Fahrverbote vom Tisch: Was die FDP mit diesem Coup erreicht hat
Aufreger-Szenario zeigt Wirkung: Klimaschutzgesetz aufgeweicht. Umwelthilfe kündigt neue Klagen an. Warum auch dadurch keine Fahrverbote drohen.
Die Wochenend-Fahrverbote für Privatautos, die nie ernsthaft zur Debatte standen, sind seit Montagnachmittag vom Tisch. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte damit "gedroht", ohne sie selbst zu wollen.
Kritische Stimmen aus Klimabewegung und Umweltverbänden behaupten, er habe mit dem populistischen Aufreger-Szenario nur Druck erzeugen wollen, um die Grünen in der Ampel-Koalition zur Aufweichung des Klimaschutzgesetzes durch Streichung der Sektorziele zu bewegen, nachdem sein Ressort sie nicht eingehalten hatte.
Fahrverbote: Es kommt nicht, was niemand ernsthaft vorhatte
Jedenfalls zeigte sich die FDP zufrieden mit der Einigung: "Durch die Abschaffung der jährlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz ist sichergestellt, dass es keine Fahrverbote geben wird", verkündete am Montag FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler.
"Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße, denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden", fügte er hinzu.
"Damit braucht es nun keine teuren und aktionistischen Sofortprogramme mehr", freute sich die FDP-Fraktion auf der Plattform X.
Expertenrat sieht Versagen im Verkehrs- und Gebäudesektor
Im Ampel-Kabinett soll demnach ein "Leistungsprinzip" gelten, das die FDP im Schulbereich eher nicht befürworten würde, denn dann würde nur noch die Durchschnittsnote einer Klasse über das Sitzenbleiben entscheiden. Im Zweifel muss Wissing dann keine eigenen Fortschritte bei der Emissionsminderung im Verkehrsbereich vorweisen. 2028 soll außerdem überprüft werden, "ob auch die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz abgeschafft werden können", so Köhler.
Ein von der Bundesregierung selbst einberufender Expertenrat für Klimafragen hatte ihr gerade erst in einem Prüfbericht zu den klimarelevanten Emissionsdaten des Jahres 2023 bescheinigt, vor allem auf den Sektoren Verkehr und Gebäude zu versagen.
Fahrverbote und Alternativen: "Wissing und Lindner lügen"
"Wie groß die Panik in der Regierung deswegen ist, zeigt sich an den durchschaubaren Fahrverbots-Manövern der FDP-Minister Wissing und Lindner am vergangenen Wochenende", kritisierte am Montag die Deutsche Umwelthilfe: e. V. Fahrverbote seien nicht nötig, um die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten.
"Wissing und Lindner lügen: Denn es gibt natürlich sofort wirksame Klimaschutzmaßnahmen, die viel weniger einschneidend sind, die überall auf der Welt bereits laufen und die durch eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung gewollt sind", betonte die Umwelthilfe.
Tempolimits und Wegfall des Dienstwagenprivilegs
Vergeblich hatte die Organisation die Koalitionspartner SPD und Grüne aufgefordert, sich "nicht erpressen zu lassen, sondern stattdessen jetzt sofort ein Tempolimit 100/80/30 einzuführen, das mehr als elf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen würde".
Wenn zudem "klimaschädliche Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg" abgeschafft würden, wäre dies "ein großer Schritt in die richtige Richtung für den Verkehrssektor".
Die Umwelthilfe kündigte für den 16. Mai weitere Klimaklagen an, um dieses Anliegen durchzusetzen. Neben dem Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 sieht sich die Organisation in durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz von vergangener Woche in ihrer Haltung bestätigt.
Rechte von Jung und Alt: Gerichte und das Klima
Der Klima-Beschluss hat bislang in der Praxis nicht zu mehr Verbindlichkeit in Sachen Klimaschutz geführt. Das höchste deutsche Gericht hat zwar festgestellt, dass die Freiheitsrechte der jungen Generation verletzt werden, wenn die Regierenden weiterhin hohe Emissionsminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 verschieben, weil dann drastischere, nicht mehr "freiheitsschonende" Maßnahmen nötig werden. Dazu könnten dann beispielsweise auch Fahrverbote gehören.
Einen konkreten Maßnahmenkatalog zur Vermeidung dieser späteren Notlage gab das Gericht jedoch nicht vor. Konkretere Verpflichtungen dürften demnach Gegenstand weiterer juristischer Auseinandersetzungen sein.
Das EGMR-Urteil bezieht sich dagegen auf die Rechte älterer Menschen, die durch zunehmende Hitzewellen in ihrer Lebensführung eingeschränkt und gefährdet sind. Die praktischen Konsequenzen sind bisher noch unklar.