Faules Marken-Ei bei Ebay

Ist "Ogg" bald nicht mehr Open Source?

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Unruhe bei Musikliebhabern löst eine aktuell bei Ebay laufende Auktion aus, bei der eine Wortmarke „Ogg“ scheibchenweise zur Finanzierung und Beteiligung an Abmahnungen versteigert werden soll. Eine Abmahnwelle wie im Auktionstext angeregt dürfte vor Gericht zwar keinen Bestand haben. Dennoch ist das „unmoralische Angebot“ bezeichnend für den alltäglich gewordenen Missbrauch des Markenrechts.

Wer eine deutsche Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) anmeldet, die Anmeldegebühr bezahlt und seine Marke nicht vom Patentamt selbst oder einem aufmerksamen Beobachter aufgrund Nichtigkeit (Alltagsbegriff, bereits bekannter Begriff etc.) gelöscht bekommt, genießt nach Eintragung der Marke zehn Jahre Markenschutz und kann gegen andere vorgehen, die den Begriff benutzen.

“Bild der Marke ogg“ in der Ebay-Auktion – bei einer Wortmarke wenig aussagekräftig

Nach fünf Jahren ist allerdings ein Produkt nachzuweisen, für das die Marke benutzt wird, andernfalls ist die Marke allein aufgrund Nichtbenutzung löschbar. Wer jahrelang andere Benutzer eines Begriffs abmahnt, ohne ein vorzeigbares Produkt zu haben oder wem man gar nachweisen kann, dass er einen Begriff allein zum Geldverdienen mit Abmahnungen eingetragen hat, kann die Marke wegen Bösglaubigkeit und/oder Nichtnutzung verlieren (Symicron: Konkurs eines Abmahners).

Am 28. Dezember 2001 hat ein Herr Manfred H. v. A., Diplom-Kaufmann aus Korschenbroich, die deutsche Wortmarke „ogg“ angemeldet, am 15. April 2002 wurde sie eingetragen und am 17. Mai 2002 der Eintrag veröffentlicht. In den folgenden drei Monaten Widerspruchsfrist legte niemand Widerspruch gegen die Marke ein, die damit in den Warengruppen 35, 38 und 42 gültig wurde und im einzelnen folgende Waren und Dienstleistungen umfasst:

Telemarketing, Telefonantwortdienst, E-Commerce Dienstleistungen, nämlich Waren- und Dienstleistungspräsentation und Bestellannahme, Gestaltung von Werbemaßnahmen, Dienstleistungen einer Multimediaagentur, nämlich Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Dienstleistungen eines Callcenters, nämlich Auskunftserteilung, Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, Durchführung von Telefondiensten; Teletextservice, Bereitstellung einer E-Commerce Plattform im Internet, Bereitstellung einer Hotline, Bereitstellung von Internetportalen für Dritte, E-Commerce Dienstleistungen, nämlich Bereitstellung einer Internetplattform; Dienstleistungen einer Multimedia-Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern und Zurverfügungstellen von Software, Daten, Bildern, Audio- und/oder Videoinformationen, Beratung für Telekommunikationstechnik, Betrieb von Suchmaschinen für das Internet, Dienstleistungen einer Internetagentur, nämlich Konzeption, Abwicklung, Wartung und Pflege von Internetinhalten, Konzeptionierung und Erstellung von Internetseiten, Vergabe und Registrierung von Domainnames, Vermietung von Speicherplatz im Internet

Wie man sieht, ist das bekannte freie Audiospeicherformat „OGG“ durchaus im Geltungsbereich dieser Marke, was wohl auch Absicht der Markenanmeldung war.

Eintrag der deutschen Wortmarke 30173507.7 beim Markenregister des DPMA

Am 13. Mai 2005 übergab der Anmelder die Marke einer laut Markenregister in London ansässigen Firma Euroogg Ltd. und am 30. September 2005 um 19.30 abends wurde von einem bislang beim Auktionshaus Ebay nur als Käufer aufgetretenen Verkäufer namens manfred_h. die Ebay-Auktion 7550474209 gestartet, die die wahren Absichten der Markenanmeldung offenbart:

Sie ersteigern hier: Einen 1-prozentigen Anteil an der Firma EUROOGG Ltd. (Sitz in London), die der Inhaber der deutschen Wortmarke ogg sowie der Domains ogg.info und ogg.in ist.

Die Wortmarke ogg wird im deutschen Internet, derzeit ohne jegliche Lizenzierung häufig verwendet. Bei Google werden etwa 500.000 Einträge aus Deutschland gefunden.

