Fällt Georgien jetzt wirklich an Moskau?

Seite 2: Georgische Offensive gegen abtrünnige Gebiete scheiterte

Die Planung für diesen Vorstoß entwarfen Militärs des Kaukasuslandes gemeinsam mit internationalen Militärberatern. Als Vorlage diente die kroatische "Operation Sturm" des Jahres 1995. Saakaschwili hoffte, mit der Rückendeckung der Neokonservativen in der US-Regierung sein Ziel zu erreichen.

Es kam ganz anders: Die russische Armee schlug zurück und vertrieb die georgischen Truppen aus Abchasien und Südossetien. Moskau erkannte daraufhin die Unabhängigkeit der beiden Sezessionsrepubliken an und verhinderte somit eine Aufnahme Georgiens in die Nato, da Beitrittskandidaten keine Grenzkonflikte haben dürfen.

Tiflis erklärte die abtrünnigen Republiken zu russisch-besetztem Gebieten – was zumindest strittig ist. Die EU und USA schlossen sich dieser georgisch-nationalistischen Lebenslüge an.

Innenpolitisch geriet Saakaschwili immer mehr in die Defensive. Ein autoritärer Führungsstil und Korruption auf höchster Ebene sorgten für Unmut. Infolge der Weltwirtschaftskrise sackte dann auch noch das Bruttoinlandsprodukt um ein Fünftel ab. Letztendlich stürzte der Nationalist über einen Skandal wegen der Misshandlungen Gefangener durch die Polizei.

Das Ende von Saakaschwilis Herrschaft läutete 2011 die Ankündigung Bidsina Iwanischwilis ein, eine eigene Partei zu gründen. Einst mit dem Präsidenten verbündet, wandte sich der Oligarch nach dem Kaukasuskrieg von dem Staatsoberhaupt ab. Iwanischwili gründete das politische Bündnis "Georgischer Traum" um die gleichnamige Partei und das Bündnis gewann die Parlamentswahlen 2012.

Iwanischwili selbst wurde Premier und einer seiner Verbündeten gewann die Präsidentschaftswahl 2013. Der mächtigste Oligarch des Landes hatte nach der politischen Macht gegriffen und konnte sie im Handstreich nehmen.

Wirtschaftlich hatten radikal neoliberale Maßnahmen unter Saakaschwili das Land ruiniert. Viele Industriebetriebe gingen angesichts der Konkurrenz aus dem Westen in Konkurs. Im Jahr 2011 rückten zum ersten Mal gebrauchte Autos zum Hauptexportgut auf.

Neben dem Bergbau und den Überweisungen von Arbeitsmigranten aus dem Ausland manifestierte sich somit der wirtschaftliche Charakter des Landes. Die Geldverschickungen von Arbeitsmigranten erlebten einen Dämpfer, als Griechenland zur Austerität gezwungen wurde – in dem südosteuropäischen Land lebte damals mit 150.000 Georgiern die größte georgische Community in der EU. Das Griechenland-Austrittsdiktat brachte auch Georgien in die Bredouille.

Offiziell zog sich Iwanischwili 2013 aus der georgischen Politik zurück, agiert aber bis heute weiter als Strippenzieher seiner Partei. Sein Konkurrent Saakaschwili entzog sich der juristischen Aufarbeitung seiner autoritären Präsidentschaft und floh 2013 zunächst in die USA. Seine nationalistische Partei spaltete sich mehrmals.

Nach dem Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 versuchte sich Saakaschwili als ukrainischer Regionalpolitiker, amtierte anderthalb Jahre als Gouverneur der Schwarzmeerregion Odessa und verlor parallel die georgische Staatsbürgerschaft. Nachdem er in Odessa auch gescheitert war, verlor er für zwei Jahre auch noch den ukrainischen Pass. Seitdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ihm diesen zurückgab, ist Saakaschwili, der Anführer der georgischen Nationalisten, ausschließlich ukrainischer Staatsbürger.