Fleischmarkt: Schweinehaltung in der Dauerkrise
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Steigende Kosten, sinkende Nachfrage – Schweinemäster sind am Limit. Tierwohl? Fehlanzeige. Landwirte, die gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, kassieren weiter Agrarsubventionen. Umso wichtiger, beim Kauf von Fleisch auf die Herkunft zu achten.
Schweine mit blutigen Ohren, Tiere ohne Futter und Wasser, Fäkalien auf dem Boden, überall Fliegen – solche und ähnliche Bilder von katastrophalen Zuständen in den Mastställen gelangen immer häufiger an die Öffentlichkeit.
Die Organisationen Soko Tierschutz, Tierretter e.V., Deutsches Tierschutzbüro, Ariwa und Peta deckten innerhalb der vergangenen Jahre weit mehr als 100 Fälle von Tierquälerei in Deutschland auf. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als 50 Landwirte und Firmen, die öffentlich wegen Tierquälerei zu Strafen verurteilt wurden, in den Folgejahren weiterhin Subventionen erhielten, zum Teil in Millionenhöhe.
Beim Beantragen von Agrarsubventionen müssen Landwirte versichern, dass sie sich an die sogenannten Cross-Compliance-Regelungen halten, inklusive aller Auflagen zum Umwelt- oder Tierschutz. Ein Prozent aller Antragsteller werden durch lokale Veterinärämter überprüft.
Werden Verstöße gegen das Tierwohl nachgewiesen, können die Subventionen für das ganze Jahr gestrichen werden, bei "erheblicher Dauer, erheblichem Ausmaß und erheblicher Schwere" sogar auch im Folgejahr, wie es heißt. Doch ist den Behörden überhaupt bekannt, dass bei Fehlverhalten Subventionen entzogen werden können?
In Deutschland werden Tierhalter selbst dann mit Steuergeldern belohnt, wenn Tiere im Stall lebendig verrotten, totgeprügelt oder auf das brutalste misshandelt werden, klagt Friedrich Mülln. Der Vorsitzende von Soko Tierschutz beobachtet seit Jahren ein systematisches Versagen von Justiz, Verwaltung und Politik, den Nutztierhaltern öffentliche Gelder zu entziehen, selbst wenn wiederholt und massiv Recht gebrochen wird. Dem Landwirtschaftsministerium fehle der Überblick über die Zahl der Verstöße gegen Tierschutzauflagen und daraus folgende Kürzungen bzw. Streichungen der Agrarsubventionen.
Laxe Tierschutzgesetze
Umgekehrt haben Landwirte, die sich an die Regeln hielten, höhere Kosten zu tragen. Das führe zu Wettbewerbsverzerrungen, klagt Jens Bülte, Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Mannheim. Ginge es nach ihm, sollten bei Verstößen nicht nur die Subventionen gekürzt oder gestrichen werden, sondern auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Subventionsbetruges folgen. Die gestrichenen Subventionen könnten dann anders und gerechter verteilt werden.
Das Problem sind die laxen Tierschutzgesetze, weiß EU-Parlamentarier Martin Häusling. Da können tausend Schweine verbrennen, die Besitzer kommen mit einer Ermahnung davon, kritisiert der Agrarpolitiker. Er fordert schärfere Gesetze mit abschreckender Wirkung und regelmäßiger Kontrolle. Und werden sehr schwere Fälle von Tierschutzverstößen bekannt, geht dies auch zu Lasten derer, die sich mit ihren Tieren Mühe geben und alles richtig machen wollen.
Auch wenn nicht in allen Ställen Tiere misshandelt werden oder an Krankheiten sterben – Kastenstände und Spaltenböden sind in der konventionellen Haltung eher die Norm, Beschäftigungsmaterial und Stroheinstreu eher selten.
Kürzlich vereinbarte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine gesetzliche Tierhaltungskennzeichnung. Diese sei jedoch "zu mangelhaft, mit zu vielen Lücken", kritisieren nicht nur Tierschützer. Der Nutztierschutzverband Provieh benennt in einer Stellungnahme die verbesserungswürdigen Punkte.
Umbruch in der Tierhaltung
Seit 2010 nehmen die Tierbestände deutlich ab – nicht nur die Zahl der Betriebe, sondern auch die Tierzahlen. Allein in Niedersachsen hat sich die Anzahl der Betriebe im Schweinesektor innerhalb von zehn Jahren nahezu halbiert.
Im Laufe der letzten zehn Jahre gab ein Drittel aller deutschen Schweinehalter auf. Im selben Zeitraum halbierte sich die Zahl der Sauenhalter. Wurden vor gut zehn Jahren noch rund 60 Millionen Schweine geschlachtet, dürften es in diesem Jahr nur noch rund 48 Millionen sein.
So wurden von Januar bis August dieses Jahres nur 31,5 Millionen Schweine geschlachtet – neun Prozent weniger als im Jahr davor. Wegen niedriger Schlachtgewichte sank dieerzeugte Menge stärker als die Stückzahlen. Glaubt man dem Statistischen Bundesamt, so wurden in den ersten acht Monaten im Vergleich zum Vorjahr knapp zehn Prozent weniger Schweinefleisch erzeugt.
Demgegenüber blieb die Zahl der importierten Schweine mit einer Anzahl von 800.000 Stück relativ konstant. Die Ursachen sind vielfältig: Infolge der Corona-Krise, aber auch wegen der Afrikanischen Schweinepest seien Absatz und Preise sowohl am Binnenmarkt als auch im Export eingebrochen, klagen Vertreter der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN).
Seit Monaten leiden Schweinehalter und Ferkelerzeuger zudem unter dem enormen Kostenanstieg bei Futtermitteln sowie bei Flüssiggas und Energie, erklärt Albert Hortmann-Scholten vom Veredlungsausschuss im Landvolk Niedersachsen. Die exorbitante Gaspreiserhöhung setze vor allem den Sauenhaltern zu. So stiegen die Produktionskosten im laufenden Wirtschaftsjahr um weit mehr als 200 Prozent.
In der Schweinemast schlagen vor allem die Kosten für Heizung und Lüftung zu Buche. Die Kosten für Einzelfuttermittel waren im Juli um knapp Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Futtergetreide kostete etwa um die Hälfte mehr und Ölschrote waren rund ein Drittel teurer.
Hinzu kommt, dass vor etwa einem Jahr die synthetisch hergestellte Aminosäure Lysin, ein wichtiger Futterbaustein, knapp wurde. Um geringere Lysingehalte auszugleichen, wurden natürliche Proteinquellen wie Sojaschrot in der Futterration erhöht und das noch verfügbare Lysin an säugende Sauen und Aufzuchtferkel verfüttert.