Fehleinschätzungen: Medien zwischen Trump-Schock und Ampel-Aus

Megafon, US-Flagge als Schalwellen

Presse vor Scherbenhaufen ihrer Prognosen. Trump-Wahl und Ampel-Aus trafen sie unvorbereitet. Wer trägt Schuld an falschen Vorhersagen?

Mit der erneuten Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem Bruch der deutschen Regierungskoalition waren in den vergangenen Tagen auch die Themen für die mediale Selbstreflexion gesetzt: Wie gut oder schlecht haben sie berichtet? Sind sie nur Beobachter und Nachrichtenvermittler oder auch Akteure, die den Lauf der Dinge mitgestalten wollen?

Doch bevor wir darauf blicken, zunächst zu einem wenig medial präsenten Vorgang beim MDR.

Gericht untersagt MDR einzelne Aussagen

Wegen einer unwahren und ehrabträglichen Behauptung soll der MDR laut einstweiliger Verfügung des Landgerichts Berlin II (27 O 260/24 eV) eine Reportage überarbeiten, was derzeit zu deren Depublikation geführt hat.

In der Reihe Exakt – Die Story lief am 4. September ein Beitrag, der auf Youtube (derzeit auf "privat" gestellt) den Titel trug: "Hass auf Facebook – wie Klima-Aktivisten im Internet bedroht werden". Darin sucht Journalist Knud Vetten Autoren vermeintlicher oder tatsächlicher Postings von Gewaltfantasien auf, um sie zur Rede zu stellen. "Wir recherchieren seit Monaten und suchen Täter in der gesamten Republik", heißt es in der Doku.

Darin lesen Betroffene an sie gerichtete oder über sie verfasste Kommentare vor, teilweise handelt es sich wohl auch um direkt zugestellte Nachrichten. Jürgen Resch, einer von drei Geschäftsführern der Deutschen Umwelthilfe, zitiert unter anderem: "Wer bringt den zur Strecke", "erhöhe das Kopfgeld", "Killer anheuern", "dieses Schwein Jürgen Resch wird in Kürze sterben".

Vor die Kamera gerät dann allerdings jemand, dessen Kommentar zu Resch lautete: "Der Klimadiktator". Entscheidend für den Filmautor war allerdings, dass dieser Kommentar direkt unter einem Bild mit Patronen und dem Spruch "Geht ins Ohr, bleibt im Kopf. – Heckler & Koch" stand.

Obwohl der mit vollständigem Namen und Wohnort benannte Mann behauptet, sich nicht an einen solchen Zusammenhang erinnern zu können, wird ihm wiederholt ein solcher unterstellt. Viel Zeit, seine Gedanken zu sammeln, hatte er offenbar nicht, er wurde von Vetten auf der Straße angesprochen, bei laufender Kamera.

Auf den Antrag des so Vorgeführten untersagte das Landgericht mit Beschluss vom 18. Oktober 2024 dem MDR mehrere Aussagen in dem Film, die eine absichtliche Verbindung zwischen dem Patronenbild und dem Ausruf "der Klimadiktator" unterstellen.

Immerhin kann er in dem Beitrag kurz ausführen, was er womöglich mit "Klimadiktator" gemeint hat:

Ich protestiere und schimpfe und versuche, den anderen Menschen klar zu machen, dass es hier um ein paar ganz wenige Leute geht, die der großen Mehrheit in Deutschland ihren Willen aufzwängen wollen.

Es folgt der Kommentar des Filmsprechers: "Das Opfer wird zum Täter."

Zu den Umständen, die zur (vorläufigen) Löschung des Beitrags auch in der Mediathek geführt haben, äußert sich der MDR auf seiner Korrekturseite nicht.

Eine MDR-Sprecherin, die namentlich nicht genannt werden möchte, begründet dies so: "Da wir den Vorgang juristisch noch prüfen, ist dieser für uns auch noch nicht abgeschlossen." Bis dahin schauen Interessierte in die Röhre, anstatt dass sie über die einstweilige Verfügung, die Sichtweise des MDR und die bei ihm laufende Prüfung informiert werden.

US-Wahl und Ampel-Aus

Der deutsche Journalismus war letzte Woche vordergründig mit den Reaktionen auf den Wahlausgang in den USA, dem Ende der Ampel-Koalition und dem richtigen Maß an Berichterstattung zu beiden Ereignissen beschäftigt.

Dass Donald Trump erneut amerikanischer Präsident wird, hatten offenbar viele Medien nicht erwartet. Zumindest schienen sie von der Deutlichkeit des Ergebnisses überrascht, schließlich war zuvor vielfach von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede.

Nach dem vorläufigen Ergebnis holte Trump jedoch nicht nur die notwendige Mehrheit der Wahlmänner, sondern auch die Mehrheit aller Wählerstimmen.

Kurz vor der Wahl waren gleich mehrere Medien mit ähnlichen Slogan zur demokratischen Bewerberin Kamala Harris erschienen: "Kann sie die Amerika retten?", fragte die Zeit. Bei der Süddeutschen Zeitung lautete die Frage: "Rettet sie die Welt?"

Vor vier Jahren hatte man sich dort noch mit Äußerlichkeiten beschäftigt:

Kamala Harris ist auf dem Februar-Cover der amerikanischen Vogue zu sehen. Und die Aufregung auf Twitter ist groß. Denn die erste Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten steht in Converse-Turnschuhen und einem unglücklichen Jacke-Jeans-Outfit vor einer Fotowand aus rosa Taft und moosgrünem Samt. Und lächelt in die Kamera, als sei sie beim Hundefriseur erwischt worden.

Süddeutsche Zeitung, Januar 2021

Nun aber lastete auf Harris die Hoffnung der deutschen Medien. Wie schon bei der Trump-Wahl 2016 oder dem Brexit-Referendum im Vereinigten Königreich desselben Jahres hadern viele Journalisten mit den Entscheidungen anderer Wahlvölker.

Es fühlt sich zwar an wie ein Déjà-vu, aber immerhin ist inzwischen etwas klarer, dass das alles kein Unfall war. Vor acht Jahren begann mit der überraschenden Wahl von Donald Trump das Rätseln darüber, wieso so viele Menschen diesen Mann gewählt haben, obwohl er ständig lügt, Dinge erfindet, völligen Unsinn redet, Regeln bricht, die immer gegolten haben, Institutionen und Autoritäten in Zweifel zieht, ja, im Grunde das ganze demokratische System. Heute weiß man, die Menschen haben ihn nicht gewählt, obwohl das alles so ist, sondern genau deswegen.

Ralf Heimann, MDR-Altpapier

Die US-Wahl war "eigentlich das Mega-Ereignis, das die gesamte Nachrichtenwoche hätte einnehmen sollen", meint Johanna Bernklau – doch da platzte die deutsche Regierungskoalition.

Dass auch hierbei die Medien nicht nur berichtet haben, sondern ihr eigenes Süppchen gekocht haben, meint Deutschlandfunk-Journalistin Ann-Kathrin Büüsker im Podcast-Gespräch mit Holger Klein.