Flüchtlinge in Griechenland: Minister gegen Hilfsorganisationen
- Flüchtlinge in Griechenland: Minister gegen Hilfsorganisationen
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Probleme rund um die humane Behandlung von Asylbewerbern. Lockdown: Rund 7300 Menschen sitzen nun in überschwemmten Zelten
Die Probleme rund um die humane Behandlung von Asylbewerbern beschäftigen Griechenland auch während der Pandemie. Das einzige Problem, das die Regierung nachhaltig gelöst hat, ist der Mehrwertsteuerrabatt, der für die Ägäis-Inseln gilt, auf denen Flüchtlingslager errichtet wurden. Mit einer Entscheidung vom 14. Dezember gilt nun bis zum 30. Juni 2021 für die Inseln Kos, Leros, Lesbos, Samos und Chios der verminderte Steuersatz.
Dass es selbst für anerkannte Asylanten keine Arbeit in Griechenland gibt, musste Immigrationsminister Notis Mitarachis nach einer parlamentarischen Anfrage des sozialdemokratischen Abgeordneten der KinAl, Giorgos Kaminis, eingestehen. Mitarachis betonte jedoch, dass er nicht wolle, dass Griechenland mit besseren wirtschaftlichen Anreizen zum Anziehungspunkt für Einwanderer werde.
Von der linken Vorgängerregierung hat die rechtsnationale Nea Dimokratia dagegen eine weitere Verpflichtung im Zusammenhang mit Asylbewerbern geerbt. Eine Hotelbesitzerin gewann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr Verfahren gegen den griechischen Staat. Ihr Pächter hatte den Hotelbetrieb aufgrund seiner Insolvenz eingestellt.
Bevor die Besitzerin realisieren konnte, wie es mit ihrem Immobilienobjekt, dem City Plaza Hotel in Athen, weitergeht, wurde es von linken und autonomen Gruppen besetzt und zur Herberge für Asylbewerber umfunktioniert. Die damalige Syriza-Regierung sah teilnahmslos zu. Die Polizei ignorierte aufgrund politischer Weisung gerichtliche Räumungsbefehle und Strafanzeigen der Besitzerin. Die Autonomen leisteten der Syriza-Regierung einen Gefallen mit ihrer Besetzung, weil sie dem Staat mittelbar die Kosten für die Betreuung der Menschen abnahmen.
Gegenüber der Eigentümerin, die ihren Besitz weder nutzen noch betreten konnte, zeigte sich der Staat dagegen weniger wohlwollend. Sie musste für ihr nicht nutzbares Objekt Immobiliensteuern, Stromrechnungen und kommunale Abgaben zahlen. Drei Jahre Besetzung brachten der Besitzerin den Ruin, sie musste ihre Wohnung verkaufen, um durch die Bezahlung der horrenden Steuer- und Abgabenlast staatlichen Repressionsmaßnahmen zu entgehen.
Die Besetzer zogen kurz nach dem Wahlsieg der Nea Dimokratia, am 10. Juli 2019, ab und verließen das Hotel. Für die Eigentümerin hatte aber auch die neue Regierung keine Entschädigung vorgesehen. Diese, in Höhe von 312.500 Euro, gibt es nun aufgrund des Richterentscheids des Europäischen Gerichtshofs.
Regierungssprecher Stelios Petsas fragt nun, ob nicht Syriza die Rechnung für den Schaden übernehmen sollte. Mit solchen, durchaus berechtigten, verbalen Attacken, versucht die Regierung von ihrem eigenen Versagen in der Flüchtlingspolitik abzulenken.
Land unter im neuen Lager auf Lesbos
Das Lager Kara Tepe auf Lesbos steht wegen heftiger Regenfälle unter Wasser. Das direkt ans Meer gebaute Lager erwies sich, wie es Kassandren bereits zu Beginn vorhergesagt hatten, als vollkommen unzureichend. Als Kassandren bezeichnen griechische Regierungspolitiker gern ihre Kritiker. In ihrer metaphorischen Deutung der Anspielung auf die Seherin Kassandra, möchten sie ausdrücken, dass die Kritiker Lügen gestraft werden. Die Unkenntnis, die oft betont patriotisch und geschichtsbewusst auftretende Politiker von der Mythologie haben, bleibt ein unerklärbares Oxymoron. Sie müssten es besser wissen.
In der griechischen Mythologie war Kassandra Tochter von Priamos, dem König Trojas, und somit Schwester von Hektor und Paris. Von Apollon soll ihr die Gabe der Prophezeiung gegeben worden sein. Der antike Gott wollte im Gegenzug die Gunst Kassandras gewinnen, diese aber wies ihn ab. Zur Strafe bekam sie den göttlichen Fluch, dass niemand ihren, immer richtigen Weissagungen Glauben schenken würde.
Über bekannte Risiken und Gefahren bewusst hinweggesehen
Im Fall von Kara Tepe, dem Lager, das nach dem Brand des Lagers Moria von der Regierung erbaut wurde, benötigte es keinerlei prophetischer Fähigkeiten, um vorauszusehen, was alles schiefgehen würde.
Inselbewohner mit Ortskenntnis erklärten bereits im September, dass das neue Lager in einer Windschneise liegen würde. Direkt am Meer und bei Regen, so wurde prophezeit, würde es ein Chaos geben. Dies genau trat ein. Rund 7300 Menschen sitzen nun in überschwemmten Zelten. Sie müssen durch Wasser und Schlamm waten, um zu den chemischen Bautoiletten zu kommen. Es gibt kein warmes Wasser, geschweige denn eine Duschmöglichkeit. Dazu kommt, dass auf dem früheren Exerziergelände, auf dem das Lager errichtet wurde, Munitionsreste liegen, die nun durch die Regenfluten an die Oberfläche kommen.
Die Lagerinsassen der Flüchtlingscamps in Griechenland leben seit März mit Lockdown-Regeln. Sie können die Lager nur aus besonders triftigen Gründen verlassen. Es gibt seit März keinerlei Freizeitmöglichkeiten oder gar Schulausbildung mehr.
Arztbesuche müssen bis spätestens einen Tag vorher angemeldet werden. Ein Krankenwagen kann nur von den Polizisten des Lagers gerufen werden. Ein neues Lager ist nun in Planung, es soll in der Nähe der Abfalldeponie der Insel entstehen, und gemeinsam vom griechischen Staat und der EU-Kommission verwaltet werden.
Übergriffige Polizisten
Aus dem Lager heraus dürfen nur bestimmte Insassen, die dann für die übrigen im Supermarkt einkaufen gehen. Griechenland lebt bereits mehrere Wochen in einem verschärften Lockdown.
Diese werden, wie die übrigen Bürger des Landes auch, von der Polizei kontrolliert. Die Polizei verhängt für jede erdenkliche Kleinigkeit Bußgelder und geht dabei, wie mehrere Presseberichte belegen, sehr autoritär vor.
Am vergangenen Freitag lief solch eine Kontrolle von Insassen von Kara Tepe vollkommen aus dem Ruder. Die Beamten legten den Asylbewerbern Handschellen an und schlugen und traten auf sie ein. Der Vorfall wurde auf Video festgehalten und sickerte an die Presse durch.
Spät in der Nacht des Freitags wurden auf Befehl des Polizeichefs Michail Karamalakis drei Grenzschutzpolizisten und ein Polizist suspendiert. Gegen sie werden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Die Beamten wurden festgenommen.