FBI: Keine Hinweise für Antifa-Gewalt
Antifa war an den Unruhen nicht beteiligt, sagt das FBI. Twitter enttarnt vermeintliche Antifa-Konten von Neo-Nazis
Ob gegen Polizeigewalt oder gegen ihn selbst, die Bezeichnung "Antifa" ist unter Präsident Donald Trump zu einem Sammelbecken für jegliche Proteste geworden. "Antifa" wird als ein Etikett verwendet, um alle Arten von linken oder liberalen Protestaktionen zu brandmarken, genauso wie das Framing, es handle sich dabei um "inländischen Terrorismus". Dabei kommt auch in den USA Terror von rechts.
Seinen neuesten Staatsfeind hat Präsident Trump schnell gefunden. Er und sein Generalstaatsanwalt William Barr gaben der "Antifa" die Schuld (Terrortruppe Antifa?) an den landesweiten Protesten seit der Ermordung von George Floyd. Trump twitterte, dass "Antifa und die radikale Linke für die Unruhen verantwortlich" seien, und erklärte, die Antifa als terroristische Vereinigung in den USA verbieten zu wollen. Barr folgte mit der Erklärung: "Die Gewalt, die von der Antifa und anderen ähnlichen Gruppen im Zusammenhang mit den Unruhen angezettelt und ausgeführt wird, ist innerstaatlicher Terrorismus und wird entsprechend behandelt werden." Bislang äusserte sich der Sprecher der Vereinigung nicht, da es weder ihn noch die Antifa als Vereinung gibt.
Die Verknüpfung der Unruhen mit der Antifa dementiert nun das FBI. Ein interner Lagebericht der Behörde, der der linksliberalen Wochenzeitschrift The Nation vorliegt, besagt, dass die FBI über keine Informationen darüber verfüge, dass die gewalttätigen Protesten vom 31. Mai in Washington D.C. in Zusammenhang mit einer Antifa-Beteiligung stehen sollen.
Der Bericht stellt demnach fest, dass die FBI "auf der Grundlage von vertraulichen Quellen, Open-Source- und Social-Media-Partnern und der FBI-Außenstelle in Washington D.C. über keine Informationen verfügt, die auf eine Antifa-Beteiligung bzw. Präsenz hinweisen". Die Erklärung folgt auf die Untersuchung der FBI von einer Reihe von Gewalttaten wie das Werfen von Ziegelsteinen auf die Polizei und dem Fund eines Rucksacks mit Sprengstoff. "Die Tatsache, dass in den Lageberichten des FBI keine Beweise für eine solche Beteiligung gefunden werden können, lässt nun die Vermutung zu, dass die Angst vor solchen Gruppen möglicherweise übertrieben sind", kommentiert The Nation.
Fakes kommen vom Weißen Haus
Trump und das Weiße Haus können derzeit niemand anderes als Feind inszenieren als die "Antifa". Am Mittwoch veröffentlichte das Weiße Haus auf seinem Twitter-Kanal einen Zusammenschnitt von sieben Video-Clips mit vermeintlichen Beweisen für geplante Gewaltaktionen der Antifa. Der Tweet behauptete: "Antifa und professionelle Anarchisten dringen in unsere Gemeinden ein, verteilen Ziegelsteine und Waffen, um Gewalt anzuzetteln. Dies sind Akte des inländischen Terrors." Das Video wurde später am Tag gelöscht, wie The Intercept herausfand.
Die Collage umfasst sieben Handyaufnahmen in denen Personen Ansammlungen von Ziegeln, Steinen oder Pflastersteinen verdächtigen, absichtlich in Stellung gebracht worden zu sein, etwa als Vorbereitung für spätere Konfrontationen mit der Polizei. Drei der Clips wurden The Intercept zufolge einen Tag zuvor in einem Bericht der Nachrichtensendung "Inside Edition" ausgestrahlt. "An den Schauplätzen großer Demonstrationen sind auch Stapel von Ziegelsteinen aufgetaucht", habe ein Reporter hinzugefügt, und: "Es gibt Spekulationen, dass sie von der Antifa dort platziert worden sein könnten, um als Geschosse gegen Polizisten und Schaufenster zu dienen."
Bevor das Weiße Haus die Collage der Clips, die vorher schon in den Sozialen Medien kursiert waren, lancierte, hatten BBC News, Buzzfeed und Vice diese analysiert. Es handelte sich stets um gewöhnliche Stapel von Ziegelsteinen, die für Baustellen und Straßenbauarbeiten verwendet wurden und nicht um vermeintliche Maßnahmen der "Antifa".
Als Antifa getarnte Neo-Nazis
"Antifa" dient in den USA wiederholt als Vehikel für gewollte Falschinformationen. Nach der Schießerei in Las Vegas 2017 wurde etwa behauptet, bei dem Schützen handle es sich um ein Antifa-Mitglied. Dies geschieht anlässlich der Unruhen erneut. Wenn überhaupt jemand - neben Trump - öffentlich zu Gewalt aufruft, sind es Rechtsextreme, die sich in den sozialen Medien als Teil der Antifa ausgeben.
Am Sonntag tweetete das Konto @ANTIFA_US: "Heute Nacht ist die Nacht, Genossen" und "Heute Nacht sagen wir 'F--- die Stadt' und wir ziehen in die Wohngebiete... die weißen Viertel ... und nehmen uns, was uns gehört..." Geschmückt wurde der Tweet mit einem braunen Faust-Emoji.
Laut Twitter soll hinter dem Kanal @ANTIFA_US die Neo-Nazi-Gruppe "Identity Evropa" auch bekannt als "American Identity Movement" stecken. Wie NBC berichtet, habe Twitter den Kanal nun gesperrt. Laut NBC sagte ein namentlich nicht genannter Twitter-Sprecher, das Konto verstoße gegen die Manipulations- und Spam-Richtlinien der Plattform, insbesondere gegen die Einrichtung gefälschter Konten. Dies sei nicht das erste Mal, dass "Identity Evropa" über Fake-Konten Hass verbreite, so der Sprecher laut NBC.
Wenn es um die Gefahr durch Links- oder Rechtsextremismus geht, ist es in den USA ähnlich verzerrt wie in Deutschland: Während in den USA 74 Prozent der extremismusbedingten Morde in den vergangenen zehn Jahren von Rechtsextremisten begangen wurden, waren es laut einem Bericht der Anti-Defamation League aus dem Jahr 2016 nur zwei Prozent, die von Linksextremisten begangen wurden. Auch haben rechte Terroristen seit 9/11 mehr Menschen auf amerikanischem Boden getötet als islamistische Terroristen. "Domestic terrorism" kommt in den USA von rechts.