"Fortwährende Korrektur der Korrektur"

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Generalaussprache im Bundestag. Screenshot vom Bundestagsvideo

In der heutigen Bundestags-Generaldebatte ging es vor allem um Corona, Außenpolitik und Verteidigungspolitik

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Ohne Masken und ohne die positivgetestete Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fand heute eine Generaldebatte im Bundestag statt, bei der es unter anderem um den Staatshaushalt in der Coronakrise ging. Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte dazu, die Entscheidung, 180 Milliarden Euro neue Bundesschulden aufzunehmen, sei ihr zwar nicht leicht gefallen, aber man lebe halt grade mit einer "Herausforderung, wie sie Deutschland […] noch nicht in dieser Form gekannt hat". Historiker würden hier möglicherweise nicht ganz uneingeschränkt zustimmen (vgl. Hatte Covid-19 einen historischen Vorgänger?, Die Spanische Grippe und das Politikversagen und Der schwarze Tod: Pest oder Ebola?).

"Fragen nach der wissenschaftlichen Evidenz"

Rolf Mützenich, der Vorsitzende der Fraktion von Merkels kleinem Koalitionspartner SPD, stimmte der Kanzlerin zu und zeigte sich überzeugt, dass sich Deutschland trotz der gigantischen neuen Schulden wirtschaftlich schnell erholen werde, wenn Corona vorübergegangen sei. In der Opposition zeigte man sich davon - außer bei den Grünen - nicht so überzeugt. Christian Lindner, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, warnte beispielsweise vor "Voodoo" - womit er indirekt den sozialdemokratischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz kritisierte, der gestern verlautbart hatte, man werde "aus den Corona-Schulden herauswachsen".

"Die fortwährende Korrektur der Korrektur" von Maßnahmen wie den Einzelhandelsschließungen wirft Lindners Ansicht nach außerdem "Fragen nach der wissenschaftlichen Evidenz" solcher Eingriffe auf. Der FDP-Chef plädiert statt solcher Schließungen dafür, dort einzugreifen, wo die tatsächlichen Hotspots sind, und das Ansteckungsrisiko in den Pflegeheimen zu verringern. Inhaltlich ähnlich, aber in einer robusteren Ausdrucksweise äußerte sich Alice Weidel von der AfD. Für sie ist ein Lockdown eine "Holzhammermethode", mit der man möglicherweise mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Bülow: Eine Million neue Pflegerinnen

In den von Lindner angesprochenen Pflegeheimen will die Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali wesentlich mehr Personal sehen, damit nicht noch mehr Arbeitskräfte dort "ausbrennen" und sich andere Jobs suchen. Der von der SPD zu Martin Sonneborns Partei gewechselte Marco Bülow (vgl. Die PARTEI zieht in den Bundestag ein) nannte dazu sogar eine Zahl: Seiner Rechnung nach hätte man mit den 30 Milliarden Euro, um die die Bundesregierung ihre Bürger durch die Zulassung von Cum-Ex-Geschäften ärmer machte, eine Million Pflegerinnen einstellen können.

Ähnliches lässt das Kabinett seinen Worten nach mit Steueroasen zu (vgl. Wie "geistiges Eigentum" und Steueroasen zusammenhängen), bei deren Nichthinnahme der Staat jährlich 20 bis 28 Milliarden Euro mehr zur Verfügung hätte. Und da es den ihm vorliegenden Zahlen nach heute mehr Milliardäre mit jeweils mehr Milliarden gibt, als vor Beginn der Coronakrise, möchte er die Debatte um eine Verteilung der Lasten nicht nur mit dem Konzept eines "Existenzminimums", sondern auch mit dem eines "Existenzmaximums" geführt sehen.

Lehmann (CDU) rechtfertigt Erhöhung des Verteidigungsetats mit Sport

In den anschließenden Debatten zur Außen- und Verteidigungspolitik rechtfertigen die Sprecher der regierenden und regierungsnahen Parteien die Erhöhung des Rüstungsetats um etwa neun auf 47,5 Milliarden Euro mit einer teilweise etwas einschläfernden Akkumulation von Buzzwords wie "China", "Putin", "Haltung" (Michael Brand, CDU), "Belarus", "Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung" (Katja Leikert, CDU), "Nato", "Verlässlichkeit" (Henning Otte, CDU), "Engagement" (Roderich Kiesewetter, CDU), "Europa" (Siemtje Möller, SPD), "Wertschöpfung" (Andreas Schwarz, SPD), "Technologieführerschaft" (Wolfgang Hellmich, SPD), "Nachhaltigkeit" (Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP) und sogar "Sport" (Jens Lehmann, CDU). Die Beiträge der Regierungsferneren Opposition wirkten allerdings ähnlich vorgestanzt.

Etwas origineller war lediglich der Redebeitrag des CSU-Abgeordneten Reinhard Brandel, der den von der AfD ins Spiel gebrachten Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz anhand der Praxis im jüngsten Drohnenkrieg in Bergkarabach widerlegte. Das Dogma des Preußen, dass eine Verteidigung weniger Geld koste als ein Angriff, gilt Brandels Meinung nach inzwischen nicht mehr. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Bayern, mehr Mittel in das deutsch-französische Luftkampfsystem FCAS zu stecken, könnte freilich nicht ganz unbeeinflusst vom Airbus-Standort Manching im Wahlkreis des Ingolstädters sein.

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