Fernsehen macht blöd
Wer geistig anregenden Freizeitaktivitäten nachgeht und wenig fernsieht, verringert das Risiko, an Alzheimer zu erkranken
Alzheimer ist eine weit verbreitete Alterskrankheit, die sich zunächst durch Gedächtnisstörungen ab dem sechsten Lebensjahrzehnt bemerkbar macht. Mit dem weiteren Verlust von Neuronen in den Großhirnrinden treten Verlust von Raum- und Zeitorientierung, Aphasie, Apraxie und Agnosie hinzu und verändert sich auch das Wesen der kranken Menschen. Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, dass hoher Fernsehkonsum als Freizeitbeschäftigung das Risiko erhöht, später an Alzheimer zu erkranken.
Robert Friedland, ein Neurologe an der Case Western Reserve University, hat mit Kollegen biographische Informationen von 193 vermutlich oder sicher an Alzheimer erkrankten Menschen (hier wurden Angehörige und Bekannte befragt) und von 358 älteren Menschen gesammelt, die gesund geblieben sind. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag um 70 Jahre. Die Befragung suchte festzustellen, welchen Aktivitäten die Menschen in ihrer Freizeit während ihres Lebens nachgegangen sind. Anhand von 26 solchen Freizeitaktivitäten wie dem Spielen eines Instruments, Lesen, Arbeiten im Garten oder Sport sollte herausgefunden werden, ob intellektuelle und körperliche Aktivitäten sich auf das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, auswirken.
Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß so aus, dass diejenigen Menschen, die im Alter zwischen 20 und 60 Jahren aktiver waren, mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit im Alter an Alzheimer erkranken. Wichtig scheint vor allem die Zeit zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr zu sein. Eine besondere Rolle spielen intellektuelle Beschäftigungen: "Eine relative Zunahme der Zeit", so Friedland, "die man für intellektuelle Aktivitäten zwischen dem frühen Erwachsenenalter (20-39) bis zum mittleren Alter (40-60) aufbringt, war verbunden mit einer signifikanten Abnahme der Wahrscheinlichkeit, im höheren Alter an Alzheimer zu erkranken."
Allerdings gab es bei den Freizeitaktivitäten eine große Ausnahme, wie Friedland in der morgen erscheinenden Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences über die Untersuchungen schreibt: "Bei all den von uns quantifizierten passiven, intellektuellen und körperlichen Aktivitäten waren die Alzheimer-Patienten in der Mitte ihres Lebens in allen Bereichen weniger aktiv, abgesehen von einem Bereich: Fernsehen." Zwar könne Fernsehen auch gelegentlich für geistige Anregungen sorgen, "aber das geschieht wahrscheinlich die meiste Zeit und besonders in den USA nicht, wo die Menschen durchschnittlich vier Stunden täglich glotzen."
Normalerweise also würde Fernsehen das Gehirn nicht aktivieren, sondern in eine Art Trance versetzen: "Wenn man fernsieht, dann kann man sich in einem halbbewussten Zustand befinden, bei dem man nichts lernt." Andere Untersuchungen hatten bereits ergeben, dass höhere Ausbildung mit einem geringeren Risiko einhergeht. Friedland glaubt, dass diese Ergebnisse möglicherweise manche Menschen entmutigt haben, geht aber aufgrund seiner Befragung davon aus, dass es nie zu spät sein kann, sich geistig zu trainieren. Amir Soas, der die Befragung zusammen mit Friedland durchgeführt hat, gibt auch gleich den Rat für diejenigen, die ihr Risiko, an Alzheimer zu erkranken, senken wollen: "Lest, lest und lest. Löst Kreuzworträtsel. Holt Schach oder Scrabble heraus. Lernt eine fremde Sprache oder ein neues Hobby." Und natürlich heißt es auch, den Fernseher auszuschalten: "Wenn Sie fernsehen, dann geht Ihr Gehirn in einen neutralen Zustand über." Über die Beschäftigung mit Computer und dem Internet äußern sich die Wissenschaftler nicht, vermuten darf man aber, dass man hier in aller Regel aktiver sein muss, als wenn man nur die Fernbedienung in der Hand hält und herumzappt.