Fällt Georgien jetzt wirklich an Moskau?
Seite 3: "Marsch auf Tiflis" endete im Gefängnis
- Fällt Georgien jetzt wirklich an Moskau?
- Georgische Offensive gegen abtrünnige Gebiete scheiterte
- "Marsch auf Tiflis" endete im Gefängnis
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Im Oktober 2021 kehrte der Ex-Präsident in sein Heimatland zurück und rief zu einem Marsch auf Tiflis auf. Die Behörden nahmen ihn jedoch sofort fest und seitdem sitzt er in Haft.
Das Georgien, in welches Saakaschwili 2021 zurückkehrte, hatte sich außenpolitisch umorientiert. Mit Iwanischwilis Amtsantritt begann die Aussöhnung mit Russland. Seit dem Jahr 2012 trafen sich hochrangige Vertreter beider Seiten und 2019 kam es zu einem ersten Treffen der Außenminister beider Länder. Trotz des Drucks aus der Ukraine und dem Westen verhängte die Regierung in Tiflis nach 2014 keine Sanktionen gegen den nördlichen Nachbarn.
Die Verbesserung der Beziehungen waren auch wirtschaftlich unterfüttert: Von 2012 bis 2019 verzehnfachte sich der georgische Export nach Russland und die Einfuhren aus dem Nachbarland in die Kaukasusrepublik verdoppelten sich. Russland gewann zudem durch Visaerleichterungen wieder an Attraktivität als Ziel georgischer Arbeitsmigranten, die nach der Griechenlandkrise bereit waren, nach neuer Arbeit im Ausland zu suchen.
Trotz der Wiederannäherung an Russland blieb die georgische Regierung beim Ziel der Westintegration. Im September 2014 trat ein tiefes Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union in Kraft. Im Jahr 2018 begannen darüber hinaus Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA.
Zwei Jahre später begann die georgische Regierung, mit israelischen Vertretern über den Kauf eines neuen Flugabwehrsystems zu verhandeln. Zwar gab es eine relative Annäherung an Moskau – aber die Westintegration wurde nicht aufgegeben. Bis heute unterhalten Moskau und Tiflis keine diplomatischen Beziehungen miteinander und die georgische Regierung ist auch nicht vom nationalistischen Diktum der russischen Besatzung Abchasiens und Südossetiens abgerückt.
Statt einer einseitigen Annäherung an irgendeine Macht navigiert Tiflis zwischen den Großmächten China (u.a. über das Projekt "One Belt, One Road"), der EU, Russland und den USA sowie kleineren Mächten wie der Ukraine, dem Iran, Israel und der Türkei. Für Neokonservative im Westen und die georgischen Nationalisten ist solch ein kompliziertes Austarieren jedoch schon eine gefährliche Annäherung an Russland.
Bis in die Gegenwart ist Saakaschwili eng mit den Neocons verbandelt. Für die Regierung in Tiflis das Fass zum Überlaufen brachte eine von der US-Regierung veröffentlichte Meldung der Anwaltskanzlei Akerman LLP von Anfang Februar.
Das Unternehmen mit über 100 Büros in den USA hatte über 900.000 US-Dollar von Saakaschwilis Mutter Giuli Alasania erhalten, um den Ex-Präsidenten durch Lobbying, Medienkampagnen und die Veröffentlichung gezielter medizinischer Erkenntnisse aus dem Gefängnis zu befreien. Unter anderem soll Akerman LLP ausländische Würdenträger, sogenannte Vordenker, Nichtregierungsorganisation und vor allem US-Diplomaten auf Saakaschwilis Haft aufmerksam machen. Die Meldung gab es nur, da das Registrierungsgesetz für Auslandsvertreter ("Foreign Agents Registration Act", Fara) das vorschreibt.
Um zu verhindern, dass vom Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen in die georgische Innenpolitik hineinregieren, brachte der "Georgische Traum" im Parlament zwei Gesetze auf den Weg, die sich am Fara orientierten – jedoch noch nicht einmal so weit gingen wie das US-Gesetz.
NGOs spielen in verarmten post-sowjetischen Republiken eine herausragende Rolle: Aufgrund des Einflusses vom Ausland finanzierter NGOs galt Kirgisistan in den 1990er-Jahren als "globalisiertes Protektorat". Auch in der Ukraine nach dem Putsch des Jahres 2014 spielten neoliberale NGOs, die mit internationalen Vertretern über Bande interagierten, eine bedeutende Rolle.
Solch einer zu starken Rolle aus dem Ausland finanzierter Organisationen wollte die georgische Regierung – vor allen angesichts der engen Verbandelung Saakaschwilis mit den Neocons – einen Riegel vorschieben.
Doch dagegen mobilisierten die nationalistische Opposition und neoliberale NGOs. Sie brandmarkten das nach US-Vorbild entworfene Gesetz als "russisches Gesetz" und organisierten Demonstrationen. Auf denen schwenkten dann Protestierer EU-Fahnen, während Nationalisten dazu aufriefen, das abtrünnige Abchasien zu erobern. Beobachter zogen schon Parallelen zu den Maidan-Protesten.
Im Westen sprangen viele Journalisten und Politiker auf den Zug auf und malten den Teufel an die Wand: Georgien drohe in Richtung Russland abzudriften. Die deutsche Außenministerin reiste nach Tiflis, um "deutlich [zu] machen, dass Deutschland rundum zur europäischen Perspektive Georgiens" stünde.
Aufgrund des Drucks von innen und außen zog die Regierungsmehrheit im Parlament das Gesetz zurück. Die Gefahr, dass die nationalistische Opposition und neoliberale NGOs versuchen, über die ausländische Bande zu spielen, besteht weiterhin.
In Berlin, Brüssel und Washington wird das bestimmt nicht ungern gesehen, da somit die immer eigenständigere georgische Regierung – die sich auch nach dem Beginn des Ukrainekriegs gegen Sanktionen gegen Russland stellt – unter Druck gesetzt zu werden. Eine außenpolitische Neuorientierung Georgiens in Richtung Moskau drohte zu keinem Zeitpunkt.