Fernsehen machen ist sehr schwer - darüber reden noch viel mehr

Anke Engelke macht demnächst Schmidt

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Was kommt nach Harald Schmidt? Diese Frage stellen sich viele bang, die nicht gemerkt hatten, dass Schmidt in seinen letzten Monaten, nein, eher: Jahren, ziemlich nachgelassen hatte. Seit Herr Andrack neben ihm im Studio saß, entwickelte sich die Sendung zu einem bestenfalls Tagesform-geschönten Flickwerk einer Latenightshow. Die Abwesenheit guter Ideen wurde bisweilen fast körperlich spürbar. Schmidts "Rausschmiss" muss für den Dauer-Talker eine Erlösung gewesen sein. Nun soll also Anke Engelke ihn "beerben". Zeit, die Erwartungen schon mal runterzuschrauben. Einen Einblick in die geplante Show und ihr geistiges Innenleben gab die "Obszönitätenschleuder" in einem Interview mit der ZEIT. Der intellektuelle Offenbarungseid lief unter der reißerischen Überschrift "Anke Engelke über Zensur im Fernsehen, ihre Angst vor den Eltern und die Schuhe von Dieter Bohlen".

Man merkt gleich: die Generation Golf sitzt jetzt an den Schalthebeln der Macht, zumindest in der ZEIT. Worum geht's? "Es geht mir mächtig auf den Zeiger, dass es soviel schlechtes Fernsehen gibt." Dieser Satz aus dem Museum für Meinungen über das Fernsehen bildet die Einleitung zu einer Litanei widersprüchlicher, unnötiger und letztlich auch ganz schön eitler Ausführungen, die man besser unter der Überschrift "Warum sage ich das hier eigentlich alles? Ich hätte besser meine Klappe gehalten" subsumieren könnte. Das eine ist eben das Problem des Fernsehens, das andere ist das Problem der Presse, die über das, was es eigentlich nicht geben müsste, eigentlich auch nicht schreiben müsste.

Zurück zur Fernsehkritikerin Anke Engelke: Aufräumen muss man das Fernsehen, so Anke, und zwar zum Schutze der Kinder. Die kucken nämlich Sonntag Morgen Anke Engelke und das ist ihr gar nicht recht. Da ist sie "eine eisenharte Verfechtering der - Zensur nicht, das ist zu hart. Aber es muss was passieren." Bloß was? Weiß sie auch nicht. Zensur ist härter als Eisen. "Ich habe Pädagogik studiert und wollte eigentlich Lehrerin werden. Das scheint ein Leitmotiv von mir zu sein." Weil in der Schule auch ein Wissen vermittelt wird, das man im richtigen Leben nicht gebrauchen kann? Wir erfahren es nicht. Praktisch Verwertbares ist aus ihr heute nicht herauszubekommen. Ob Fernsehen als moralische Anstalt funktioniert, wird sie gefragt. "Im Idealfall von "Ladykracher" kann das passieren." behauptet sie. "Ladykracher" als moralische Knallfroschfabrik? Muss sie das jetzt sagen oder meint sie es? Weil, es ist nämlich so: "Der wunderbare Filmregisseur" (Name Tutnichtszursache) habe ihr mal gesagt: "Da dreh ich mir 'nen Wolf ein halbes Jahr lang, und du erreichst mehr mit einem Sketch!" Darauf sie: "Ja, Alter, nimm dir mal den Stock aus der Hose, entspann mal ein bisschen und raunz nich' so 'rum!" Alles klar? Es ist doch so einfach.

Wie aber soll das konkret aussehen mit ihrer loungig-entspannten Talkshow? "Da sitzt also 'ne zwölf-fache Mutter und hinterher kommt der lustige Horst Köhler und erzählt, dass er genauso ein Familienmensch ist. Das fänd' ich super!" Gott wie lustig! Das kann ja extrem heiter werden. "Oder da sitzt ein Sportler, dem ich extrem dümmliche Fragen stelle, die aber (?) jeder andere auch gestellt hätte". Punkt. Soweit der aktuelle Stand der Konzeptfindungsarbeiten. Im Mai sollen diese Brüller bereits auf Sendung gehen. Kann es sein, das schlechtes Fernsehen einfach daher kommt, dass Leute permanent etwas machen, zu dem es weder einen Grund, noch einen Anlass gibt, außer der Kohle, die sie damit machen wollen? Nach dem Gesetz von Murphy steigt man auf der Karriereleiter so lange nach oben, bis man eine Position erreicht, die man nicht mehr bewältigen kann. Warum macht sie das?

"Es wäre schön, wenn Sex weiterhin eine große Rolle in ihrer Sendung spielen würde". Nicht gerade eine Steilvorlage des ZEIT-Interviewer-Duos, aber Anke holt sich den Ball dennoch: "Sie sagen das, Alice Schwarzer sagt das, nur meine Eltern sagen es nicht." Also wenn Alice Schwarzer das sagt, diese Sex-Göttin... dann heißt das vielleicht, dass Alice Schwarzer heute dies und morgen das sagt, aber wenn die Eltern dagegen sind, dann sollte man das doch ernstnehmen! Denn sonst, siehe oben, kann man doch auch nicht erwarten, dass die eigenen Kinder einen ernstnehmen, wenn man sie vor schlechtem Fernsehen beschützen will. Ohne Zensur natürlich. Wo ist da die eisenharte Linie? War's das bereits zum Thema "Angst vor den Eltern"? Ja.

Irgendwie können wir uns aber immer noch nicht vorstellen, wie das alles ablaufen, geschweige denn gutgehen soll in Ankes Latenightshow. Sketche müssen her! Wir erinnern uns: auch Harald Schmidt hat seine Show mit vielen Sketchen gestartet. Das war, als die Sendung noch gut war. Ob Ankes Sketche da mithalten können? Schauen wir uns doch mal einen an:

Meine Lieblingsszene, darf ich die mal kurz vorspielen? Am Geburtstag von Miles Davis sitzt Johanna, eine meiner "Ladykracher"-Rollen, im Chanel-Kostüm da und spielt mit ihrem Goldschmuck. 'Miles Davis, ja, das ist doch dieser Negertrompeter. Oh, man darf nicht mehr Neger sagen. Ah, dann darf man wahrscheinlich auch nicht mehr sagen, dass die mehr Rythmusgefühl haben und schneller im 100-Meter-Lauf sind als wir. Was wollen Sie denn von mir? Wieso Klischees?

Ende des Sketches. Brüllendes Gelächter wird unterlegt. Bedrohlich fügt Anke Engelke hinzu: "Am Tag haben wir 80 von den Dingern gedreht". Und die werden womöglich auch noch alle gesendet. Good night! Da wird es für viele bestimmt nicht sehr late in der Nightshow.

Resümee: Hier läuft ein Mensch sehenden Auges in sein Unglück. Zumindest konnte die Frage, woher schlechtes Fernsehen kommt, geklärt werden. Und wie man es verhindert, erscheint nun auch viel klarer: Einfach bleiben lassen! Nimm dir ein Beispiel an Gerhard Polt oder Helge Schneider, Anke! Die machen nicht jeden Abend eine neue Show. Die machen eine neue Show, wenn genügend gute Ideen für eine neue Show da sind. Und das reicht auch völlig.

P.S.: Ach ja, die Schuhe von Dieter Bohlen: Der hat sich anscheinend mal in Anwesenheit der Frau Engelke von seiner Freundin die Schuhe zubinden lassen. Punkt. Das war's auch schon. Schönen Dank.