Facebook, "Fake News" und die Privatisierung der Zensur

Seite 3: Bezahlung: "Da haben wir gar nicht drüber geredet"

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Befragt zur neuen Rolle als Facebook-Faktenchecker und wie man da konkret arbeiten und Lügen als solche bewerten wolle, meinte Schraven am Montag im ZDF-Morgenmagazin ausweichend, dies sei "relativ einfach zu sagen bei simplen Geschichten", werde bei komplexeren Sachverhalten aber "kompliziert, wir müssen uns das anschauen, ich kann das im Moment nicht sagen".

Noch erstaunlicher war seine Antwort auf die Frage, ob und wie Facebook die komplexe und aufwändige Dienstleistung bezahlen wolle: "Um ehrlich zu sein, haben wir da gar nicht drüber geredet."

Einen seriösen Eindruck macht das nicht. Eher scheint es, dass ein von Eliten gefördertes Portal versucht, einen Fuß in die Tür eines zukünftigen Wachstumsmarktes zu bekommen und außerdem im Sinne seiner Sponsoren Deutungshoheit zu bewahren. Über kurz oder lang wird Correctiv von Facebook bezahlt werden müssen und ist dann wohl auch kaum mehr länger als "nicht gewinnorientiertes, gemeinnütziges" Portal zu bezeichnen - womöglich einer der Gründe, weshalb Schraven sich zu diesem Thema so nebulös äußert.

Gegenüber dem WDR erklärte er am Montag, die Initiative zur Zusammenarbeit mit Facebook sei von ihm selbst ausgegangen: "Ich habe im Spätherbst mit Facebook Kontakt aufgenommen, weil ich gesehen habe: Die Verbreitung von Fakenews auf Facebook ist ein richtiges Problem. Ein Problem, das unsere aufgeklärte Demokratie in Europa bedroht. Nach mehreren Gesprächen hat Facebook dann gefragt, ob wir nicht bei dem Factchecking-Programm mitmachen wollen." Zum konkreten Arbeitsprozess meinte er:

Das ist eigentlich relativ einfach. Wir machen jetzt erst einmal einen Betatest und schauen dann, wie es weiterläuft. Bei Facebook gibt es einen Button für Fakenews. Den kann man auslösen, wenn man glaubt, dass man eine Falschmeldung oder eine Propaganda-Lüge entdeckt hat. Wenn eine relevante Zahl von Facebook-Nutzern einen Beitrag gemeldet hat - sagen wir 200 oder 300 - dann geht bei uns eine Meldung an. Und wir recherchieren dann: Stimmt, was da steht? Oder ist es eine Lüge. Wenn letzteres zutrifft, dann schreiben wir das rein. Und Facebook veröffentlicht zu dieser Fakenews eine Notiz mit dem Inhalt: Diese Nachricht wird von unabhängigen Factcheckern angezweifelt.

David Schraven

"Bei unglaubwürdigen Artikeln die Sichtbarkeit reduzieren"

Facebook selbst stellt es so dar:

Wenn die Faktenprüfungsorganisationen Beiträge als gefälscht identifizieren, werden diese mit einem Warnhinweis versehen, der sie als unglaubwürdig einstuft. Der Warnhinweis enthält einen Link zu dem entsprechenden Artikel sowie eine Begründung dieser Entscheidung. Als unglaubwürdig eingestufte Meldungen erscheinen möglicherweise auch weiter unten im News Feed. Es wird weiterhin möglich sein, diese Beiträge zu teilen. Dabei wird jedoch eine Warnung angezeigt, dass der Wahrheitsgehalt des Beitrags angezweifelt wird. Sobald ein Beitrag mit einem Warnhinweis versehen wurde, kann er auch nicht mehr zu einer Werbeanzeige gemacht oder hervorgehoben werden.

Facebook

Und der zuständige Facebook-Manager Guido Bülow ergänzt: "Es kann auch sein, dass wir bei unglaubwürdigen Artikeln die Sichtbarkeit reduzieren."

Dass ein Unternehmen wie Correctiv, selbst Mitbewerber in der Medienbranche, dazu mit erkennbar politischer Ausrichtung, nun über die Glaubwürdigkeit von Artikeln und deren Sichtbarkeit für Millionen von Facebook-Nutzern entscheiden soll, ist in vielerlei Hinsicht so angreifbar und wenig durchdacht, dass man über diesen Deal nur staunen kann. Das grundlegende Misstrauen und die Ablehnung breiter Bevölkerungsschichten gegenüber der etablierten Politik wird sich zudem kaum durch eine restriktive Steuerung von strittigen Nachrichten verringern lassen - eher im Gegenteil.

Die Idee schließlich, "Falsches" einfach aus dem Nachrichtenstrom aussortieren zu können, unterstellt, es gäbe nur eindeutig definiertes unstrittiges Wissen und eben keine brisanten Themen, bei denen die "offizielle Story" fraglich ist. Es ist dies letztlich der Glaube an die Wahrheit der Regierung und der Autoritäten - eine eher vordemokratische Überzeugung.