Fast alle Organe im Körper sind betroffen

Seite 2: Die Lungen sind der erste Hauptkampfplatz

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In den Lungen enden die immer kleineren Verästellungen des Bronchialbaums in winzigen Säckchen, den Alveolen, in denen der Gasaustausch stattfindet. Diese sind mit einer einlagigen Zellschicht, den sogenannten Alveolar-Epithelien, ausgekleidet, die an ihrer Oberfläche ebenfalls viele ACE2-Rezeptoren aufweisen.

Normalerweise gelangt der Luft-Sauerstoff von den Alveolen in die Kapillaren. Das sind kleinste Blutgefäße, die die Alveolen umgeben. Von dort wird der Sauerstoff mit dem Blutfluss im ganzen Körper verteilt. Da aber das Immunsystem das angreifende Virus in den Alveolen bekämpft, kann diese Schlacht zu einer Unterbrechung der ungestörten Sauerstoffaufnahme führen.

Auf dem Schlachtfeld treten weiße Blutzellen auf, die entzündungsfördernde Chemokinine freisetzen, die weitere Immunzellen anlocken. Diese können die mit dem Virus infizierten Zellen abtöten und hinterlassen damit einhergehend im Lungengewebe ein Gemenge von Flüssigkeit und toten Zellen- den sogenannten Eiter.

So entwickelt sich dann eine so genannte atypische (virusbedingte) Lungenentzündung, die mit entsprechenden Symptomen wie Husten, Fieber und einer beschleunigten, flachen Atmung einhergeht. Einige Covid-19-Patienten erholen sich davon wieder unter der alleinigen Gabe von Sauerstoff über eine Nasensonde.

Aber bei anderen kommt es, oft sehr plötzlich, zu einer deutlichen Verschlechterung der Atemsituation.

Diese Patienten können dann ein ARDS, ein sogenanntes Akutes respiratorisches Distress-Syndrom mit typischen MRT-Bildern ihrer Lungen entwickeln. Diese zeigen dann charakteristische weißliche Aufhellungen in beiden Lungen, wo normalerweise eine dunkle Zeichnung das Vorhandensein von Luft anzeigt.

Die meisten dieser Patienten enden an Beatmungsgeräten und nicht wenige sterben trotzdem. Bei der Sektion zeigt sich dann, dass die Alveolen dieser Patienten ausgefüllt sind mit einer Flüssigkeit, bestehend aus weißen Blutzellen, Schleim und zerstörtem Lungengewebe.

Obwohl die Lungen das erste und wichtigste Organ sind, in dem die Zerstörung durch das Virus beginnt, können viele weitere Organe betroffen sein. Das gilt vor allem für das Herz und die Blutgefäße, die Nieren, das Gehirn und den Darm.

Kommt es zu einem bedrohlichen Cytokin-Sturm?

Einige Kliniker vermuten, dass die treibende Kraft der Schädigung bei vielen schwer kranken Patienten in einer Hyperreaktivität des Immunsystems bestehe, die unter der Bezeichnung Cytokin-Sturm schon lange bekannt ist und bei vielen anderen schweren Infektionen auftreten kann.

Cytokine sind chemische Signal-Moleküle, die normalerweise eine gesunde Immunantwort begleiten. Bei einem Cytokin-Sturm steigen jedoch die Serumspiegel von bestimmten Cytokinen weit über das notwendige Maß hinaus an und die Immunzellen beginnen, das gesunde Gewebe anzugreifen. Dadurch werden die Blutgefäße durchlässig, der Blutdruck fällt ab, Blutgerinnsel bilden sich in den Gefäßen und ein katastrophales Versagen vieler Organe, ein sogenanntes Multiorganversagen, kann die Folge sein.

In einigen Studien haben die Forscher erhöhte Serumspiegel von diesen eine übermäßige entzündliche Reaktion hervorrufenden Cytokinen bei hospitalisierten Covid-19-Patienten gemessen.

Aber nicht alle Wissenschaftler unterstützen diese These. Einer davon ist Joseph Levitt, ein Lungenfacharzt, der auf der Intensivstaion der Medizinischen Hochschule der Stanford Universität in Kalifornien tätig ist.

Zu schnell wird ein Zusammenhang zwischen Covid-19 und einem hyperinflammatorischen Zustand vermutet. Dafür habe ich bisher keine wirklich überzeugenden Daten gesehen.

Joseph Levitt

Er befürchtet auch, dass Bemühungen, die Cytokin-Antwort medikamentös zu dämpfen, negative Folgen haben könnten. Einige derartige Arzneimittel würden bei Covid-19-Patienten getestet. Levitt nimmt an, dass diese Arzneimittel die notwendige Immunantwort des Körpers auf das Virus beeinträchtigen könnten, und es bestehe das Risiko, dass wir die Vermehrung des Virus erlauben, wenn wir die natürliche immunologische Reaktion des Körpers unterdrücken.