Fracken auf Russisch

Seite 2: Binäre Mischung soll Reaktionswärme bereitstellen

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Am Forschungsinstitut "Kristall" und am Erdöltechnologiezentrum wurden die verwendeten binären Mischungen entwickelt und die Zerfallsreaktion optimiert. Zum Einsatz kommt die Reaktion von Ammoniumnitrat mit Natriumnitrit. Dabei entstehen Stickstoff, Wasser und Natriumnitrat - außerdem wird eine beträchtliche Reaktionswärme frei.

Diese exotherme Reaktion ist bereits aus der Erdgasbranche bekannt. Dort wurde sie zur Entfernung immer wieder vorkommender Verstopfungen von Methanhydraten in Leitungssystemen vorgeschlagen: Methanmoleküle, die bei Temperaturen von unter zehn Grad Celsius und hohen Drücken von Wassermolekülen umschlossen werden und eisähnliche Clathrate bilden.

In den Augen der Wissenschaftler ist beim neuen Verfahren von Vorteil, dass die benötigten Chemikalien leicht verfügbar sind. Als besonders günstig bewerten sie, dass eine Hauptkomponente der chemischen Reaktion Ammoniumnitrat ist, das (neben der Herstellung von Sprengstoffen) hauptsächlich als Dünger verwendet wird und deshalb als Grundstoff einer eher umweltfreundlichen Methode begrüßt wird - im Gegensatz zu den Flüssigkeitsgemischen, die bei der hydraulischen Frakturierung in das Untergrundgestein verpresst werden.

Die Herstellung von Ammoniumnitrat aus Ammoniak und Salpetersäure geht nachteilig in die Gesamtökobilanz ein, da die großtechnische Verwandlung von Luftstickstoff in Ammoniak wiederum energieintensiv ist. Die andere Hauptkomponente, der Pökelsalzbestandteil Natriumnitrit, ist für Mensch und Tier schwach giftig - sie bildet nach Aufnahme Methämoglobin und blockiert den Sauerstofftransport im Blut. Und die bei der Reaktion entstehenden Nitrate könnten zu einer Belastung des Grundwassers führen.

Doch angesichts der vorhandenen Umweltprobleme in Westsibirien sind das bestenfalls akademische Erwägungen: Die jahrzehntelange Erdölförderung unter den schwierigen Bedingungen vor Ort hat ihre Spuren hinterlassen. Die Rekultivierung der betroffenen Landstriche wird vermutlich ebenfalls Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Russland: Anti-Fracking-Kampagne in den USA?

Die Arbeiten zum neuen Verfahren wurden in einem Moment publik gemacht, in dem sich Putin Anschuldigungen ausgesetzt sieht, die ihn der verdeckten Führung einer Anti-Fracking-Kampagne in den Vereinigten Staaten bezichtigen, für die es kaum beziehungsweise überhaupt keine belastbaren Beweise geben soll. Demnach soll die russische Regierung mit US-amerikanischen Umweltgruppen zusammenarbeiten, die mit Falschinformationen und Propaganda Stimmung gegen das Verfahren der hydraulischen Frakturierung machen wollen.

Das Kalkül dahinter: die Konservierung der Abhängigkeit von russischen Gasimporten. Denn wenn die US-amerikanische Förderung gedrosselt würde, nützte das vor allem Russland und Gazprom. Und das ließen sich die Russen etwas kosten: Dutzende Millionen von US-Dollar kämen als anonyme Spenden über die Bermudainseln ins Land, um US-Umweltorganisationen bei ihren Kampagnen gegen die hydraulische Frakturierung zu unterstützen.