Frank Stronach

Ein alter Milliardär fühlt sich berufen, Österreich vor dem Untergang zu bewahren, kauft sich eine Partei und verhindert damit vermutlich einen neuerlichen Einzug der Rechtspopulisten in die Regierung

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Sollte irgendwann ein Preis für den seltsamsten Populisten ausgelobt werden, dürfte Frank Stronach wohl deutlich bessere Siegeschancen haben als bei den nächsten Österreichischen Nationalratswahlen. Allerdings darf der 80jährige austro-kanadische Milliardär dabei aus dem Stand auf ein annähernd zweistelliges Ergebnis hoffen, wie es ihm im Frühjahr 2013 bereits bei den Landtagswahlen in Niederösterreich (9,83 Prozent), Kärnten (11,3 Prozent) und Salzburg (8,3 Prozent), nicht aber in Tirol (3,4 Prozent) gelungen ist.

Zu wissen, was die Menschen wollen, sei kein Populismus, sagt Stronach. Das "Team Stronach" wäre "keine Protestpartei", er wolle "konstruktiv sein" und trete gegen "jede Art von Extremismus" auf. Im selben Atemzug präsentiert er allerdings klar und pauschal die "Feinde", die die aktuelle Misere verschuldet hätten: "Die herrschenden Parteien, die Berufspolitiker und die Banken, die nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben." Er stehe hingegen für "Fairness, Transparenz und Wahrheit", zudem müsse ein Staat nach Stronachs Überzeugung wie ein Unternehmen gwführt werden - und wie sein Erfolg beweise, könne das niemand besser als er. Daher komme er, Stronach, nun nach einem erfolgreichen Leben mit dem völlig selbstlosen Ziel zurück, Österreich vor dem drohenden Untergang zu retten.

Entsprechend seiner "Goldenen Regel" - "Wer das Gold hat, macht die Regel" - entscheidet Stronach in seiner Partei letztlich alles alleine. Er etabliert sich offensiv als charismatische Führerfigur, deren Lebenserfahrung in der Partei als einzig denkmöglicher Quell der Erkenntnis akzeptiert wird - wobei seine Milliarden und die Bereitschaft, damit nach Lust und Laune herumzuwerfen, sein von Natur aus nicht übermäßig stark ausgeprägtes Charisma enorm unterstützen.

Die Ausgangslage

Im Spätsommer 2012, als Stronach seinen Einstieg in die Politik verkündete, war das Ansehen der österreichischen Regierung auf einem Tiefpunkt angelangt. Denn neben ihrer offensichtlichen Hilflosigkeit während der Finanzkrise hatte sich das SPÖ/ÖVP-Kabinett unter SPÖ-Kanzler Faymann das ganze Jahr über kleinliche Streitereien und peinliche Ausrutscher geleistet, aber keinerlei sichtbare Erfolge zustande gebracht. Gleichzeitig hatte die Aufarbeitung einiger Skandale aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Regierung durch Untersuchungsausschüsse und Gerichte eine Unzahl an Abhörprotokollen und Dokumenten ans Licht befördert, die ein abscheuliches Sittenbild gezeichnet hatten, das von der Implosion des jahrzehntelang freiheitlich geführten Kärnten, der Strasser-Affäre und dem Finanzskandal in Salzburg voll bestätigt wurde und das Ansehen der politischen Klasse insgesamt auf ungeahnte Tiefstände hatten sinken lassen.

Trotz intensiver Verwicklung der FPÖ in diverse Skandale hätte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der bis zum Auftauchen Stronachs das rechtspopulistische Lager angeführt hatte, also durchaus mit einem Ergebnis auf Augenhöhe mit den traditionellen Regierungsparteien rechnen können. Jedenfalls schwadronierte Strache ein Jahr vor der Nationalratswahl noch vom "Kanzler-Duell" (er gegen Kanzler Fayman) das er zu gewinnen gedenke, wobei seine eigene Position sich innerparteilich allerdings zusehends problematisch darstellte. So sehen rechtsextreme Wähler ihn mittlerweile als Verräter, während die Fraktion der Burschenschafter, die in der FPÖ aktuell das Sagen hat, den gelernten Zahntechniker als intellektuellen Flachwurzler betrachtet, der nur wegen seiner blauen Augen in der ersten Reihe stehen dürfe.

