Facebook, "Fake News" und die Privatisierung der Zensur

Seite 2: Im Fahrwasser der Propaganda

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Davon abgesehen: Was qualifiziert das personell ebenso kleine wie gut gepäppelte Portal nun eigentlich zum zentralen "Wahrheits-Checker" der deutschen Facebook-Ausgabe? Wie korrekt arbeitet Correctiv und welche Themen standen bisher im Mittelpunkt?

Die Qualität der Beiträge, so zeigt eine Sichtung, ist recht unterschiedlich. Neben seriösen kritischen Reportagen zur Pharmabranche (die wohl vor allem auf die Initiative von Chefredakteur Markus Grill zurückgehen, der sich schon vor seiner Zeit bei Correctiv einen Namen als Pharmakritiker gemacht hat) stehen Enthüllungen zum "Olivenöl-Kartell" oder "der Mafia in Afrika" sowie politisch gefärbte Berichte zum "System Putin".

Aktuelle Twitter-Mitteilungen der Redaktion verkünden Warnungen wie: "RT Deutsch hetzt deutsche Zuschauer mit russischer Propaganda auf. Ziel ist die Destabilisierung westl. Demokratien" oder "Der Russian Hack Report zeigt, wie Putin-Leute die US-Wahl zu Trumps Gunsten manipulierten - Was steht uns bevor?" Mit solchen Beiträgen bewegt sich Correctiv selbst im Fahrwasser der Propaganda und eben jener "Fake News", die nun bekämpft werden sollen. Die Arbeitsweise und inhaltliche Ausrichtung illustriert auch folgender Auszug aus dem letzten Correctiv-Jahresbericht:

Ende 2014 haben wir die Mitglieder unserer Community gefragt, welche Themen besonders im Fokus unserer Recherchen stehen sollen. Wir versprachen, 100.000 Euro in das gewählte Thema im Jahr 2015 zu investieren. Unsere Communitymitglieder entschieden sich bei zehn angebotenen Themen für "Korruption und Machtmissbrauch" mit 20%. Wir haben das Geld in zwei große Recherchen investiert: In "System Putin" haben wir Putins Aufstieg an die Macht nachgezeichnet, und ein Schmiergeld-Deal von Hewlett Packard war ein Baustein daraus. Wir haben enthüllt, dass Putins Aufstieg zur Macht mit Hilfe von Korruption aus Deutschland ermöglicht wurde. In diese Recherchen haben wir im vergangenen Jahr rund 70.000 Euro investiert.

Correctiv-Jahresbericht

Die Leser von Correctiv wünschten sich also Berichte und Recherchen zum Thema "Korruption und Machtmissbrauch" - und bekamen sie auch. Allerdings nicht etwa zu Machtmissbrauch in Deutschland, sondern in Russland. Missstände in jenem Land und Vorwürfe gegenüber Putin scheinen ein besonderer Schwerpunkt der Redaktion zu sein.

Die bislang aufwändigste und bekannteste Recherche von Correctiv ist die zum Absturz von MH17. Dafür gab es Preise, aber auch Widerspruch. Kürzlich veröffentlichte Correctiv eine Recherche zu den "Medien der Neuen Rechten", worin alternative Medien wie KenFM oder der russische Sender RT Deutsch mit rechten Blättern wie der Jungen Freiheit oder Götz Kubitscheks Sezession vermischt werden. Das hat auch insofern einen Beigeschmack, als Correctiv hier offensiv - und mit schwachen Belegen - versucht, den Ruf von einigen (erfolgreicheren?) Mitbewerbern im Medienmarkt als "rechtsradikal" zu schädigen.

Portalchef David Schraven selbst moderiert eine wöchentliche halbstündige Sendung mit dem Titel "Wir und heute", die seit Bestehen konsequent Zuschauerzahlen im unteren dreistelligen Bereich aufweist - ohne jedoch eingestellt zu werden. Geld scheint offenbar keine Rolle zu spielen. Das Niveau der humorigen Beiträge dort ist oft am Rande der Seriosität.

Journalistenschule für jeden

Parallel zur Mitteilung, dass Correctiv nun mit Facebook zusammenarbeiten will, gab Schraven am Sonntag bekannt, eine "Reporterfabrik" gegründet zu haben, wo er mit Hilfe von eigens zu produzierenden, kostenlos zur Verfügung zu stehenden Internet-Tutorials Hobbybloggern die Grundregeln des Journalismus vermitteln will. Das sei ein Versuch, "die aufklärerische, konstruktive, solidarische Vision des Netzes zu verteidigen gegen die dunkle Seite, gegen Hass, Fake-News, Desinformationen und Trash", so Schraven.

Mit im Boot ist der langjährige Spiegel-Autor Cordt Schnibben, der schon einmal versucht hatte, Kritiker des Spiegel zum Dialog einzuladen, woraus dann aber eher eine Veranstaltung zur Selbstbeweihräucherung geworden war.

Im Kuratorium der neuen "Reporterfabrik" - laut Correctiv einer "Journalistenschule für jeden" - ist die Spitze der Leitmedien versammelt, unter anderem die Chefs von Zeit, Spiegel, Süddeutsche, FAZ.net sowie Claus Kleber. Mit anderen Worten: Die Etablierten erklären den unbedarften Laienschreibern im Internet jetzt mal, was Journalismus ist. Zielgruppe seien aber auch "Bürger, die sich besser ausdrücken wollen".