Forencheck: Antikörpertherapien, spanische Corona-Zahlen und Speicherkapazitäten in China

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Wochenkolumne

1. Antikörpergabe statt Impfung?

In Hinblick auf den Artikel "Verbietet das Impfen!", in dem Autor Götz Eisenberg reflektiert, wie mehr Menschen zum Impfen bewegt werden könnten, verweist ein Kommentar auf die inzwischen existierende Möglichkeit der Behandlung mit monoklonalen Antikörpern:

Aufgrund der nun seit fast zwei Jahren andauernden Diskursverschiebung sei darauf verwiesen, daß es inzwischen in Berlin 8 Praxen und die Charité gibt, die die monoklonale Antikörpertherapie, die das hält, was Impfung verspricht, seit August anbieten. Mit ausreichenden Kapazitäten, die die schrecklich überlasteten Intensivstationen mit ihren mehr Geld bringenden Schlauch- im- Hals- Patienten absolut entlastet. (…)

Diese neue Behandlungsmöglichkeit ist natürlich zu begrüßen und kann, rechtzeitig angewendet, tatsächlich helfen, schwerste Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Sie aber auf eine Stufe mit der Impfung zu stellen, ist aus mehreren Gründen verfehlt.

Wie in Bezug auf das Therapieangebot in Berlin bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu lesen ist, kommt für die Behandlung nur ein bestimmtes Zeitfenster nach der Infektion in Betracht:

Patient:innen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und bei denen sich aufgrund von bestimmten Risikofaktoren ein schwerer Krankheitsverlauf beziehungsweise eine stationäre Behandlung abzeichnet, können mit einer sogenannten monoklonalen Antikörpertherapie ambulant behandelt werden. Der Beginn der Infusionstherapie sollte möglichst innerhalb von fünf Tagen nach dem positiven PCR-Test erfolgen.

Kassenärztliche Vereinigung Berlin

Die Behandlung wird vor allem Patient:innen über 50 angeboten, die einen oder mehrere Risikofaktoren aufweisen. Jedoch sterben auch unter 50-Jährige und Menschen ohne bekannte Vorerkrankungen an Covid-19, wenn auch weitaus seltener. Entwickelt sich die schwere Erkrankung erst später und unerwartet, kommt auch der Einsatz der Antikörper vermutlich zu spät.

Und beim Bundesministerium für Gesundheit ist zu lesen:

Laut klinischer Prüfungen haben die Arzneimittel bei fortgeschrittener Erkrankung mit Covid-19 keinen Nutzen. In diesem Stadium ist die Viruslast von Sars-CoV-2 bereits rückläufig, und es überwiegen die durch die Covid-19-Infektion ausgelösten Folgeerkrankungen, wie z.B. Entzündungsprozesse.

Bundesministerium für Gesundheit

Wie der Deutschlandfunk berichtet, ist die Therapie mit monoklonalen Antikörpern extrem teuer, und daher bislang nicht für einen massenhaften Einsatz vorgesehen. Auch dürften die Kapazitäten in Kliniken und Praxen für eine Behandlung breiter Massen nicht ausreichen, denn die Mittel müssen per Infusion verabreicht werden und können nicht als Pille zu Hause geschluckt werden.

Und auch monoklonale Antikörper können in Bezug auf neue Virusvarianten ihre Wirksamkeit verlieren. (Der Antikörper Sotrovimab scheint aber ersten Studien zufolge zum Glück auch gegen die Omikron-Variante des Coronavirus zu wirken.)

Wer Bedenken gegen mRNA-Impfstoffe hat, dürfte allerdings auch nicht allzu aufgeschlossen gegenüber monoklonalen Antikörpern sein. Denn diese werden mithilfe gentechnisch erzeugter Zelllinien hergestellt.

2. Wurden oder werden spanische Corona-Inzidenzen manipuliert?

In einem Forenkommentar wird ein anderer zitiert:

"Die Behauptung, in Spanien würden Corona-Zahlen manipuliert, um den Tourismus zu schützen? Falsch!"

Man korrigiere mich wenn ich mich irren sollte, aber hatte Ralf Streck nicht genau das in mehren Artikeln hier bei TP berichtet?

Bei der Antwort auf diese Frage müssen sowohl der Zeitpunkt der Berichte, als auch der jeweilige Ort, über den berichtet wurde, beachtet werden. Zunächst zum Ausgangspunkt im Artikel, der Aussage des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbachs. Im Faktenfinder der Tagesschau vom 6. Dezember 2021 ist zu lesen:

Im Frühjahr hatte er beispielsweise behauptet, die auf Mallorca verzeichneten Fallzahlen seien wohl nicht korrekt. Zudem legte er den Verdacht nahe, das Auftreten einer neuen Corona-Variante werde verharmlost, um dem Tourismus zu nicht zu schaden. Aussagen, die in Spanien für Empörung und Widerspruch sorgten - und sich auch nicht belegen ließen.