Frank Stronach. Foto: Steindy. Lizenz: cc-by-sa-2.0-de.

Darüber hinaus hat die FPÖ neben dem Ausländerthema nicht viel mehr anzubieten als das, was jetzt auch Stronach kritisiert. Wenn FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky Stronachs Programm nun adoptieren will, indem er ihm "jede eigenständige Idee" abspricht, dürfte das die begründete Angst reflektieren, dass Stronach der FPÖ das EU/Euro-Thema abnehmen könnte (welches übrigens das einzige Thema ist, zu dem sich auf der offiziellen Homepage von Team Stronach Angaben finden, die über Schlagworte hinausgehen).

Und vermutlich werden etliche Protestwähler es eher Stronach zutrauen, mit wirtschaftlichen Problemen fertig zu werden, als der FPÖ, die dahingehend derzeit keinerlei öffentlich wahrnehmbare Kompetenzen vorweisen kann. Anscheinend setzt das Team Stronach aber genau darauf. Und gelänge es Stronach tatsächlich, der FPÖ die derzeit hochaktuellen Feindbilder Euro und EU aus der Hand zu nehmen, dann bliebe Strache nur noch das Ausländerthema, mit dem die FPÖ mittlerweile seit dreißig Jahren unterwegs ist und schon recht alt aussieht. Demgegenüber verzichtet der Auswanderer Stronach trotz teilweise ähnlich rigider Standpunkte auf aggressiv-ungustiöse Töne, die Strache wohl auch bei einigen entschiedenen Euro-Skeptikern disqualifizieren sollten.

Tiroler Wahlkampimpressionen

Besonders viel Freude bereiten Stronach offenbar die Auftritte in ländlichen Regionen. So war alles auf den Beinen, als er eine Woche vor den Tiroler Landtagswahlen in Lienz durch die Innenstadt spazierte. Er selbst im unauffälligen schwarzen Anzug, dazu ein hellblaues offenes Hemd ohne Krawatte. Begleitet wurde er von zwei gerade noch rivalisierenden Landesparteichefs, einigen Mitarbeitern, sowie gut einem Dutzend seiner Spitzenkandidaten für Nord- und Osttirol, allesamt adrett in weiße Jacken gekleidet und kaum einer unter 60. Während sich die Gruppe langsam in Richtung Hauptplatz bewegt, schüttelt Stronach jede Menge zumeist bereits in Pension befindliche Hände, erkundigt sich nach Problemen und Befindlichkeiten und hört sich geduldig auch einige längere Antworten an.

Von den Passanten wird ihm durchaus Respekt und Sympathie entgegen gebracht - und die wenigen "Störer", die laut Stronach "sicherlich" von "die Parteien geschickt werden", verziehen sich rasch. Indes beäugen ihn viele Passanten doch mit einigem Argwohn, was neben seinen bizarren TV-Auftritten und der widersprüchlichen Vergangenheit wohl vor allem dem Chaos um die Kandidatur gleich dreier "Team Stronachs" geschuldet sein dürfte. Das war im konservativen Tirol offenbar nicht so gut angekommen, allerdings billigen ihm die Meinungsumfragen zu diesem Zeitpunkt noch immer rund zehn Prozent Stimmenanteil zu. Indes umschwärmen ihn die hoffnungsvollen Kandidaten weiter wie verliebte Schulbuben und überbieten sich gegenseitig in möglichst authentischer Äußerung von "Franks" Ansichten. Und so gleitet Stronach auf einer gewaltigen Schleimspur durch die Lande, die einer realistischen Selbsteinschätzung wohl einigermaßen entgegensteht.

Seine Jahre sieht man ihm hingegen kaum an. Er wirkt aufgeweckt und rege, nur geht seine Gesichtsfarbe etwas sehr ins Orangene, was spöttische Kommentare provoziert, die zumeist einen Vergleich mit einem ähnlich bunten früheren Haider-Sekretär Petzner zum Inhalt haben. Im Gespräch mit Passanten gibt er sich betont gemäßigt und ist stets bereit, seine Pauschalkritik abzumildern oder einzelne davon auszunehmen. Endlich in der hiesigen Shopping Mal angelangt, folgt die wenig überraschende Botschaft, dass "freiheitsliebende Leute wie die Tiroler nicht von Wien oder Brüssel aus dominiert werden dürften - und schon gar nicht von der Freunderlwirtschaft der Regierungsparteien". Für weitere Ausführungen bleibt keine Zeit und Stronach verteilt und signiert abschließend noch zwei Dutzend Bände seiner Autobiographie und erspart dafür dem Publikum weite Teile seiner Erfolgsgeschichte, die sonst den Hauptteil seiner Veranstaltungen einnimmt.

