Flug MH-370: Alles bleibt offen
Die Regierung von Malaysia würde gerne alles im Meer versenken und vergessen, aber geklärt ist erstaunlicherweise kaum etwas
Das Schicksal der verschwundenen Maschine der Malaysia Airlines Flug 370 erregt noch immer die Gemüter und nährt Spekulationen, bei den Angehörigen der vermissten Passagiere Wut und Verzweiflung. Am 8. März war die Maschine von Kuala Lumpur nach Peking gestartet. Nicht einmal eine Stunde später war sie vom Radar verschwunden. Festgestellt wurde, dass die Maschine wohl absichtlich vor dem Eintritt in den vietnamesischen Luftraum in einen südlichen Flugkorridor über Indonesien Richtung Australien geflogen war, möglicherweise aber auch Richtung Indien und Pakistan.
Die Spekulationen sind vielen ungeklärten Einzelheiten geschuldet, angefangen von den zwei Passagieren die als gestohlen gemeldete Pässe aus Österreich und Italien benutzt haben. Bei diesen soll es sich um Iraner gehandelt haben. Bislang ist bei ihnen, aber auch bei den anderen Passagieren nichts verdächtig. Die Kursänderung und das Abschalten des ACARS-Systems lassen dennoch vermuten, dass das Flugzeug entführt wurde - entweder von Passagieren, die sich mit Flugzeugen auskennen, oder von den oder einem Piloten. Spekuliert wird, dass das Flugzeug vielleicht eine wertvolle Fracht transportiert haben könnte. Darüber schweigt man sich aber aus, was natürlich die Fantasie verstärkt.
Gewagt ist sicherlich die Vorstellung, dass die Boeing 777-200ER möglicherweise durch ein Autopilotensystem ferngesteuert wurde und die Piloten keine Möglichkeit mehr hatten einzugreifen. Was Verschwörungstheoretiker schon bei den 9/11-Maschinen vermuteten. Danach könnte die Maschine heimlich wegen ihrer Fracht oder wegen ihrer Passagiere irgendwo zum Landen oder zum Absturz gebracht worden sein.
Andere glauben, es habe sich um eine Entführung durch Terroristen gehandelt, die womöglich den US-Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean angreifen wollten. Dafür könnte sprechen, dass angeblich der Pilot der Maschine, Zaharie Ahmad Shah, bei sich Zuhause auf einem Flugsimulator den Anflug auf kurze Landebahnen im Indischen Ozean geübt haben soll: Landebahnen in Sri Lanka, auf den Malediven, in Indien und eben auf Diego Gracia.
Auf dem Flugsimulator waren - vermutlich von dem Piloten - Daten gelöscht worden, sie seien von der Polizei rekonstruiert worden. Die Maschine könnte auf dem Weg dorthin abgestürzt oder womöglich abgeschossen worden sein. Sie könnte aber auch deswegen hier wie anderswo sicherheitshalber abgeschossen worden sein, weil das Transpondersignal abgeschaltet war. Vielleicht war das Flugzeug auch wegen eines Defekts allein mit dem Autopiloten ziellos weitergeflogen, um dann mit dem Ende des Treibstoffs abzustürzen.
Die malaysische Regierung wollte am 24. März Schluss mit allen Spekulationen machen, die zu innenpolitischem Zwist und trotz internationaler Suche zu außenpolitischen Verärgerungen geführt haben. Zuletzt konzentrierte sich die Suche auf den Indischen Ozean, wo auf Satellitenbildern möglicherweise Wrack-Teile entdeckt worden waren.
Am Montag erklärte Malaysias Regierungschef Najib Razak knapp, Satellitendaten hätten gezeigt, dass der Flug der Maschine im südlichen Indischen Ozean geendet sei. Punkt. Dies wurde den Angehörigen auch mit einer SMS mitgeteilt. Inmarsat habe die letzten Signale erhalten. Die Stelle, woher die letzten Signale kamen, sei fern von jeder Landemöglichkeit. Ohne dies explizit zu sagen, soll damit suggeriert werden, die Maschine sei hier abgestürzt und alle Insassen seien tot.
Wegen des schlechten Wetters musste nun die Suche nach dem Flugzeug bzw. nach Wrackteilen vorerst eingestellt werden. Ob das Flugzeug jemals gefunden wird, sollte es südlich von Australien wirklich abgestürzt sein, ist fraglich. Das Suchgebiet ist größer als Frankreich. Die Wrackteile könnten längst gesunken oder durch Strömungen weit entfernt vom Absturzgebiet abgetrieben sein. Zigmillionen hat die Suche schon jetzt gekostet.
Seltsam ist, dass die malaysische Regierung nicht die Daten von der britischen Satellitenfirma Inmarsat vorgelegt hat. China moniert diese Intransparenz, Regierungschef Li Keqiang fordert Malaysia auf, die genauen Daten herauszugeben. China wird einen Sondergesandten nach Kuala Lumpur schicken, was das Misstrauen deutlich macht.
Angeblich war sieben Mal stündlich ein Signal von der Maschine ausgesendet worden, das letzte Mal aber unvollständig, was an atmosphärischen Störungen oder an Problemen der Maschine liegen könnte. Es gibt auch die Spekulation, dass die Maschine vom Piloten in einer Art Selbstmordanschlag versenkt worden sein könnte. Alles deute darauf hin, dass das Flugzeug "rational" gesteuert worden sei und weder Feuer an Bord oder ein Instrumentenausfall für den Kurs verantwortlich gemacht werden könne. Immerhin sei das Flugzeug 8 Stunden lang in einer Richtung geflogen.
Es bleibt also weiterhin alles offen, was mit dem Flugzeug geschehen ist. Eine Frage wäre, ob die Militärs oder Geheimdienste mehr wissen, aber nichts verraten wollen. Sollte tatsächlich keine Information unterdrückt worden sein, was unwahrscheinlich sein dürfte, dann macht das Schicksal des Flugzeugs perverserweise Hoffnung. Es können weiterhin Dinge auf der Welt geschehen, die den Überwachungsapparaturen entgehen.
Die Beschränktheit der angeblich allmächtigen Geheimdienste und ihrer Überwachungstechniken hat sich zwar schon beim Arabischen Frühling oder jetzt in der Ukraine herausgestellt, aber man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Aufklärungskapazitäten übertrieben werden. Offenbar hat die NSA wenig Zugriff auf den Kreml, während der russische Geheimdienst nur sporadisch Kenntnis von Informationen erlangt, um für Russland Propaganda zu machen.
Und welche Theorien verfolgen wir? Keine Ahnung. Es ist eine verrückte Geschichte. Kamikaze-Piloten sind aber unwahrscheinlich. Warum sollten sie 8 Stunden und mit einiger Raffinesse anonym fliegen, um für einen kollektiven Selbstmord unterzutauchen? Das hätten sie einfacher haben können.
Auf Satellitenbildern vom 23. März sind inzwischen in einem Gebiet mit der Größe von 400 Quadratkilometern im südlichen Indischen Ozean, 2500 km südlich von Perth, 122 Objekte gefunden wurden, die möglicherweise, wie malayische Behörden glauben, von der vermissten Maschine stammen könnten. Für die Transportbehörde handelt es sich um die bislang glaubwürdigsten Spuren.