Flüchtlingsabwehr in der EU
Während man sich in Europa über die restriktiven Flüchtlingsgesetze der Trump-Regierung echauffiert, wird die Festung Europa weiter ausgebaut
Ungarn will alle Flüchtlinge im Land künftig in Transitzonen nahe den Außengrenzen festhalten, bis über ihr Asylverfahren endgültig entschieden wurde (vgl. Ungarn: "Verpflichtender Aufenthaltsort" für Flüchtlinge und ein böses Spiel). Das Parlament in Budapest verabschiedete einen entsprechenden Gesetzentwurf am Dienstag mit den Stimmen der rechtskonservativen Regierung sowie der oppositionellen faschistischen Jobbik-Partei. Es ist den Asylbewerbern somit unmöglich, sich in Ungarn frei zu bewegen, so lange ihr Verfahren läuft.
Der Europäische Gerichtshof hat ebenfalls heute entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten keine humanitären Kurzzeitvisa ausstellen müssen (EuGH lehnt Pflicht für humanitäre Visa für Flüchtlinge ab) Ein syrisches Ehepaar aus Aleppo hatte geklagt, nachdem es in der belgischen Botschaft in Beirut Anträge für sich und die beiden Kinder stellte.
Wäre dem Antrag stattgegeben worden, hätte eine Bresche in die Festung Europas geschlagen werden können. Denn im Vorfeld hatte der Generalstaatsanwalt mit einer humanitären Argumentation dafür plädiert, diese Visa zu gewähren. Oft folgt der Gerichtshof diesen Anregungen, in diesem Fall allerdings nicht. Die Regierungen der EU-Staaten sind zufrieden, denn so bleibt das bisherige System der Flüchtlingsabwehr erhalten, das dafür sorgt, dass immer wieder Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Da die politischen Verhältnisse in den meisten europäischen Ländern eine Veränderung der restriktiven Flüchtlingsgesetze in absehbarer Zukunft kaum als realistisch erscheinen lassen, erhoffen sich viele Nichtregierungsorganisationen humanitäre Akzente eher über juristische als über politische Entscheidungen. Doch das heutige Urteil machte einmal mehr deutlich, dass diese Hoffnungen sehr begrenzt sind. Es kommt schon vor, dass Gerichte manchmal fortschrittlicher sind als die Politiker.
Aber dabei geht es immer um das gesamtstaatliche Interesse, das öfter im Widerspruch zu partikularen Interessen von Politikern geraten kann. So haben Gerichtsentschiede öfter auch eine beruhigende Funktion, wenn Politiker gesellschaftliche Probleme ignorieren und damit gesellschaftliche Widersprüche zu groß werden. Doch gerade in der Flüchtlingsfrage steht in den meisten europäischen Ländern der Großteil der Bevölkerung hinter der harten Haltung, die auch die meisten Politiker an den Tag legen.
Wo es soziale Proteste gibt, ist auch die Bereitschaft größer, Flüchtlinge willkommen zu heißen
Ausnahmen gibt es in Katalonien, wo es Massendemonstration für eine humanitäre Flüchtlingspolitik gab (vgl. Menschenflut für Flüchtlinge in Barcelona). Das macht auch deutlich, dass Erklärungen kurzschlüssig sind, die die Abwehr von Geflüchteten mit den Krisenlasten erklären, die viele Menschen zu tragen haben.
Da wird suggeriert, wo Menschen schon Not und Mühe haben, um über die Runden zu kommen, sei es fast natürlich, dass Flüchtlinge abgelehnt werden. Doch diese Erklärung ist falsch. Nicht die Krise, sondern die Frage, wie sich die Menschen diese Krise und ihre Prekarisierung erklären, entscheidet, ob sie Flüchtlinge eher ablehnen oder willkommen heißen.
Wenn sie sozialchauvinistischen Vorstellungen folgen, sehen sie in Geflüchteten, aber auch in Kolleginnen und Kollegen Konkurrenten, die sie ablehnen. Doch, wo es soziale Bewegungen gibt, die mit emanzipatorischen Ansätzen der Selbstorganisation auf die Krise reagieren, wie in Spanien, werden Geflüchtete willkommen geheißen wie in Barcelona.
Weil solche emanzipatorischen sozialen Bewegungen heute in Europa selten sind, sind auch Massenbewegungen für ein Willkommen für Geflüchtete so selten. Eher dominiert die Flüchtlingsabwehr wie in Ungarn, in Österreich oder auch in Deutschland. Es gibt dabei sicher graduelle Unterschiede in den unterschiedlichen EU-Ländern. Doch sie eint der Wille, den Flüchtlingen den Zugang nach Europa möglichst schwer zu machen.
Daher ist es auch so heuchlerisch, wenn sich nach dem Wahlsieg von Trump in den USA Europa als humanitäre Alternative geriert. Während man sich über die geplante Mauer zwischen den USA und Mexiko in der EU echauffiert und sogar überlegt, Trump die Einreise in einige europäische Länder zu erschweren, wird die Festung Europas selber immer mehr ausgebaut. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und die ungarischen Gesetze haben diese Festung noch ein Stück weiter verschlossen.