Finnland hat den Rechtsruck gewählt

Wahlsieger Petteri Orpo gehört der konservativen Sammlungspartei (Kokoomus) an. Archivbild: European People's Party / CC BY 2.0

In der Nato-Frage waren sich die Parteien weitgehend einig. Das Land tritt heute dem Militärpakt bei. So etwas wie einen "Kanzlerinnenbonus" bekam Sanna Marin aber dafür nicht.

Heute wird Finnland in die Nato aufgenommen – damit ist ein Vorhaben der Regierung Sanna Marin am Ziel, das sie ursprünglich gar nicht geplant hatte. Doch ihre Zeit ist zu Ende, die finnischen Wähler haben für einen Wechsel gestimmt. So mancher in Europa reibt sich die Augen: Wieso haben die nicht die sympathische Sanna Marin wiedergewählt?

Aber Finnland ist eben politisch gespalten wie andere Länder auch. Wie stark der Rechtsruck wird, hängt nun davon ab, welche Regierung Wahlsieger Petteri Orpo von der konservativen Sammlungspartei (Kokoomus) bildet.

Es gibt Leute, die behaupten, Sanna Marin sei im Ausland populärer gewesen als in Finnland selbst. Die meisten Kommentatoren verweisen jedoch darauf, dass Marin eher überraschend gut abgeschnitten hat – für finnische Verhältnisse. Denn so etwas wie einen "Kanzlerinnenbonus" gibt es nicht in Finnland, eher das Gegenteil. Es ist sehr selten, dass ein Ministerpräsident wiedergewählt wird.

Dass Sanna Marin durchaus populär ist, zeigt sich auch daran, dass sie die zweitmeisten persönlichen Stimmen bekommen hat, mehr als 35.600 – und damit doppelt so viele wie der künftige Regierungschef Petteri Orpo. Doch seine Partei, die Schluss machen wollte mit linker Politik, schnitt eben ein kleines bisschen besser ab. Im Kopf-an-Kopf-Rennen der drei größeren Parteien erhielten die konservativen Kokoomus 20,8 Prozent, die rechten Basisfinnen (Perussuomalaiset) 20,1 Prozent und Sanna Marins Sozialdemokraten 19,9 Prozent.

Die Sitzvergabe, für die die direkten Stimmen viel zählen, trug zusätzlich dazu bei, dass der Abstand zwischen den Parteien wuchs (Sammlungspartei 48, Basisfinnen 46, Sozialdemokraten 43 von 200). Es ist Tradition, dass der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion auch den ersten Zugriff auf die Regierungsbildung hat.

Stimmenkönigin Riikka Purra und der Erfolg der Basisfinnen

Die allermeisten persönlichen Stimmen versammelte allerdings eine andere auf sich: Riikka Purra, 45, Spitzenkandidatin der rechten Basisfinnen, mit mehr als 42.500 Stimmen. Auch Purra "kann" Soziale Medien und hatte unter anderem fleißig auf TikTok Wahlkampf betrieben. Die Wahlkreise von Marin und Purra sind nicht gleich groß, deshalb sind die Stimmen nicht direkt vergleichbar, aber es zeigt die Popularität, die die Partei und deren Spitzenkandidatin inzwischen haben.

Früher wurde Perussuomalaiset meist mit "Wahre Finnen" übersetzt, heute werden sie international oft als "Die Finnen" oder "Finnenpartei" bezeichnet, was die auf Finnisch selbstproklamierte Eigenschaft als "echt" oder "Basis" unter den Tisch fallen lässt.

Die Basisfinnen wollen weniger Einwanderung und weniger Klimaschutz, sie versprechen stattdessen Arbeitsplätze in Finnland, billigeres Benzin, billigen Strom und billige Lebensmittel – und wollen kein "Zwangsschwedisch" mehr in den Schulen. (Schwedisch ist zweite Landessprache, da es eine schwedischsprachige Minderheit im Land gibt, die an einzelnen Orten aber sogar die Mehrheit ist.) Dass die Partei laut Programm aus der EU austreten will, hielt Riikka Purra im Wahlkampf lieber flach.

Die Basisfinnen waren schon einmal an der Regierung beteiligt, was aber nicht gut ausging. 2015 schuf der konservative Ministerpräsident Juha Sipilä eine Koalition mit der Zentrumspartei und den Basisfinnen unter Timo Soini, der die Partei mit gegründet hatte. Als diese 2017 jedoch Jussi Halla-aho zum Vorsitzenden wählte, einen Mann, der schon einmal wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, zog Sipilä die Notbremse.

