FBI und Heimatschutzministerium geben Anweisungen für das Melden von Verdächtigem

Das Böse kann überall lauern: Die Verhinderung von Terroranschlägen kann in Panikmache umschlagen, also mit dem Ziel von Terroristen konvergieren

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Immer wieder einmal wurden interne Mitteilungen des FBI an die Sicherheitskräfte bekannt, in denen diesen mitgeteilt wurde, auf was sie im Kampf gegen den Terrorismus achten sollten, um verdächtige Personen oder Aktivitäten zu erkennen (Vorsicht vor Personen mit großen, schweren Jacken an warmen Tagen). Den Menschen wurde auch nahe gelegt, wie sie sich auf Terroranschläge und ihren Folgen vorbereiten sollen (Are you ready?. Zudem hat das Justizministerium einige Gruppen initiiert, die nach Verdächtigem Ausschau in ihrem Arbeits- oder Wohnbereich halten sollen ("Augen und Ohren von Amerikas Trucker-Armee"), auch wenn das geplante und groß angelegte TIPS-Programm vom Kongress abgelehnt wurde. Jetzt wurde den Verantwortlichen von wichtigen Institutionen und jedem US-Bürger Anleitungen gegeben, welche verdächtige Verhaltensweisen oder Situationen sie beobachten und den Sicherheitskräften melden sollen: eine Nation in Panik?

• Report attempts to test or conduct reconnaissance of security operations at critical infrastructure/key resource facilities, high profile venues or sector-specific events.

• Report any persons showing uncommon interest in security measures or personnel, entry points or access controls, or perimeter barriers such as fences or walls.

• Report any persons showing uncommon interest in critical infrastructure/key resource facilities, networks, or systems (e.g. photographing or videotaping assets).

• Report any theft of or missing official company identification documents, uniforms, credentials, or vehicles necessary for accessing critical infrastructure/key resource facilities or sector-specific events.

• Report all suspicious attempts to recruit employees or persons knowledgeable about key personnel or critical infrastructure/key resource facilities, networks, or systems.

• Report any theft, purchase, or suspicious means of obtaining plans, blueprints, alarm system schematics, or similar physical security-related or sensitive information related to a facility with critical infrastructure/key resource facilities and systems.

• Report any discovery of documents (particularly foreign language products) containing pictures or drawings of critical infrastructure/key resource facilities or systems.

• Report any persons near critical infrastructure/key resource facilities who do not fit the surrounding environment, such as individuals wearing improper attire for conditions or not normally present in the area (such as, homeless persons, street vendors, demonstrators, or street sweepers).

• Report pedestrian surveillance near critical infrastructure/key resource facilities involving any surveillance activity of sensitive operations, including photography, videotaping, or extensive note-taking/use of audio recorder (regardless of the number of individuals involved), or mobile surveillance by cars, trucks, motorcycles, boats or small aircraft.

So ist die von FBI und Heimatschutzministerium erstellte Liste für die alltägliche Aufmerksamkeit auf alles Ungewohnte, das Terrorverdacht auslöst und offenbar gleich gemeldet werden soll. Dreht man diese Aufmerksamkeits- oder Überwachungsliste um, so müssten die Menschen in den USA nun möglichst vermeiden, zum Ziel des Verdachts zu werden, indem sie kein "ungewöhnliches" Verhalten oder Interesse an etwas zeigen.

Wer also beispielsweise an wichtigen Infrastruktureinrichtungen oder wichtigen Institutionen wie Kraftwerken, Banken, Flughäfen, Eisenbahnen, Häfen, Schnellstraßen, Telekommunikationseinrichtungen, Postgebäuden, chemischen Fabriken oder Einrichtungen, die mit Rüstung zu tun haben, und vieles mehr ein "ungewöhnliches" Interesse zeigt oder sich dort "normalerweise" nicht aufhält, könnte als Terrorist verdächtigt und möglicherweise entsprechend behandelt werden. Aufgeführt werden Personen mit ungewöhnlicher Kleidung, aber auch Obdachlose, Straßenverkäufer, Demonstranten und Straßenkehrer, jedenfalls auch eine ungewöhnliche Zusammenstellung. Auch wer in der Nähe von wichtig erachteten Einrichtungen fotografiert, länger herumsteht, Aufzeichnungen macht, macht sich des Ausspähens verdächtig. Schon "Versuche" einer "Überwachung" sollten gemeldet werden.