Wie mittlerweile vermutlich fast jeder Österreicher weiß, wurde Strohnach 1932 in der Obersteiermarkt als Franz Strohsack geboren und lernte Werkzeugmacher. 1953 ging er zuerst in die Schweiz, wo er unter anderem Fußball beim FC Helvetia spielte. Ein Jahr später wanderte er - nach eigenen Angaben mit nur 200 Dollar in der Tasche - nach Kanada aus, wo er sich zuerst als Tellerwäscher durchschlagen musste und angeblich auch Hunger lit. Bald begann er aber in einer gemieteten Garage Teile für die Autoindustrie herzustellen und gründete 1957 den Werkzeugbau-Einmannbetrieb Multimatic, mit dem er so großen Erfolg hatte, dass sein inzwischen als "Magna" firmierendes Unternehmen bereits Anfang der 1980er Jahre zu den führenden Kfz-Zulieferern Nordamerikas zählte.

Von Gewerkschaften hielt Stronach zeitlebens nichts, obwohl sein "Team" ja immerhin auch explizit für "Fairness" eintritt. Für ihn besteht "Fairness" in der Beteiligung seiner Mitarbeiter an den Gewinnen, was von vielen Beschäftigten anscheinend durchaus geschätzt wird und was Stronach nun als wesentliche Forderung in sein Parteiprogramm aufgenommen hat. Unter anderem mit dieser Forderung kandidierte er bereits Ende der 1980er in Kanada für die dortige Liberal Party. Allerdings fuhr er nach einem pompösen Wahlkampf ("Let's be Frank") eine vernichtende Niederlage ein, woraufhin er von der Politik vorerst genug hatte und sich damit tröstete, im Triumphzug nach Österreich zurückzukehren. So hielt sich Stronach seit den frühen 1980er Jahren immer häufiger in der Alpenrepublik auf, wo er erhebliche geschäftliche Interessen entwickelte und 1986 die Magna Europa gründete, deren Zentrale bis heute im niederösterreichischen Oberwaltersdorf ansässig ist. Rasch etablierte er sich auch als öffentliche Person, die mit dem Charme des reichen Onkels aus Amerika stets bereit war, Lektionen über "richtige" Wirtschaftsführung, Sport oder Politik zu erteilen.

Politische Verbindungen

Seine Abneigung gegen das politische Personal dürfte damals jedoch noch nicht so stark ausgeprägt gewesen sein, wie es sein aktuelles Parteiprogramm vermuten lässt. Jedenfalls war sie noch nicht stark genug, um seine wirtschaftlichen Interessen zu übertrumpfen. So suchte er von Anfang an Kontakt zu den Regierungsparteien und immer wieder fanden Politiker aller Couleurs bei ihm ihr Auskommen. Beispielsweise nahm er den jungen Karl-Heinz Grasser nach dessen erstem Abgang aus der Politik in den Vorstand der Magna Europe auf und übertrug dem berüchtigsten Haider-Rabauken Peter Westenthaler später die Leitung des österreichischen Fußballverbandes. Neben weiteren Ex-FPÖ-Ministern fanden sich auch mehrere SPÖ-Minister und führende SPÖ-Funktionäre auf seiner Lohnliste, während die Kontakte zur ÖVP anscheinend weniger stark ausgeprägt waren und sich die Gehaltsliste Magnas mit einigen wenigen steirischen Ex-Landespolitikern bescheiden musste.

2003 hätte Grasser, damals gerade Österreichs bester und supersauberster Finanzminister, Stronach auch noch die Kontrolle über Österreichs führenden Stahlkonzern Voest-Alpine zuschanzen wollen, was aber vorzeitig bekannt wurde und an massiven öffentlichen Protesten scheiterte. Wenig Zweifel bestehen heute jedenfalls daran, dass Magna unter dem SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky (später im Magna-Aufsichtsrat) die Fahrzeug- und Antriebstechnik der Steyr Daimler Puch AG (damals Österreichs drittgrößter Industriekonzern) zu einem äußerst günstigen Preis hatte übernehmen können. Von der Staatsanwaltschaft untersucht wird zudem der ungewöhnlich preisgünstige Kauf eines Schlosses am Wörthersee und auch seine Beteiligung am Eurofighter-Deal wirft einige Fragen auf.

