Feindbild Döner: Wie die AfD bei der Europawahl punkten will
Parteitag der AfD in Magdeburg. Steigende Umfragewerte sorgen für gute Laune und Panik bei den politischen Gegnern. Doch das Wahlprogramm der Partei steckt voller Widersprüche.
Wären heute Wahlen in Deutschland, hätte die Alternative für Deutschland (AfD) gute Chancen, stärkste Partei zu werden. Im aktuellen INSA-Wahltrend ist ihre Zustimmung auf 22 Prozent gestiegen. Vor ihr liegt nur noch der Parteienblock CDU/CSU mit 26 Prozent. Ohne die bayerische Regionalpartei dürften die Christdemokraten in der Wählergunst hinter der AfD liegen.
Der Höhenflug der rechtspopulistischen AfD in den aktuellen Umfragen sorgt für Unruhe und Kritik bei politischen Gegnern und der Wirtschaft. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bemüht sich um Abgrenzung zu ihr. Die Union sei konservativ, sagte Söder der Welt am Sonntag, sie wolle "bewahren und schützen". Dagegen sei die AfD radikal.
Söder wirft ihr vor, einen anderen Staat zu wollen. Die AfD wolle aus der Nato und der Europäischen Union austreten. "Das hätte zur Folge, dass wir wirtschaftlich unseren Wohlstand massiv verlieren und verarmen", so Söder. Mit der AfD würde Deutschland zu einem Vasallenstaat Putins und Moskaus.
An dieser Stelle hat Söder etwas dick aufgetragen – und einen Vorwurf verwendet, der in Westdeutschland vor allem Linken vorbehalten war: "Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau", wetterten einst Christdemokraten. Heute muss man kein Sozialdemokrat mehr sein, um diesen Vorwurf zu ernten – es reicht offenbar, einen pragmatischen Umgang mit Russland zu fordern.
In München scheint man dem Motto zu folgen: Einer populistischen Partei begegnet man mit Populismus. Doch ob CSU und Christdemokraten in Sachen Populismus mit der AfD mithalten können, dürfte in den kommenden Monaten eine spannende Frage werden.
Eine Kostprobe ihres Könnens gab die AfD am Wochenende, als sie in Magdeburg den ersten Teil ihres Europaparteitags abhielt. Aber auch schon vorher. In einem Entwurf des Europaprogramms heißt es:
Unsere Geduld mit der EU ist erschöpft. Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an und wollen statt ihrer eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen.
Die Parteispitze distanzierte sich eilig von dieser Passage. Die Forderung sei durch ein "redaktionelles Versehen" in den Text geraten, hieß es laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) zur Begründung. Aus Fristgründen sei eine Änderung des Antragstextes vor dem Parteitag nicht mehr möglich gewesen.
Ein Versehen dürfte es allerdings nicht gewesen sein. Bereits in der Vergangenheit forderte die AfD ein "Europa der Vaterländer", ein Konzept, das in der kritisierten Passage zum Ausdruck kommt.
Wie dieses neue Europa aussehen könnte, erläuterte der AfD-Politiker Alexander Jungbluth Ende Juni. Dönerläden und Shishabars sollten demnach aus allen europäischen Ländern verschwinden, wird seine Aussage auf rtl.de wiedergegeben. Er forderte demnach eine "deutsche Kultur in Deutschland, französische Kultur in Frankreich, italienische Kultur in Italien". Dafür erhielt er damals tosenden Applaus und wurde nun auf dem Parteitag auf den fünften Listenplatz gewählt.
Der populistische Charakter dieser Forderung wird im Vergleich zu den wirtschaftspolitischen Forderungen deutlich. Europa soll ein gemeinsamer Markt bleiben, Waren und Kapital sollen weiterhin die Grenzen passieren dürfen. Auch die Arbeitskräfte sollen weiterhin dorthin wandern können, wo das Kapital sie benötigt. Wie lassen sich unter diesen Bedingungen auf Dauer nationale Kulturen erhalten, die von anderen Nationen unbeeinflusst sind?
Hier zeigt sich der populistische Charakter des Konzepts "Europa der Vaterländer". Unklar bleibt aber auch, wie die AfD über Sitze im Europäischen Parlament die Europäische Union umbauen will. Denn das liegt nicht in der Kompetenz des EU-Parlaments.
Trotz offener Fragen und Widersprüche ist die AfD optimistisch. Sie strebt mindestens 20 Sitze im Europäischen Parlament an. Ob ihr das gelingt, ist fraglich. Denn im Gegensatz zu anderen Parteien dürfte ihr der Geldsegen aus der Wirtschaft verwehrt bleiben. Vertreter der deutschen Wirtschaft machten zuletzt deutlich, dass sie in den Positionen der AfD eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland sehen.
"Die Partei lehnt vieles ab, was für unsere Wirtschaft wichtig ist, etwa Zuwanderung oder den Euro", sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Karl Haeusgen, der Welt vom Samstag. Dies könne zu einem negativen Standortfaktor werden.
Ähnlich äußerte sich der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. Er sagte dem Münchner Merkur am Samstag, die AfD entwickele sich zu einem zusätzlichen Risiko für den Industriestandort. Deutschland lebe von seiner globalen Vernetzung. "Und jede Politik, die diese Vernetzung reduzieren will, schadet dem Wirtschaftsstandort und damit uns allen."
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