Folter-Vorwürfe aus Deutschland gegen Donezk- und Lugansk-"Volksrepubliken"

Seite 2: Deutschlandfunk-Korrespondentin klammert Kriegssituation aus

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Ebenfalls am Mittwoch berichtete die Osteuropa-Korrespondentin Sabine Adler morgens im DeutschlandRadio und abends in der Sendung "Hintergrund Politik" des Deutschlandfunks über Folter und andere Menschenrechtsverletzungen in den "Volksrepubliken". Betroffen seien einfache Bürger, die bei den Separatisten Verdacht erregt haben, dass sie auf Seiten von Kiew stehen, berichtete die Korrespondentin. Beispielhaft wird der Fall von Oleksander Hryschtschenko angeführt, der erzählt, er sei im Juni 2014 in einem Keller von Separatisten mit Stromstößen gefoltert worden, weil auf seinem Handy angeblich "verdächtige" Fotos gefunden wurden. Insgesamt gäbe es 79 "Foltergefängnisse" in den "Volksrepubliken", sagt die Korrespondentin unter Berufung auf einen bereits 2015 veröffentlichten Bericht ukrainischer Menschenrechtsorganisationen. Mit Sicherheit könne gesagt werden, dass im Sommer 2015 4.000 Menschen "in Geiselhaft" waren, zitiert Adler eine ukrainische Menschenrechtlerin.

Die Kriegssituation, welche insbesondere 2014 das Leben in den Gebieten Donezk und Lugansk bestimmte, klammert die Korrespondentin vollständig aus. Gegen die von Kiew am 14. April 2014 begonnene "Antiterroristische Operation" entwickelte sich spontaner militärischer Widerstand. Freiwillige aus der Ost-Ukraine und Russland schlossen sich zu diversen Einheiten zusammen. Jedes Freiwilligen-Bataillon kontrollierte eine kleine Region.

Die von der DLF-Korrespondentin beschriebenen Gräueltaten hat es wohl tatsächlich gegeben, allerdings waren sie auch Resultat eines unorganisierten, spontanen Wiederstandes, bei dem einzelne Kommandeure keine Rechenschaft vor einer zentralen Leitung ablegen mussten.

Ab August 2014 drängte Moskau darauf die Freiwilligen-Bataillone der Separatisten einer einheitlichen Leitung in Lugansk und Donezk zu unterstellen. Personen, die politisch ihren eigenen Kopf hatten und ein massiveres Vorgehen gegen die ukrainische Armee forderten, wie Igor Strelkow, wurden abgesetzt (Was geht vor unter den Aufständischen in der Ost-Ukraine?). Manche kamen auch unter mysteriösen Umständen ums Leben. Auf das gepanzerte Fahrzeug von Aleksandr Bednow (Spitzname Batman), unter dessen Kommando sich das von Adler erwähnte improvisierte Gefängnis in einem Keller der Maschinenbau-Uni von Lugansk angeblich befand, wurde am 1. Januar 2015 auf einer Straße mit Granat- und Flammenwerfern das Feuer eröffnet. Bednow überlebte den Anschlag nicht.

Dass Folter von Moskau geduldet oder gar gefördert wurde, lässt sich nicht belegen

Sabine Adler behauptet, auch der Ministerpräsident der Volksrepublik Donezk, Aleksandr Sachartschenko, sei "an der Folter beteiligt gewesen" und habe "einem Menschen mit einem Hammer den Zeigefinger zertrümmert". Beweise werden nicht genannt. Doch das Ziel ist eindeutig. Mit den Foltervorwürfen möchte man die Führungen der Volksrepubliken vor das Internationale Gericht in Den Haag bringen, ihnen zumindest aber demokratische Legalität absprechen.

In dem Bericht der Korrespondentin kommen Vertreter der Polizei und der Verwaltung in Lugansk und Donezk nicht zu Wort. Das verwundert bei solch massiven Vorwürfen und es widerspricht in Deutschland üblichen journalistischen Standards.

Januar 2015: Lugansk-Fernsehen sendet Verhör von Aufseher eines illegalen Keller-Gefängnisses

Bestimmte Fakten, die der offenbar gewünschten politischen Kampagne gegen die Führungen der "Volksrepubliken" schaden könnten, streift Sabine Adler nur in einem Nebensatz.

Die Behörden der Volksrepublik Lugansk hatten Ende 2014 gegen Aleksandr Bednow (Batman) Ermittlungen aufgenommen. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde auch der Aufseher des Gefängnisses im Keller der Maschinenbau-Uni von Lugansk, ein Soldat mit dem Decknamen "Fobos", verhört. Das Video von dem Verhör sendete die "Staatliche Fernseh- und Radio Gesellschaft der Volksrepublik Lugansk" am 2. Januar 2015 . Das Video ist betitelt mit "Ohne Kommentar. In Lugansk wurde ein illegales Gefängnis geschlossen."

Nach der Aussage von Aufseher "Fobos" befanden sich in dem improvisierten Gefängnis Betten, Matratzen und zwanzig Gefangene. Eingeliefert wurden Menschen, welche "die Ausgangssperre missachtet oder betrunken waren". Wer protestierte, sei mit einem Plastikrohr geschlagen worden. Einer der Aufseher mit dem Spitznahmen Maniak (Irrer) habe bei Verhören einen Hammer benutzt und Gefangene mit dem Zeigen chirurgischer Instrumente verängstigt.

In den Medien der "Volksrepubliken" und Russlands wurde über den Bericht von Sabine Adler und den Aufruf von Marieluise Beck bisher übrigens nicht berichtet.

Russland auf der Anklagebank

Am Mittwoch kam im Deutschlandfunk auch Gernot Erler, Russland-Beauftragter Bundesregierung, zu Wort. Die Veröffentlichungen über Folter hätten "möglicherweise eine andere Qualität" als frühere Veröffentlichungen, erklärte Erler. Jetzt sei möglicherweise ein "gerichtliches Vorgehen" möglich, zumal auch Klarnamen genannt werden. Erler erklärte, er fände es wichtig, "dass hier festgestellt wurde, dass russische Militärangehörige involviert sind in diese Verbrechen". Der Russland-Beauftragte spricht sich gegen eine Amnestie aus.

Dass der Bericht im Deutschlandfunk und die Erklärung von Marieluise Beck vor allem die Separatisten ins Visier nimmt, erstaunt, hatte doch Amnesty International in einem Bericht vom Mai 2015 beide Seiten gleichermaßen der Menschenrechtsverletzungen beschuldigt.