fragen, ob es gerecht ist, dass Energiekonzerne leistungslos Profite mitnehmen auf Kosten der Verbraucher:innen und jedes Jahr in Deutschland laut Internationalem Währungsfonds (IWF) rund 70 Milliarden Euro an Steuergeldern in Form von Subventionen für fossile Energieträger erhalten, ohne die sie auf den Märkten nicht überleben würden.

Ungerecht kann man die zusätzliche Besteuerung vor dem Hintergrund exorbitant steigender Profite auch nur schwerlich nennen. Die Energiekonzerne haben im Zuge des Ukrainekriegs überproportionale Gewinne eingefahren. Während viele in der Gesellschaft, von Kleinunternehmern bis zum Pendler, unter den gestiegenen Preisen leiden, geht es den Konzernen im Energiesektor überdurchschnittlich gut. Sie häufen "Übergewinne", also überdurchschnittliche Gewinne, auf, die vor allem durch den Anstieg der Börsenpreise entstanden sind. Das hat nicht unwesentlich die Energiekosten in die Höhe getrieben.

Die italienische Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi hat auf die Schieflage bereits reagiert und die Übergewinnsteuern im Energiesektor angehoben. Damit sind Steuern gemeint auf außergewöhnlich hoch ausfallende Profite. In Italien wird nun ein Umsatzüberschuss, der über den Wert des Vorjahreszeitraums um fünf Millionen Euro oder zehn Prozent hinausgeht, mit 25 Prozent besteuert, nicht mehr wie früher mit nur zehn Prozent.

Während die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Besteuerung der Kriegsgewinne bislang ablehnte, hat die konservative Regierung in Großbritannien nachgezogen und will ebenfalls eine Übergewinnsteuer von 25 Prozent als Ausgleichsmaßnahme einführen.

In Italien hofft man mit der Zusatzsteuer Einnahmen von rund zehn Milliarden Euro zu generieren. In Großbritannien rechnet man mit sechs Milliarden.

Großbritannien und Italien: Steuern auf Riesengewinne der Öl-und Gasindustrie

Richard Burgon, Abgeordneter im Unterhaus und Generalsekretär der Socialist Campaign Group, einer Vereinigung linker Labour-Parlamentarierinnen, hält die Steuer an sich für richtig:

Diese überschüssigen Gewinne sind nicht das Ergebnis einer großartigen kapitalistischen Innovation oder zusätzlicher Investitionen der Unternehmen. Sie sind ein unverdienter und unerwarteter Glücksfall.

Burgon verweist aber auch darauf, dass in Großbritannien, anders als in Italien, die Branche Privilegien genießt und Kreditkosten aus dem Reingewinn ausgeklammert werden. Auch sind Stromversorger ausgenommen. Zudem können Investitionskosten von den Konzernen eingerechnet werden.

So hätten die Öl- und Gasunternehmen 13 Milliarden Pfund Übergewinn gemacht. Nach der jetzigen Regelung bleiben also noch 8 Milliarden Pfund an leistungslosem Gewinn übrig. Burgon fordert daher einen Steuersatz von 95 Prozent für die überproportionalen Erträge.

Seiner Meinung nach müsse generell über eine höhere Steuerquote im Energiesektor nachgedacht werden. In anderen Ländern wie Norwegen liegt die Gewinnbesteuerung bei der Öl- und Gasförderung deutlich höher als in anderen Ländern. Dort beläuft sich die Steuerquote auf fast 80 Prozent, in Großbritannien wird sie nur temporär durch die Übergewinnsteuer auf 65 Prozent erhöht.

Längerfristig müsse, so Burgon, auch über die hohen Subventionen für die fossile Brennstoffindustrie nachgedacht werden, die sich in Großbritannien in den nächsten Jahren auf rund 6 Milliarden Pfund belaufen. Diese staatlichen Unterstützungszahlungen garantieren weiter Profite für die großen Energieunternehmen, die dann, wenn die Übergewinnsteuer abgeschafft sein wird, von den Konzernen wieder voll eingefahren werden können.

Daher wären Preisregulierungen, Preisdeckel und Kommunalisierungen bzw. Vergesellschaftungen von Energieunternehmen das nachhaltigere Mittel, Preisexplosionen in der Zukunft zu verhindern.

Scholz und Lindner blocken Übergewinnsteuer ab

In Deutschland ist man aber bisher nicht bereit, die Kriegsgewinne der Energiebranche in der gegenwärtigen Hochpreis-Situation anzutasten. Dabei wurden Vorschläge selbst vom grünen Koalitionspartner gemacht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schlug eine Übergewinnsteuer schon im März vor. Die grüne Bundesvorsitzende Ricarda Lang sagte Anfang Mai:

Wenn wir im Moment sehen, [...] dass einige Konzerne wissentlich und vor allem übergebührlich am Horror dieses Krieges verdienen, dann sollten wir doch eine Übergewinnsteuer einführen.

Doch aus dem Bundesfinanzministerium hieß es prompt, dass die Unternehmen schon durch Corona-Pandemie, hohe Energiepreise und unsichere Lieferketten belastet seien. Doch bei der Sondersteuer geht es nicht um belastete Unternehmen, sondern um die übermäßigen Gewinne von Konzernen. Auch ist das Argument Lindners, dass die Steuer Investitionen hemmen würde, nicht stichhaltig.

Die extremen Gewinne fließen einerseits nur sehr minimal als Investitionen zurück ins Unternehmen, andererseits können mit den zusätzlichen Steuereinnahmen die Bürger_innen und kleineren Unternehmen entlastet werden – etwas, was mit dem Klimageld ja unternommen werden soll. Diese Umverteilung kurbelt wiederum die Wirtschaft an, eine Art Konjunkturprogramm, wobei der Staat gezielt die Energiewende zu Gunsten der Allgemeinbevölkerung und stärkerer Energieunabhängigkeit forcieren kann.

Letztlich müssten auch nicht nur die Kriegsgewinner aus der Energiebranche, sondern alle Profiteure zur Kasse gebeten werden. Der Demokrat und Vorsitzende des Senatsausschusses für Haushaltsfragen Bernie Sanders schlug in den USA vor kurzem ein Gesetz mit dem Namen Ending Corporate Greed Act vor. Danach sollen Konzerne, die ihren Durchschnittsgewinn der Vorjahre übertreffen, 95 Prozent auf diese Profite zahlen. Bei den dreißig größten Unternehmen würde das zu staatlichen Mehreinnahmen von 400 Milliarden Dollar führen.