Sollte sich diese geforderte Verdachtskultur durchsetzen, die das für das gesellschaftliche Zusammenleben erforderliche Mindestvertrauen in einer nicht von Bürgerkrieg überzogenen Region unterminieren kann, dann müssten sich die Menschen dementsprechend anpassen. Gehen sie dann gleichgültig umher, möglichst mit gesenktem Kopf, wenn sie an einer Polizeistation, einer Bank, einer Post oder einem Telefon- oder Strommasten vorbeigehen? Beobachten sie ihre Mitbürger, ob sie von der unverdächtigen Verhaltensnorm abweichen? Geht man lieber nicht mehr demonstrieren und kleidet sich möglichst unauffällig? Und vermeidet man es sicherheitshalber, Bilder und Zeichnungen, gleich ob digital oder nicht, oder andere Informationen über Einrichtungen zu besitzen?

Seit zwei Jahren leben die Menschen nun schon in den ganzen Vereinigten Staaten von den Großstädten bis in die letzte Einöde hinein unter erhöhter Terrorwarnung. Das dafür zuständige Heimatschutzministerium setzt die Warnstufe höchstens einmal höher, wie unlängst für New York, Washington und Newark geschehen, aber scheut davor zurück, die Warnstufe - zumindest regional - zu senken. Das lässt natürlich allmählich die Ängste und Wachsamkeit erschlaffen und hat natürlich vor allem bei Kritikern der Bush-Regierung zu der Annahme geführt, dass die Terrorwarnungen vor allem ein politisches Instrument sind. Schließlich konnte die erst über Gerichtsbeschluss ins Amt gekommene Bush-Regierung erst seit 11.9. politisch punkten.

Tatsächlich lässt sich wohl, ob politisch motiviert oder nicht, von einer geschürten Terrorpanik sprechen, vor allem der Eindruck erweckt wird, als könnten Terroristen mit einem Anschlag das ganze Land lahm legen. Ein Angriff auf die Börse in New York etwa würde sicherlich erhebliche Folgen haben und vor allem für die Betroffenen tragisch sein, aber die US-Wirtschaft würde höchstens kurzfristig davon betroffen sein. Die Macht des Terrorismus besteht bekanntlich nicht in seinen realisierten Anschlagserfolgen, so schrecklich sie auch sein mögen, sondern in der durch sie ausgelösten Angst vor dem, was noch geschehen könnte. Diese Angst kann wiederum bei den staatlichen Stellen zu einer Sicherheitsmanie und vorschnellen Reaktionen führen, die den Terroristen ebenfalls zugute kommt und ihnen eine gewisse Legitimation verschaffen kann. Die Mittel des Terrorismus sind "Panikwaffen".

In diesem Sinn sagt Anthony Cordesman, ein Verteidgungsexoerte beim Center for Strategic and International Studies, dass es zwar stets die Gefahr gebe, dass Hunderte von Menschen getötet oder wichtige Teile der Infrastruktur beschädigt werden könnten, aber "dass keine Gefahr einer massiven Niederlage der USA besteht".

Kräfte wie das Wetter greifen uns die ganze Zeit an und verursachen Opfer, aber wir sind sehr viel unverwüstlicher, als die meisten Menschen erkennen können. ... Terrorismus ist zu einem konkreteren Risiko geworden, vergleichbar dem Aufstehen aus dem Bett. Die Amerikaner haben gezeigt, dass sie mit dem Risiko des Aufstehens vom Bett und dem Terrorismus leben können, besonders wenn das Risiko des Terrorismus so gering bleibt, wie es dies war.