Die Lösung damals: Soini, die anderen Minister und ein paar Getreue spalteten sich ab und blieben in der Regierung, während ein andere Teil, der zu Jussi Halla-aho hielt, in die Opposition ging. Soinis Fraktion gewann allerdings bei der darauffolgenden Wahl 2019 keinen einzigen Sitz. Im August 2021 löste Riikka Purra Jussi Halla-aho als Vorsitzenden ab - und führte die Partei zu ihrem bisher größten Erfolg, nun wenige Zehntel hinter den siegreichen Konservativen.

Dabei gewannen sie Direktmandate in großen Teilen des Landes, die früher das Zentrum, die schwedische Volkspartei oder die Sozialdemokraten innehatten (https://svenska.yle.fi/a/7-10031893) Riikka Purra kann die Inhalte ihrer Partei überzeugend verkaufen – wie so einige jüngere rechte Frauen in jüngster Zeit, siehe Italien.

Probleme der Koalitionsbildung

Finnische Wahlkommentatoren zogen schon früh das Fazit, dass viele Wahlberechtigte ihre Stimme diesmal eher taktisch platzierten, um der von ihnen favorisierten Konstellation eine größere Chance zu geben. Alle drei größeren Parteien gewannen dazu, auf Kosten von Zentrum, Grünen und Linksbündnis, Sanna Marins ehemalige Koalitionspartner. Nur die schwedische Volkspartei, ebenfalls eine Koalitionspartei, die kleine christdemokratische Partei (Opposition) und ein Einzelkandidat blieben von den Veränderungen unberührt.

Das Ergebnis dieser Konzentration auf die großen Parteien könnte nun durchaus zu einem Problem für den Wahlsieger werden. Denn er braucht ja auch Koalitionspartner. Selbst wenn das Blockdenken in Finnland weniger ausgeprägt ist als in Schweden, so haben auch politische Kompromisse ihre Grenzen. Orpo kann sich nun für die Basisfinnen entscheiden, was einen kräftigen Rechtsruck bedeuten würde.

Orpo hat allerdings nichts gegen Einwanderung, denn die Wirtschaft brauche Arbeitskräfte. Er könnte aber auch mit den Sozialdemokraten als fast gleich starkem Juniorpartner regieren. Orpo steht allerdings für Austerität, Sparen und Steuern senken. Beide Varianten würden allen Seiten kräftige Kompromisse abverlangen – sei es Einwanderung, Sozial-, Klima- oder Wirtschaftspolitik. In jedem Fall wird jedoch noch mindestens ein weiterer Partner benötigt.

Rechnerisch bietet sich die Zentrumspartei an, die nach heftigen Verlusten aber erst einmal in die Opposition gehen will. Die schwedische Volkspartei ist in der Konstellation mit den Basisfinnen schwer vorstellbar.

Sanna Marins Regierung hat unter anderem das verstaubte Abtreibungsrecht und das Trans-Gesetz modernisiert, was vielen Menschen helfen wird, eine vergleichsweise ambitionierte Klimapolitik vorangebracht und für die Milderung der jüngsten Krisen viel Geld in die Hand genommen.

Aber es ist Inflation. Orpos Fokus auf die Wirtschaft und die einfachen Lösungen der Basisfinnen zogen mehr. In der Nato-Frage waren sich die Parteien übrigens fast alle einig – nur einzelne aus dem Linksbündnis und ein Abtrünniger der Basisfinnen stimmten dagegen. Der Beitritt hat auch einen großen Rückhalt in der Bevölkerung.

Was bedeutet das Wahlergebnis nun für Finnland? Schon zum sechsten Mal landete Finnland an der Spitze des World Happiness Index – das ist also kein Ergebnis, das sich allein auf die Regierung von Sanna Marin zurückzuführen lässt. Doch die Leute haben einen Rechtsruck gewählt, und sie werden ihn bekommen, abgemildert durch die Kompromisse, die die Koalitionsbildung erfordert.

Das internationale Interesse an Finnland, hervorgerufen durch die junge Ministerpräsidentin, Finnland als Nachbar von Russland und den Nato-Prozess, wird allerdings in Zukunft abflauen. Vielleicht ist das den Finnen auch ganz recht.

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