Fantasmen der Gerüchte-News: "Ganz Frankreich brennt"

Seite 2: Anti-muslimisches Foto-Kino mit Anleihen aus Frankreich

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Der ZeroHedge-Artikel ist nach dem gleichen Muster gestrickt wie die oben genannten zu den französischen Krawallen, bis hin zur Parallele, dass bis gestern Nacht ein Foto zur Illustration der Gewalttätigkeiten verwendet wurde, das von den französischen Unruhen aus dem Jahr 2005 stammt, ein Klassiker (hier), der suggerierte, dass sich solches in der schwedischen Krawallnacht zutrug.

Screenshot ZeroHedge, 21. Febr. 2017 20:25:22 GMT

Mittlerweile wurde das Foto aus dem Artikel entfernt. Es war wohl als "Ikone" für die französischen Unruhen im Jahr 2005 zu bekannt. Dies deutet wie anderes im Artikel darauf hin, dass er vor allen Dingen auf Zuspitzung angelegt ist, auf die Botschaft der "gefährlichen Muslime in den Vorstädten".

Anderes wird in den Hintergrund gedrängt

Dahinter stecken zwei ungute Phänomene. Zum einen, dass Leitmedien mit ihrer Art, die Wirklichkeit nach einer politischen Botschaft zu formen (siehe exemplarisch Beispiel die Ukraine-Berichterstattung oder die über Syrien), sehr viel Glaubwürdigkeit verloren haben, so dass sie den Boden für political fiction, hier in Gestalt von Thrillern, maßgeblich mit bereitet haben.

Zum anderen das Aussparen von Wirklichkeitsverhältnissen, die nicht in den gezimmerten Rahmen passen. Zum Beispiel: die Arbeitslosigkeit, die sowohl in den französischen Vorstädten wie Aulnay-sous-Bois wie auch im Stockholmer Stadtbezirk Rinkeby das Leben eines Großteils der Bewohner prägen. Durch die Betonung der Konfession und der Herkunft wird das in den Hintergrund gedrängt.

Die Krawalle in Frankreich haben sich seit einiger Zeit gelegt, weswegen an dieser Stelle auch kein neuer Artikel dazu erschienen ist. Die französische Regierung war wie die Polizei zwischenzeitlich beunruhigt, dass sich die Ausschreitungen infolge des Falls Théo ausweiten. Momentan sieht es nicht danach aus. Fürs Wochenende werden Demonstrationen in Paris erwartet.

"Mit Kühlschränken auf Polizisten" - Gewalt in Aulnay-sous-Bois

Wie kompliziert die Wirklichkeit, die zu Gewaltausschreitungen führt, ist, wird in einem gut recherchierten Artikel von Médiapart (leider mit Zahlschranke) anschaulich.

Dort erfährt der Leser, dass das gewalttätige Verhalten der Polizei eine langjährige Praxis ist, die im Viertel, wo sich der Fall Théo ereignete, jedem bekannt ist. Für "Auswärtige" ist das ein Schock, zu dem gehört, dass Polizeivorgesetzte das offene Geheimnis derart gut zu decken wissen, dass die Praktiken nur selten vor Gericht kommen.

Zur Wirklichkeit in Aulnay-sous-Bois gehört aber auch eine andere Seite, die bislang nur Marine Le Pen laut angesprochen hat: die Seite der Polizei. In dem Département wurden nach Recherchen von Mèdiapart im Jahr 2016 über 200 Polizisten verletzt. Das sei eine weitaus größere Zahl als in den umliegenden Départements.

Polizisten hätten Angst, dass man auf sie schießen könnte oder, wie ein spektakulärer Satz in diesem Artikel lautet, dass man "einen Kühlschrank auf sie werfe", während sie im Einsatz sind. Das heißt, dass sich dort die gegenseitige Gewalt über die letzten Jahrzehnte hochgeschraubt hat. Aulnay-sous-Bois gilt nicht gerade als Traumziel für Polizisten.

Die harte Linie - kein Erfolgsmodell

Nun ist es so, und dies wäre dem Vorschlag von Le Pen - die die Polizei moralisch und mit Ausrüstung aufrüsten will und die sich unbedingt hinter die Polizei stellt - entgegenzuhalten, dass dort schon seit einigen Jahren eine harte Polizeipolitik verfolgt wird. Der Polizeichef ist berüchtigt für seine harte Linie. Festzustellen ist aber, dass auch die Politik der Härte wenig ausrichtet, wenn das durch wirtschaftliche Verhältnisse angespannte Klima überschäumt. Ihr Präventionspotential ist recht schnell erschöpft, wie man sehen konnte.

Mit der Lesart, hier einzig aufgebrachte Muslime am Werk zu sehen, wie dies von den oben genannten Berichten vorexerziert wird, ist überhaupt keine Erkenntnis gewonnen, höchstens ein Zittern im Rückgrat, wie dies Nabokov bei seinen Vorlesungen als Kennzeichen von Literatur ausgewiesen hat. Als Anfang der Literatur nannte er einen Jungen, der gelaufen kam und schrie, dass ihn ein Wolf verfolgte, ohne dass dem so war. "Den armen Kerl fraß später ein wirkliches Untier, weil er zu oft log".