Tatsächlich ist, sieht man sich die Zahlen des National Center for Health Statistics an, dass Risiko, an einem Terroranschlag zu sterben, in den USA verschwindend gering (was natürlich keineswegs so bleiben muss, was aber auch von der Politik abhängt). Auch 2001, als die Zahl der Terroropfer ausnahmsweise mit 3.000 Toten sehr hoch lag, starben fast 44.000 an Autounfällen oder 20.000 durch Selbstmord. 20.000 Menschen wurden ermordet, 14.000 starben an Giftunfällen, während 700.000 den Tod durch eine Herzerkrankung oder über 500.000 durch Krebs erlitten. Natürlich lassen sich diese Zahlen nicht direkt mit den Opfern von Terroranschlägen gleichsetzen, allerdings sind die wenigsten Toten nur die Folge von natürlichen und schicksalhaften Ereignissen, sondern mit von Menschen und ihrer Lebensweise verantwortet.

Gleichwohl übertrifft die kollektive Panik, Opfer von vor Terroranschlägen werden zu können, die wie eine Naturkatastrophe überall zuschlagen und jeden treffen könnten, die Angst vor Naturkatastrophen, die viel mehr Opfer und Schäden verursachen können, und individuellen Risiken (Autounfall, Mord, durch die Lebensweise bedingte Krankheiten). Medien verstärken diese Panik und Politiker - überall auf der Welt -, nutzen und schüren die Angst manchmal auf unverantwortliche Weise im eigenen Interesse, anstatt, wie dies vernünftiger Weise geschehen sollte, unaufgeregt effektive Vorsorge zu treffen und ansonsten zu versuchen, die Panikwaffe der Terroristen eher stumpf zu machen.

Alles ist verdächtig

Die Liste von Anweisungen, die das FBI vor kurzem der Öffentlichkeit übergeben hat, um Terroranschläge zu vermeiden und verdächtigen Personen schon im Vorfeld das Handwerk zu legen, dürfte für viele Menschen, die nicht hinreichend Distanz aufbringen, auch nicht gerade zur Beruhigung dienen. Gefördert wird vielmehr der allgemeine Verdacht, das permanente Misstrauen, die Angst, jeder Zeit und an jedem Ort Opfer eines Terroranschlags werden zu können, oder auch die Suggestion, überall und in jedem Augenblick einen Terroranschlag verhindern zu können.

Unabhängig davon, wo man auf der Welt lebt, so müsse laut FBI die Botschaft stets wiederholt werden, dass die Mitarbeit eines jeden notwendig ist, um Terroranschläge zu verhindern. Beobachtet werden müsse verdächtiges Verhalten vornehmlich an wichtigen Orten oder solchen, an denen viele Menschen zusammen kommen: Regierungsgebäude, militärische Einrichtungen, Bahnhöfe oder Großereignisse.

Melden soll man möglichst, wenn jemand eine Videokamera, Landkarten oder Ferngläser benutzt, aber auch wenn jemand verdächtige Fragen über eine Einrichtung oder Personen, die dort arbeiten, stellt, gleich ob im direkten Gespräch oder über Telefon, E-Mail, Briefe etc. Dass aufgemerkt werden soll, wenn jemand unbefugt Sicherheitsmaßnahmen austricksen oder erkunden will, aber auch, wenn jemand an Sprengstoff, Waffen und Munition (in den USA!), Uniformen oder Zugangsausweise herankommen will, ist sinnvoll und richtig. Aber gleich die nächste Anweisung schürt nur wieder den Allgemeinverdacht, wenn Personen melden soll, die "nicht an den Arbeitsplatz, in die Nachbarschaft, in Geschäftsräume oder in der Nähe einer wichtigen Einrichtung bzw. eines wichtigen Ereignisses zu gehören scheinen". Auch verlassene Autos auf der Straße, das Horten "verdächtiger Materialien" oder überhaupt eben Personen in der Nähe von wichtigen Einrichtungen oder Ereignissen, sind verdächtig und sollten "sofort" gemeldet werden:

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