Bizarre Geschäfte

In diese Zeit fallen auch Projekte, die Stronachs Nimbus als seriösen Geschäftsmann erheblich beschädigt haben. So sollte seine Magna Entertainment Corporation (MEC), die in Nordamerika Pferderennbahnen betreibt und dort als Anbieter von Pferdewetten mäßig erfolgreich ist, im niederösterreichischen Ebreichsdorf den Vergnügungspark "World of Wonder" (promoted vom damaligen Firmensprecher Karl-Heinz Grasser) errichten, dessen Hauptattraktion eine Weltkugel mit 200 Meter Durchmesser werden und rund sieben Milliarden Schilling (rund 508 Millionen Euro) kosten sollte. Nach massiven Bürgerprotesten und aufgrund mangelnder behördlicher Genehmigungen wurde das Projekt jedoch auf einige luxuriöse Wohnimmobilien und die Pferderennbahn Magna Racino reduziert, wobei Rennsport und Wettgeschäft von Anfang an kein Publikum fanden und mittlerweile weitgehend stillgelegt sind. Stronachs Erklärung: Die staatlichen Regulierungen hätten ihn an der Entfaltung gehindert.

Noch schwerer dürfte auf Stronach jedoch der Einstieg in den österreichischen Fußball lasten, dem er sich ab 1999 als Präsident der Bundesliga gewidmet hatte. Ein Jahr später gründete er die Frank-Stronach-Fußballakademie, die die Ausbildung der österreichischen Nachwuchsfußballer auf eine professionelle Basis stellen sollte, und 2001 übernahm er die traditionsreiche Wiener Austria. Spätestens in fünf Jahren werde die Austria den Europacup gewinnen und Österreich werde 2006 Weltmeister, kündigte Stronach vollmundig an, was schon damals für viel Heiterkeit sorgte.

Trotz erheblicher Investitionen blieben internationale Erfolge jedoch völlig aus, was auf permanente Streitereien mit Trainern, Spielern und Managern hinauslief, die in den Medien genüsslich ausgebreitet wurden und spätestens dann alle Zweifel an Stronachs "Leadership" bestätigten, als die eher robusteren Austria-Fans ihn unsanft aus dem Verein warfen.

BZÖ im Ausverkauf

Es dürfte in Mitteleuropa noch nicht oft vorgekommen sein, dass eine neue Partei ohne sich jemals zur Wahl zu stellen oder die Abspaltung einer bestehenden Partei zu sein, von Anfang an in Clubstärke in einem Parlament vertreten ist. Das bringt Stronach nicht nur parlamentarische Infrastruktur und Staatsgelder, es berechtigt ihn auch zur gleichberechtigten Teilnahme an der Wahlberichterstattung des staatlichen Rundfunks. Möglich war das nur, weil sich die rechtspopulistische FPÖ in der Zeit der Regierungsbeteiligung in eine gemäßigte Variante (Haiders Bündnis Zukunft Österreich, BZÖ) und eine verbleibende Strache-FPÖ als Protestpartei gespalten hatte, der Haider vor allem die Schulden hinterlassen hatte. Die Haider-Gründung war nach dem plötzlichen Unfalltod des Meisters jedoch dem Untergang geweiht, so dass BZÖ-Mandatare kaum noch Aussicht auf Weiterbeschäftigung sahen und daher von Stronach billig angeworben werden konnten und wurden.

Wie ein österreichisches Gericht aufgrund einer Anzeige von Frank Stronach gegen BZÖ-Chef Josef Bucher festgestellt hatte, war dies völlig legal. So hatte Stronach sich verleumdet gefühlt, als Bucher in einer Sachverhaltsdarstellung behauptet hatte, Stronach habe versucht, Abgeordnete zu kaufen und hätte ihm selbst 500.000 Euro für ein Überlaufen geboten. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch mit der Begründung ein, dass der behauptete Sachverhalt nach damaliger Rechtslage ohnehin nicht strafbar gewesen wäre. Selbst wenn zutreffe, was Bucher behaupte, sei das egal, da "keine von Amts wegen zu verfolgende, mit Strafe bedrohte Handlung oder eine Verletzung von Amts- oder Standespflichten geschildert" wurde. Folglich sei auch der von Stronach angezeigte Tatbestand der Verleumdung nicht erfüllt.