Am 6. April 2021 hatte es ebenda geheißen:

Neue Daten aus Spanien liefern keine Hinweise auf geschönte Inzidenzzahlen auf den Balearen.

(…) Dafür spricht auch die niedrige Positivrate bei den Testungen: Der Wert lag nach offiziellen Angaben auf den Balearen lediglich bei 2,6 Prozent, in Galizien sogar nur bei 2,4 Prozent - was als ein Indiz für eine niedrige Dunkelziffer gilt. In anderen Regionen liegt der Wert höher - in Madrid beispielsweise bei 9,5 Prozent. Die Zahl der Testungen pro 100.000 Einwohner ist dabei allerdings ungefähr gleich hoch: rund 1800 in einer Woche pro 100.000 Einwohnern.

Ralf Streck schrieb rund drei Monate später, dass die Inzidenzen zwischen den spanischen Regionen vermutlich verzerrt seien, da die Infizierten aus den Urlaubsregionen "exportiert" würden und dann ihren Heimatregionen zugerechnet.

Und im Juli seien auch die Positivquoten der Tests auf Mallorca deutlich erhöht gewesen. Diese Tatsache lässt aber keine Rückschlüsse auf die Corona-Zahlen im März und April zu und damit die angeführten Behauptungen Lauterbachs. Dass Spanien dann im Sommer trotz hoher Inzidenzen nicht zum Hochrisikogebiet erklärt wurde, ist der deutschen Bundesregierung zuzuschreiben und nicht der spanischen Regierung.

Berichte über Verfälschungen von Inzidenzwerten bezogen sich wiederum auf die Region Madrid und bereits auf den Oktober 2020. Hier schrieb die spanische Zeitung El Diario, dass Corona-Fälle systematisch erst nachträglich registriert worden seien, so dass die jeweiligen Tageswerte weniger schlimm erschienen.

3. Reichen Chinas Stromspeicher nur für fünf Minuten?

Im Artikel "China: Speicher für die Energiewende" berichtete Wolfgang Pomrehn über chinesische Ausbaupläne für erneuerbare Energien, Pumpspeicher und andere Arten von Stromspeichern.

Richtig bemerkt ein Leser bezüglich der angegebenen Kapazitäten:

Das entscheidene sind GWh (Energie) und nicht die GW (Leistung) (...) Denn physikalisch kann auch ein sehr kleiner Energiespeicher Hausnummer 100 GW oder 100000 GW oder was auch immer für tolle große Zahlen an Leistung abgeben. Überhaupt kein Problem, so es technisch machbar ist. Nur ist diese tolle Leistung halt auf sehr kurze Zeit verfügbar, wenn die Energiemenge (GWh) die dahinter steht, nicht viel ist. Denn dann ist der Ofen schnell aus. (...) -> Ganz China hat pro Tag (!) einen mittleren Energiebedarf von runden 7750 GWh. Alles zusammen, und das ist deftig viel. Wenn also so ein Energiespeicher tolle 30GWh speichern kann, und das ist schon verdammt viel, dann ist dieser tolle Energiespeicher in runden 5,5 Minuten (!) leerzgezuzelt, wenn er den mittleren Leistungsbedarf von ganz China decken soll. 5,5 Minuten. Das ist nicht lang. (…)

Fazit des Kommentars ist, dass ganz China wohl mit Pumpspeicherkraftwerken zugebaut werden müsste, um eine ausreichende Energiemenge als Reserve vorzuhalten.

Nun wird China nicht in die Situation kommen, den gesamten Strombedarf aus Speichern decken zu müssen, denn es wird wohl kaum im ganzen Land das Stromnetz zusammenbrechen oder in einem riesigen Flächenland überall gleichzeitig die berüchtigte "Dunkelflaute" herrschen, bzw. im Fall von China noch kombiniert mit Dürre, da die Wasserkraft ebenfalls beträchtlich zur Stromversorgung beiträgt.

Seit 2009 baut China außerdem sein Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetz (HGÜ) immer weiter aus, was den weitgehend verlustfreien Stromtransport über weite Strecken ermöglicht, sowie einen besseren Ausgleich bei fluktuierender Erzeugung und Verbrauch. So wird mittlerweile Strom aus den Provinzen im Landesinneren über Tausende von Kilometern in die großen Metropolen an der Küste transportiert.

Was den Ausbau der Speicherkapazitäten angeht, setzt China wie im Artikel erwähnt nicht nur auf Pumpspeicherkraftwerke, sondern auch auf Groß-Akkus. Hier kommen zum Teil auch neue Speichertechnologien zum Einsatz kommen, die eine besonders lange Lebensdauer ermöglichen, wie bei diesem Speicher mit 100MWh Kapazität in Jinjiang. An anderer Stelle ist ein Batteriespeicher mit 20 MW Leistung und einer Speicherkapazität von 800 MWh geplant. Weltweit wächst die Größe von Batteriespeichern von Jahr zu Jahr, sodass Chinas Ausbaupläne hier durchaus realistisch erscheinen.