Flüchtlinge: Entsetzen auf Chios
- Flüchtlinge: Entsetzen auf Chios
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Unruhe in Griechenland - Das politische Klima gegenüber den Migranten verschlimmert sich
Auf Chios hat am Donnerstag ein junger Syrer versucht, sich mit einer Selbstverbrennung zu töten. Es heißt, dass er die Lebensbedingungen im Lager Vial nicht länger ertragen konnte. Der Mann, über dessen Tat ein über Facebook verbreitetes Video existiert, wurde mit schweren Brandverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Er soll an 85 Prozent seines Körpers verbrannt sein. Ebenfalls verletzt wurde ein ihm zu Hilfe eilender Polizist.
Über Facebook wurde in arabischen Gruppen verbreitet, dass das Asylgesuch des Mannes in zweiter Instanz abgelehnt worden sei. Dies kann noch nicht verifiziert werden und scheint eine absichtlich oder versehentlich gestreute Falschmeldung zu sein. Der Syrer ist kein Einzelfall, Anfang der Woche wurde ein fünfundzwanzigjähriger Syrer im Hafen von Athen tot aufgefunden. Der Mann hatte sich erhängt.
Mouzalas verspricht Prämien für ausreisende Asylbewerber
Ein Interview des Immigrationsministers Giannis Mouzalas mit den Journalisten von Spiegel Online wurde in Griechenland wie eine Eilmeldung behandelt. Das Immigrationsministerium sandte eine wortgetreue Übersetzung des Textes an die griechische Presse. Die Aussage Mouzalas, dass Griechenland keinen weiteren Flüchtling mehr aufnehmen könne, wurde von vielen Medien als Schlagzeile benutzt. Tatsächlich bezog sich Mouzalas auf die Rückführung von Flüchtlingen nach Griechenland im Rahmen des Dublin Abkommens.
Mouzalas möchte außer den Syrern allen, die nach einer Ablehnung ihres Asylverfahrens auf einen Einspruch verzichten, eine Prämie zwischen 500 und 1.000 Euro auszahlen. Um den potentiellen Personenkreis noch zu erweitern, gilt dieses Angebot auch für diejenigen, die bis zum 9. April einen Widerspruch gegen ihre Ablehnung eingereicht haben, beziehungsweise einreichen werden. Tatsächlich reisen zusammen mit den von Griechenland aus in die Türkei abgeschobenen Asylbewerbern sehr oft auch syrische Familien aus, weil sie die Situation auf den Inseln nicht mehr ertragen können.
Hinsichtlich der Drohungen von Seiten der Türkei, dass als Vergeltung für die Haltung der EU eine einseitige Aufkündigung des Flüchtlingspakts angestrebt wird, gibt es bislang keine relevanten Anzeichen dafür. Die täglich vom Immigrationsministerium an die Presse übermittelten Statistiken zeigen pro Tag neue Ankünfte von 0 bis knapp 200 Personen an. Je besser das Wetter in der Ägäis ist, umso mehr Menschen wagen die Überfahrt.
Die Zahlen befinden sich bei Weitem noch nicht auf dem Niveau vom Sommer 2015, als täglich Tausende auf den an die Türkei grenzenden Inseln ankamen. Trotz der relativ geringen Zahlen kommt es bei der Flucht weiterhin zu Todesfällen. So ertranken am vergangenen Freitag vor der türkischen Küste elf Personen und weitere vier werden vermisst. Ihr mit insgesamt 22 Personen reisendes Schlauchboot war gekentert.
Das politische Klima gegenüber den Flüchtlingen wird feindlicher
Am Dienstagmorgen stürmten Einsatzpolizisten das Flüchtlingslager von Moria auf Chios. Die Ordnungskräfte nahmen zehn der Insassen fest. Eine ähnliche Aktion fand auch auf den übrigen Inseln Lesbos und Samos statt. Sechs der Festgenommenen wurden später verhaftet. Interessant ist, was laut Polizeibericht geschah.
Hinsichtlich der Festnahmen gab es acht Personen, denen Waffenbesitz vorgeworfen wurde. Fünf Personen müssen sich wegen des Betäubungsmittelgesetzes verantworten, eine Person hat gegen die Aufenthaltsbeschränkungen verstoßen. Bei einer Person fanden die Polizisten gefälschte Reisedokumente und eine weitere Person machte falsche Angaben. Gefunden wurden bei der konzertierten Durchsuchungsaktion vierzehn Tabletten eines nicht näher benannten Rauschmittels, dreizehn Messer und eine Handsäge, sieben Schraubenzieher, eine metallische Klinge, Gartengeräte und drei gefälschte Pässe. Zudem wurden drei kleinere Portionen Cannabis konfisziert.
Die Gartengeräte wurden von der Polizei offenbar als potentielle Waffen eingestuft. Am Dienstagnachmittag wurde in Athen bei einer weiteren Aktion eine Fälscherbande, die sich auf Pässe und Ausweise spezialisiert hatte, von der Kriminalpolizei festgenommen. Sie hatten falsche Papiere samt einer Flugreise ins übrige Europa für 3.000 bis 6.000 Euro pro Person im Angebot.
Auf Lesbos möchten die dortigen Geschäftsinhaber noch mehr Polizeipräsenz. Sie verlangen, dass die Flüchtlinge und Immigranten, die von ihnen als "Mob mit unkontrollierbarer Psychologie" bezeichnet werden, von der Polizei am Demonstrieren und Versammeln in zentralen Einkaufsstraßen gehindert werden.
Eine ähnlich scharfe, rassistisch motivierte Wortwahl ist von Seiten der Goldenen Morgenröte oft zu hören. Nun schließen sich auch Regierungsabgeordnete an. Kostas Katsikis von den Unabhängigen Griechen konnte bei einer Rede in Anwesenheit von Syriza-Abgeordneten zahlreiche herabwertende Bezeichnungen von Flüchtlingen verwenden. Niemand wagte es dagegen zu protestieren. Schließlich hängt das Schicksal der Regierung von der Geschlossenheit der Koalition ab, die 153 von 300 Sitze im Parlament hat.
Katsikis ging noch weiter, er meinte, kein Syrer im wehrfähigen Alter habe eine Berechtigung zu flüchten. Schließlich wäre es nach Katsikis Meinung angebracht, niemanden mehr aus Syrien herauszulassen. Der Abgeordnete lobte Mouzalas und seine Regierung dafür, dass sie die Zahl der in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge auf knapp 60.000 begrenzt habe.