Bizarre TV-Auftritte

Was bei den Wahlerfolgen Stronachs in Niederösterreich und Kärnten aber am meisten überraschen sollte, ist, dass sie erfolgen konnten, obwohl Stronach sich bei einigen äußerst bizarren TV-Auftritten zuvor von einer Seite gezeigt hatte, die ihn für jeden halbwegs zurechnungsfähigen Zuschauer als kaum geeignet für ein politisches Amt erscheinen lassen sollten.

So brach Stronach bei Live-Interviews im ORF sämtliche Regeln und schreckte auch nicht vor persönlichen Drohungen und Diffamierungen der Redakteure zurück. Höhepunkt war ein Interview mit Armin Wolf in der ZIB2 zur Frage, ob Magna von Eurofighter-Gegengeschäften profitiert habe, was Stronach entgegen der bekannten Faktenlage lautstark dementierte. Fragen beantwortete er keine, sondern forderte stattdessen eine fünfminütige Redezeit, ohne unterbrochen zu werden - was ihm verwehrt wurde und Stronach in einer Weise laut und wütend werden ließ, wie es in einer österreichischen Nachrichtensendung noch nie auch nur annähernd vorgekommen war.

Nach diesen Auftritten, in denen man neben viel sinnlosem Gestammel von Stronach auch sehr scharfe und unschöne Gesichter zu sehen bekam, dürfte es auch für seine größten Fans recht schwer geworden sein, Stronach als konstruktiven Politiker zu sehen, der bereit sein könnte, Kompromisse zu schließen, Ratschläge anzunehmen oder eigenes Verhalten zu überdenken. Genau das dürfte daraufhin jedoch geschehen sein, denn Stronachs nächstem Auftritt bei Armin Wolf war anscheinend ein intensives Medientraining vorangegangen sein. Bei der Präsentation des Parteiprogramms trat er jedenfalls schon deutlich konzilianter und vor allem wesentlich freundlicher und sympathischer auf.

Chaotische Parteiorganisation

In Tirol zog seine Partei trotzdem nicht in den Landtag ein. Dort hatte organisatorisch allerdings das absolute Chaos geherrscht. Denn wie zuvor in Niederösterreich hatten sich die potentiellen Mandatare eine erbarmungslose Schlacht um die besten Posten geliefert, die auch öffentlich ausgetragen wurde. So hatte zuerst die Wiener Parteiführung den designierten Spitzenkandidaten und Teamkoordinator Alois Wechselberger abgesetzt, dem vorgeworfen wurde, er stehe hinter einer rechten Hetz-Homepage.

Während Stronach im Ausland weilte (was aus steuerlichen Gründen der Fall sein muss), präsentierten sich daraufhin der Tischler Walter Jenewein und die Arzthelferin Sonja Ulmer selbst als Spitzenkandidaten, woraufhin Wien sich für Ulmer entschied. Allerdings hatte Landesgeschäftsführer Hans-Peter Mayr inzwischen eine Team-Stronach-Liste mit sich selbst an der Spitze bei der Wahlbehörden eingereicht, was dann auch alle anderen Möchtegernkandidaten taten.

Die Wahlbehörde entschied für Mayer, der jedoch bereits von der Wiener Führung aus der Partei geworfen worden war. Letztendlich begab "Frank" sich persönlich nach Tirol, nahm Mayr wieder auf und machte ihn zum offiziellen Stronach-Kandidaten, was wiederum Ulmer nicht akzeptierte, die zusammen mit weiteren 18 Bezirkskandidaten kurz vor der Wahl darum bat, nicht gewählt zu werden. Viele potentielle Wähler hatten sich dann offenbar auch daran gehalten, was Stronach eine erste Wahlniederlage und nur 3,4 Prozent der Stimmen einbrachte.

Fazit

Den Wählerstromanalysen zufolge kamen die Tiroler Stimmen (ebenso wie jene in Kärnten und Niederösterreich) mehrheitlich von der FPÖ, die drei empfindliche Niederlagen in Folge einstecken musste. Und wenn - wie es scheint - Stronach im Vergleich zu Strache tatsächlich ein minder gefährlicher Populist sein sollte, könnte sein Verdienst letztendlich darin liegen, eine neuerliche Regierungsbeteiligung der FPÖ oder gar einen Kanzler Strache verhindert zu haben.

