Filter - Klappe, die Erste
Der Jungfernflug des Filterpiloten ist gescheitert - vorerst: Das Ergebnis des Pilotprojektes macht auf die Bezirksregierung Düsseldorf keinen großen Eindruck
Kurz vor Weihnachten war der Pilotversuch angekündigt worden. In vier Monaten wollten drei Firmen mit der Unterstützung der Uni Dortmund ein Filtersystem entwickeln, das effektiv mit nach deutschem Recht unzulässigen Webseiten aufräumt. Mit Spannung war das Ende der Pilotphase erwartet worden - doch zuerst geschah nichts.
Noch letzte Woche sagte ein Vertreter von Webwasher gegenüber Telepolis, die Auswertung des Pilotversuches werde noch mehrere Wochen beanspruchen. An diesem Mittwoch ließ der Chaos Computer Club jedoch schon die Bombe platzen: der Pilotversuch der Bezirksregierung sei gescheitert, der Zensurversuch der Bezirksregierung hinfällig. Gegenüber der dpa bestätigte der Direktor des Hochschulrechenzentrums (HRZ) der Universität Dortmund, Günter Schwichtenberg den Misserfolg: "Es gibt derzeit keine funktionierende Lösung". Am Donnerstag kommt auch die offizielle Bestätigung der Bezirksregierung.
Wie erwartet sieht die Bezirksregierung die Lage anders: "Das Ergebnis des Pilotprojektes berührt weder den Inhalt noch die Rechtmäßigkeit der Sperrverfügungen", ließ Regierungspräsident Jürgen Büssow verlauten. In den nächsten vier Wochen werde man über die zahlreichen Widersprüche gegen die Sperrungsverfügung der eigenen Behörde entscheiden. Sollten diese abgelehnt werden, steht wohl der Gang vor das Verwaltungsgericht an.
Interessant ist, wie stark sich die Bezirksregierung von dem Projekt distanziert. "Die Entwicklung einer neuen Software zur Sperrung von illegalen Sites wurde aus den Reihen der Provider-Wirtschaft vorgeschlagen", heißt es in der Pressemitteilung. Doch der Vorschlag wäre wohl kaum ohne die Initiative der Bezirksregierung auf den Tisch gekommen. Er kam von den Firmen Webwasher, Bocatel und Intranet, die auch die Umsetzung des Projektes übernahmen. Im Großen und Ganzen sind zwar diese auch der Providerwirtschaft zuzurechnen, von einem breiten Konsens der Branche für diese Lösung kann jedoch nicht gesprochen werden.
Softwareprobleme beim Filtern
Gegenüber Telepolis erläuterte Schwichtenberg die Funktionsweise und die Grenzen des Filterpiloten. Das System besteht aus mehreren Komponenten. Über eine zentrales System werden die indizierten Seiten verwaltet. Die IP-Nummern werden automatisch an die Provider geleitet. Schickt ein Kunde eine Anfrage an eine dieser IPs zum Provider, leitet der sie zur zentralen Filterinfrastruktur weiter. Diese prüft dann, ob mit der Anfrage legale oder illegale Inhalte angefordert werden. Erst dann wird die Internetseite an den Nutzer ausgeliefert - oder auch nicht. Soweit das Konzept.
In der Realität konnte das System auch nach vier Monaten Entwicklungszeit nicht zum Laufen gebracht werden. Schwichtenberg spricht von einem Softwareproblem. Bisher würden die Anfragen zwar erfolgreich zu der zentralen Filterstelle weitergeleitet, die sende aber anschließend die legalen Inhalte nicht an den Nutzer. Ein Problem, das nach Meinung des Experten zu lösen sei, wenn man noch Arbeit in die Entwicklung stecke.
Es gibt aber auch konzeptionelle Grenzen des Filterpiloten. So war in einer dpa-Meldung zu lesen, Büssow wolle an die 6000 Seiten sperren. Mit dem Filterpiloten ist das jedoch unmöglich. Da das System an den Routern der Provider ansetzt, darf es keine großen Zeitverzögerungen verursachen. Deshalb sind maximal einige Hundert Seiten über den Filterpilot zu sperren. Die Behörden müssten sich bestimmte Seiten zur Sperrung aussuchen, während der Großteil der unzulässigen Seiten unberührt bliebe. Zudem müsse der administrative Aufwand beachtet werden, um bestimmte Webseiten zu sperren, sagt Schwichtenberg.
Aufwand und Ergebnis stehen in keinem Verhältnis
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ausweichmöglichkeiten. Wer einen Proxyserver im Ausland oder einen Anonymisierungsdienst nutzt, kann am Filterpiloten problemlos vorbeisurfen. Wenn die inkriminierten Inhalte auf https-Seiten liegen, wäre der Filterpilot auch zunächst machtlos. Auch das Mirror-Problem ist nicht gelöst. Gesperrte Webseiten könnten ohne große Verzögerung an anderer Stelle wieder auftauchen. Zwar habe die Firma Webwasher angekündigt, dass dieses Problem zu lösen sei, ein konkreter Vorschlag liege aber bislang noch nicht auf dem Tisch. Eine völlige Sperre umzusetzen sei nicht beabsichtigt. Es genüge, wenn der Surfer nicht aus Zufall auf die Seiten mit illegalen Seiten gelange. Dass dies bisher auch ohne Sperren kaum der Fall war, bleibt außen vor.
Die Provider befürchten die Kosten, die eine solche Maßnahme bei den Unternehmen nach sich ziehen könnte. Aufwand und Erfolg ständen in keinem Verhältnis, war auf einer Pressekonferenz des Electronic Commerce Forums (eco) schon am Mittwoch zu hören. Die Provider verweisen stattdessen auf erfolgreiche internationale Zusammenarbeit, die zur Schließung vieler Seiten geführt habe, ohne das Internet zentral zu filtern. Darüber hinaus sei auch durch benutzerautonome Filter, die der Heimanwender selbst installiert, eine zufällige Konfrontation mit rechtsradikalen Seiten zu verhindern.
Doch dem Regierungspräsidenten nimmt diese Schritte, die auch vom Europäischen Parlament vorgezogen werden (Europäisches Parlament gegen Webseitensperrungen) nicht zur Kenntnis. Büssow: "Ich würde mir wünschen, dass die Internet-Wirtschaft weiter nach Lösungen sucht, um eine selbstregulierte Situation, die staatliche Regulierungsmaßnahmen weitgehend überflüssig machen könnte, zu finden."