Fall Mollath: "Der Schaden für die Justiz ist sehr groß"

Seite 2: Das Wichtigste wäre, dass das Gefühl bleibt, Herr Mollath habe ein korrektes Verfahren erhalten

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Ihre Aussagen lassen nichts Gutes an dem Beschluss. Warum hat ihrer Meinung nach das Landgericht in Regensburg so entschieden?

Jan Bockemühl: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicherlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten. Die eine wäre, dass sich das Landgericht Regensburg um eine wirkliche Entscheidung hat "drücken" wollen, nachdem nunmehr mit einer Beschwerde und Entscheidung durch das Oberlandesgericht Nürnberg zu rechnen ist. Hinzu kommt aber auch - und dieses macht meines Erachtens jeder Satz der Entscheidung deutlich - dass hier die Entscheidungsgründe davon beseelt sind, der Rechtskraft und der damit vermeintlich verbundenen Rechtssicherheit einen Vorrang gegenüber einem neuen Verfahren einzuräumen. Dieses ist ein Grundfehler in der Ausgestaltung des Wiederaufnahmerechtes.

Wie meinen Sie das?

Jan Bockemühl: Der Gesetzgeber hat sich tatsächlich in den Vorschriften der Strafprozessordnung dahingehend entschieden, dass nur in Ausnahmefällen ein zu beanstandendes Urteil gekippt und das Verfahren erneuert, d. h. wieder aufgenommen wird. Diesem "Ausnahmecharakter des Wiederaufnahmerechts" wird die Entscheidung in frappanter Art und Weise gerecht, ohne hier allerdings zu berücksichtigen, dass zumindest im Zulässigkeitsprüfungsverfahren im Zweifel für die Zulässigkeit zu entscheiden ist.

Glauben Sie wirklich, dass das Gericht mit einer bestimmten Absicht an die Wiederaufnahmeanträge rangegangen ist?

Jan Bockemühl: Hinsichtlich der Frage, welche "Absicht" die drei Richter des Landgerichtes Regensburg getrieben hat, kann ich nur spekulieren. Allerdings - und ich glaube da stehe ich nicht alleine - kann man zwischen den Zeilen durchaus entnehmen, dass zumindest hier die Entscheidung davon getragen war, dass man im Zweifel zu Ungunsten der Wiederaufnahme zu entscheiden bereit war.

Sie verfolgen den Fall Mollath schon länger. Wie bewerten Sie die Fehlerkultur der Behörden in dem Fall?

Jan Bockemühl: Die Fehler-"Kultur" ist eher eine Kultur bzw. der Versuch des "Ausbügelns" in dem man etwas gesund betet. Es hätten den Behörden gut zu Gesicht gestanden, hier zu sagen: Ja, es sind eindeutige Fehler geschehen und im Zweifel lassen wir diese in einem neuen Verfahren überprüfen. Welches Ergebnis am Ende dieser Überprüfung steht, kann dahinstehen.

Das Wichtigste - und dieses würde tatsächlich Rechtsfrieden auch in der Bevölkerung schaffen - wäre, dass das Gefühl bleibt, Herr Mollath hat ein korrektes Verfahren erhalten. Dieses mache ich unter anderem an einem Punkt fest. Wenn auf Seite 42 der Entscheidung des Gerichtes davon gesprochen wird, dass die Frage, welche Richter im Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth über Herrn Mollath zu Gericht saßen, zwar falsch beurteilt wäre, aber es sich hierbei "nicht um einen elementaren Rechtsverstoß" handeln würde, ist dieses nicht nachvollziehbar. Die Gerichtsbesetzung ist schon deswegen nicht belanglos und kann nicht hoch genug angesetzt werden, da es sich hierbei um eine einzufordernde Gerichtsgarantie, um ein Justizgrundrecht, nämlich das Justizgrundrecht des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes handelt.

Aus ihrer Sicht: Hat Herr Mollath überhaupt noch eine Chance auf faires rechtstaatliches Verfahren in Bayern?

Jan Bockemühl: Es bleiben jetzt nur noch die Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichtes Regensburg. Ein rechtsstaatliches Verfahren, welches auch dann geeignet wäre, noch ansatzweise Rechtsfrieden zu schaffen, wäre nur nach meinem Dafürhalten durch die Wiederaufnahme des Verfahrens herzuleiten.