Abgesehen von der Befriedigung eigener Eitelkeiten kann bei Stronach zudem mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass seine ökonomischen Motive überschaubar sein werden und er weder auf eine Politikerpension (wie etliche seiner Mitstreiter) noch auf die Rettung seines Firmenimperiums (wie Berlusconi) abzielt. Viel mehr scheinen ihn tatsächlich guter Wille und enormes Sendungsbewusstsein anzutreiben. Und da er seine oft eher bedenklichen Pläne zu Lebzeiten voraussichtlich ohnehin kaum wird umsetzen können, bringt sein Antreten vermutlich wenig mehr als eine Aufspaltung des populistischen Lagers, die Österreich eigentlich mehr nutzen als schaden sollte.

Ergänzung: Stronach für Todesstrafe - Allerdings landet die "Privatmeinung" des wahlkämpfenden Multimilliardärs ausnahmsweise nicht im Parteiprogramm

Im nicht unbedingt ereignisreichen Wahlkamp des Team Stronach hat es der skurrile Multimilliardär letztendlich doch noch in die internationalen Medien geschafft. Anlass war allerdings keine strategisch geplante Aktion, sondern ein offenbar spontaner Einfall, der Stronach am Beifahrersitz eines schwarzen Mercedes ereilt hatte, als er gerade für die ORF-"Wahlfahrt" interviewt wurde (Ausstrahlung am 11. September um 22.35 in ORF1) und den er in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten wiederholte.

So wollte ORF-Journalist Hanno Settele von Stronach wissen, was er denn von der Todesstrafe halte, worüber Stronach sich "natürlich" Gedanken mache: "Ein geplanter Berufsmord: Todesstrafe" und hebt dramatisch den Zeigefinger: "Geplant. Mafia-Type", woraufhin er sich laut ORF an die auf der Rückbank sitzenden Listenzweite seiner Partei, Kathrin Nachbaur wendet: "Hast du gehört, Kathrin, darüber haben wir noch nicht gesprochen, das kommt dann in unser Parteiprogramm".

Angesichts der daraufhin ausgebrochenen Aufregung ruderte Stronach allerdings erstmals in diesem Wahlkampf zurück und verzichtete darauf, seine Meinung tatsächlich eins zu eins ins Parteiprogramm zu übernehmen: "Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Gefährdung des Rechtsstaates und seiner Institutionen durch verbrecherische Organisationen habe ich ein gewisses Verständnis für die Todesstrafe, aber das ist meine persönliche Ansicht", wird Stronach in einer Aussendung zitiert: "Meine Einstellung hat vielleicht etwas damit zu tun, dass ich schon jahrzehntelang in Nordamerika lebe. Ich habe mit anderen führenden Personen im Team Stronach darüber gesprochen, sie teilen diese Ansicht nicht, daher kommt das selbstverständlich nicht ins Parteiprogramm". Auch Stronachs engste Mitarbeiterin Nachbaur distanzierte sich in der Aussendung von Stronach Aussagen: "Kein Mensch hat das Recht, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Hinrichtungen sind grausam, und als gläubiger Mensch habe ich Respekt vor dem Leben und Gott."

Im TV-Duell mit Bundeskanzler Werner Fayman bekräftigte Stronach dann nochmals seinen Rückzug: "Ich möchte kategorisch sagen, das Team Stronach ist total gegen eine Todesstrafe". Es sei seine "persönliche Meinung" gewesen, denn er "denke darüber nach, was kann ich tun für eine bessere Welt mit mehr Gerechtigkeit". Faymanns Kritik an seiner Aussage trat er entgegen indem er darauf verwies, dass der sich ja selbst mit "Befürwortern" der Todesstrafe umgebe, etwa mit US-Präsident Barack Obama und Arnold Schwarzenegger, weshalb Faymann "mit zwei Zungen" spreche. Indes dürfte Stronach neuerdings tatsächlich versuchen, sich ein wenig zu beherrschen. Denn gefragt, ob er für die chemische Kastration von Triebtätern eintrete, meinte er nur dass sei "ein schwieriges Thema, das muss alles gut überdacht werden".

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