Fake Science? Die Sache mit den Raubverlagen
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Über gute Wissenschaft und die Privatisierung öffentlicher Mittel
Publizieren, von lateinisch publicare = veröffentlichen, ist ein Wesensmerkmal der Wissenschaft. Neue wissenschaftliche Kenntnisse sollen nicht nur den Fachkollegen und potenziell für den Fortschritt der ganzen Menschheit zur Verfügung stehen, sondern durch die Veröffentlichung auch überprüfbar werden. So würden langfristig Fehler aufgespürt, entfernt und dann gesicherte Erkenntnis übrig bleiben.
So weit die Theorie. In der Praxis haben große Verlagshäuser wie Elsevier (laut Wikipedia rund 2,5 Milliarden Pfund Jahresumsatz), Springer Nature (rund 1,6 Milliarden Euro), Taylor and Francis (rund 530 Millionen Pfund) oder Wiley (rund 1,7 Milliarden Dollar), die die Veröffentlichungen traditionell organisieren, große Umsätze und damit auch große Profitinteressen.
In Zeiten des Internets und des e-Publishings wird deren Rolle zunehmend in Frage gestellt. Immer mehr Zeitschriften erscheinen nur noch online. Und selbst bei denjenigen, die noch als Papierversion zirkulieren, spielt sich für die Wissenschaftler das Wesentliche in den Vorab-Veröffentlichungen online ab. Bis die Druckausgabe erscheint, sind die Studien mitunter schon längst Schnee von gestern.
Das Renommee zählt
Das wirft natürlich die Frage auf, wofür Wissenschaftler die Verlage überhaupt noch brauchen. Können sie das nicht selbst viel günstiger und effizienter organisieren? Das Hauptargument für den Status quo ist das Renommee, das die Zeitschriften über die Jahrzehnte, teilweise seit über hundert Jahren aufgebaut haben. Nature feiert beispielsweise nächstes Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum. Und für die wissenschaftliche Karriere ist es wichtig, in den renommierten Medien zu publizieren.
Für dieses Stückchen Renommee bezahlen die Forscher einen hohen Preis: Nicht unbedingt monetär, denn die Zeitschriften kaufen üblicherweise die Bibliotheken der Forschungseinrichtungen, sondern rechtlich. Die Verlage verlangen nämlich in der Regel die Exklusivrechte für die Verwendung der Artikel. Streng genommen dürften die Autoren mitunter ihre eigenen Arbeiten nicht einmal in der eigenen Lehre verwenden, ohne dafür Lizenzgebühren zu bezahlen.
Zwar haben sich inzwischen vielerorts auch Fair-Use-Prinzipien durchgesetzt, dass die Wissenschaftler beispielsweise die letzte Fassung ihres eingereichten Manuskripts olinne hochladen und so mit anderen teilen dürfen. Die sieht dann aber nicht so schön aus wie die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift.
Privatisierung des Öffentlichen
Das ändert auch nichts an der absurden Situation, dass die Manuskripte in der Regel durch öffentliche Mittel finanziert wurden, dass öffentliche Einrichtungen für die Abonnements bezahlen müssen, dabei die Profite aber zu hundert Prozent in private Hände fließen, eben die der Eigentümer der Verlagshäuser.
Wer also den Content wesentlich produziert, der bekommt bestenfalls ein Stückchen Renommee, doch keinen Krümel vom finanziellen Kuchen. Und trotz alledem kann die Öffentlichkeit nicht immer problemlos auf die Früchte der Wissenschaft zugreifen und werden selbst die Angehörigen der Forschungseinrichtungen regelmäßig durch Paywalls genervt.
Jeder kennt das, dass man bei Kollegen inoffiziell per E-Mail um eine Kopie des Artikels fragt oder selbst gefragt wird, weil sich die eigene Institution den Zugang nicht leisten kann.
Umstrittene Geschäftspraktiken
Dabei haben sich auch einige der Verlage nicht unbedingt mit wissenschaftsfreundlichen Geschäftspraktiken hervorgetan. Allen voran geriet der niederländische Verlag Elsevier, in dessen rund 2.500 Fachzeitschriften jährlich über 400.000 Artikel erscheinen, immer wieder in die Kritik.
Zurzeit sind gar tausende deutsche und schwedische Forscher von dessen neuen Publikationen abgeschnitten, wie Nature jüngst berichtete. Grund dafür sind ins Stocken geratene Verhandlungen über das Anbieten von Open Access, also freien Zugang für alle.
Telepolis berichtete schon Ende 2016 über Kritik an dem Verlagshaus (Wissenschaftsjournale: Boykott, Verhandlungen und Vorwurf des Missbrauchs der Marktmacht), das auch schon öffentliche Repositorien für wissenschaftliche Publikationen verklagte (Sieg ohne Wert gegen die Schattenbibliotheken?).
Großer Streit, große Profite
Dabei muss man sich vor Augen führen, dass in Zeiten öffentlicher Kürzungen auch Forschungseinrichtungen und deren Bibliotheken mit immer knapperen Mitteln auskommen müssen, während der niederländische Verlag zwischen 30% und 40% Gewinne einfährt. 2015 waren das rund 760 Millionen Pfund.
So mancher Verlag hätte also sicherlich Spielraum dafür, der Forscherwelt entgegenzukommen. Stattdessen erhöhen sie lieber Jahr für Jahr die Kosten ihrer Abonnements. Im aktuellen Streit geht es darum, dass Elsevier lieber Verträge mit jeder einzelnen Forschungseinrichtung abschließt, die wissenschaftliche Seite sicher aber zum Beispiel im Projekt DEAL zusammengeschlossen hat, um bessere Konditionen für alle zu erreichen.
Als Druckmittel geloben manche Forscher sogar, nicht mehr mit Elsevier zusammenzuarbeiten. Dabei ist dem Verlagshaus bewusst, dass eine Einigung mit der deutschen Initiative auch Folgen für die Vertragsgestaltung in anderen Ländern hätte. Man fürchtet wohl einen Dammbruch. Allerdings werden in solche Verträge aber nicht selten Geheimhaltungsverpflichtungen aufgenommen.
Diskussion um "Fake Science"
So weit so schlimm. In jüngster Zeit haben sich Journalisten aber unter der Überschrift der "Fake Science" andere Praktiken vorgeknöpft. So sollen mindestens 5.000 deutsche Wissenschaftler in Online-Zeitschriften publiziert haben, die sich nicht an die Qualitätskriterien wissenschaftlicher Praxis halten.
Diese Verlage würden, kurz zusammengefasst, Veröffentlichungsplätze für Geld verkaufen, die zwar wissenschaftlich aussehen, es aber nicht sind. Die Wissenschaftler könnten so ihre Publikationslisten verlängern und mutmaßlich ihren Status verbessern.
Korrekt ist, dass man als Forscher regelmäßig Mails erhält, die einen zu solchen Veröffentlichungen oder auch Konferenzvorträgen einladen. Wie bei Scam-Mails, die einem Passwörter abluchsen wollen, sehen diese Einladungen und auch die Namen der Zeitschriften mitunter täuschend echt bzw. seriös aus.
Wer aber mitunter mehrere tausend Euro in die Veröffentlichung steckt, ohne die Seriosität des Mediums zu kontrollieren, der ist schon sehr naiv. Dabei wissen die Forscher in aller Regel, welche Zeitschriften in ihrem kleinen Spezialgebiet die üblichen Publikationsmedien sind. Wer trotzdem so fahrlässig mit seinen Manuskripten umgeht, dessen Forschung ist wahrscheinlich auch nicht gerade sehr hochwertig.
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