Die Wortmarke ogg ist für die Leitklassen 35, 38 und 42 geschützt und umfasst damit unter anderem den Bereich:

„Dienstleistungen einer Multimedia-Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern und Zurverfügungstellen von Software, Daten, Bildern, Audio- und/oder Videoinformationen“

Konkret bedeutet das, dass die Benutzung des Wortes ogg in den geschützten Bereichen nur dann gestattet ist, wenn hierfür einen Lizenz der Firma Euroogg Ltd. vorliegt (Ausnahmen sind im Markenrecht geregelt). Eine unberechtigte Nutzung kann mit einer kostenpflichtigen Abmahnung geahndet werden.

[...]

Potential der Wortmarke und Umsatzaussichten

Wenn sich von den derzeit 500.000 Benutzern der Marke (im deutschen Internet) nach einer freundlichen Aufforderung oder einer kostenpflichtigen Abmahnung nur ein Prozent entscheiden die Marke weiter zu benutzen und dieses eine Prozent nur einen durchschnittlichen Lizenzkostenbeitrag von 50 Euro im Jahr zahlen würde, käme man auf einen Jahresumsatz durch Lizenzierung von 5000 Lizenznehmer mal 50 Euro entspricht 250.000 Euro. Gleichzeitig kalkulieren wir mit einem Kostenaufwand von unter 100.000 Euro pro Jahr (angestellter Rechtsanwalt, Sekretärin, kleines Büro).

Bitte beurteilen Sie selbst wie realistisch und vorsichtig diese Schätzungen sind.

Der jährlich Gewinn beträgt bei dieser Rechnung demnach 150.000 Euro für das gesamte Unternehmen, für Ihren 1-prozentiger Anteil wären es 1500 Euro. Bei einem Ersteigerungspreis von 2.000 Euro sind das eine jährliche Gewinnerwartung von 75 %.

Unberücksichtigt sind hierbei Einnahmen aus Abmahngebühren.

Zusätzliche Chancen der nahen Zukunft

  1. Mit der eingetragenen Deutschen Marke ogg bestehen gute Chancen den Markenschutz auf Europa durch eine europäische Markeneintragung auszuweiten.
  2. Aufgrund der eingetragenen Wortmarke ogg bestehen gute Chancen die Domain ogg.eu zu erhalten.

Stellen Sie sich vor wie unsere oben aufgestellte Renditerechnung sich auf ganz Europa auswirkt. Ihr Einsatz bleibt gleich – die Gewinnerwartung steigt und steigt.

Was erhalten Sie für Ihr Geld – was geschieht mit Ihrem Geld?

Wir bieten hier 40 einzelne Anteile von jeweils einem Prozent an der Gesellschaft Euroogg Ltd. mit Sitz in London an. Die Anteile werden (nach Ablauf des derzeitigen Geschäftsjahres) in das englische Register „Companies House“ eingetragen.

Konkret gehen 1.200 Euro des Ersteigerungserlöses direkt an die Euroogg Ltd. Damit wird die Kapitalbasis der Euroogg Ltd. verstärkt und die Markenbenutzung und Markendurchsetzung ermöglicht. Der Restbetrag geht nach Abzug aller Gebühren (ebay) an den jeweiligen Altgesellschafter, der Ihnen hierfür einen einprozentigen Anteil der Euroogg Ltd. überträgt.

Für die Bearbeitung und Anmeldung der Eintragung in das englische Register berechnen wir Ihnen zusätzlich zu Ihrem Gebot, Kosten in Höhe von 100 Euro.

Zugegeben – so klar hat noch niemand das Geschäftsmodell eines Abmahners publiziert. Doch damit ist glücklicherweise auch die Marke „ogg“ wertlos geworden, da sie nun eindeutig als „bösglaubig angemeldet“ einzustufen ist. Allerdings ist hierzu erst ein (kostenpflichtiger) Löschantrag beim DPMA einzureichen und wenn dieser zu lange dauert, kann die angekündigte Abmahnwelle durchaus noch anrollen. Doch dürften Abmahnungen aufgrund dieser Marke dann bei Vorlage ihrer Vorgeschichte leichter abzuwehren sein als normale Markenrechts-Abmahnungen. Sollte es sich dagegen um eine Gaunerei anderer Art handeln und der Verkäufer manfred_h nicht identisch mit dem Markenanmelder Manfred H. v. A. sein, so wäre eventuellen Bietern dieser Reinfall zu gönnen. Bei Redaktionsschluss gab es allerdings noch keine.

Ein ziemlich schaler Beigeschmack bleibt auf jeden Fall und lässt befürchten, dass uns demnächst noch mehr derartige A(u)ktionen beglücken werden, die gegebenenfalls besser eingefädelt sind und gezielt Open Source-Projekte angreifen. Es ist ja nicht der erste Versuch.