Frankreich: Vertrauen in Medien am Tiefpunkt
Dabei ist das Interesse an Nachrichten gestiegen. Journalisten werden als abhängig wahrgenommen
Medien müssen sich auch in Frankreich auf schwierige Zeiten gefasst machen, wie im aktuellen Medienbarometer von Kantar bemerkbar wird. Das Barometer soll das Vertrauen in Medien messen und damit schaut es auch in Frankreich nicht besonders gut aus, obwohl das Interesse an Nachrichten wieder angewachsen ist.
Aber das ist vielleicht gar nicht das am meisten beunruhigende Anzeichen. Beunruhigender zumindest für die traditionellen Medien ist, dass sich die jüngere Generation, die 18-bis 24-Jährigen von ihnen deutlich abwenden.
Es ist das mittlerweile 32. "Barometer des Vertrauens, das Franzosen in Medien setzen", berichtet die Zeitung La Croix, in deren Auftrag die Studie erstellt wird. Die Studie hat in Frankreich eine gewisse Tradition und dadurch auch einen Stellenwert. Das ausführliche Ergebnis wird erst hinter einer Zahlschranke präsentiert. Das Abo kostet im ersten Monat 1 Euro und später 11 Euro 90. Wer wird sich das später leisten? Jede der größeren Zeitung verfolgt mittlerweile dieses Modell. Wer ist noch dazu bereit, auf eine Zeitung allein zu setzen?
Glaubwürdigkeit: "Ganz unten angelangt"
Im Vorspann, der 20 Prozent des Artikels preisgibt, wird das Ergebnis der Vertrauensstudie so zusammengefasst:
Die Glaubwürdigkeit, die unterschiedlichen Informationsträgern zugestanden wird, und die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Journalisten sind ganz unten angelangt. Dabei ist das Interesse für News nach drei Jahren wieder angestiegen.
La Croix
Die Zahlen des Barometers, die zum Teil auch beim Institut Kantar, das die Studie seit 1987 durchführt, zu erfahren sind: Gute zwei Drittel der befragten Franzosen (67 Prozent von 1024 repräsentativ Befragten) gaben in face-to-face-Interviews an, dass sie die Nachrichten "mit großem Interesse" verfolgen. Das waren 5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das gestiegene Interesse an News hat wahrscheinlich mit den Protesten der Gelbwesten zu tun. Der Zeitraum der Befragung - von 3. bis 7. Januar - spricht dafür.
Radio: Das glaubwürdigste Medium mit 50 Prozent "Vertrauensanteil"
Angesichts der Zunahme des Interesses ist die gleichzeitig beobachtete Abnahme der attestierten Glaubwürdigkeit keine gute Nachricht für die Medien. Nur die Hälfte der Französinnen und Franzosen glauben, was sie im Radio hören. Das Medium gilt seit 1990 als das glaubwürdigste in Frankreich. Genau genommen sind nur 5 Prozent der Überzeugung, "dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie es im Radio berichtet wurde". 45 Prozent gaben an, "dass die Dinge ungefähr so abgelaufen sind ('à peu près'), wie es im Radio berichtet wurde".
Ein Drittel (34 %) ist dagegen der Auffassung, dass "es zweifellos nicht wenige Unterschiede gibt zwischen der Darstellung und dem tatsächlichen Ablauf". Sechs Prozent sind der Überzeugung, "dass die Geschehnisse nicht so passiert sind, wie es im Radio berichtet wird". Das Lager derjenigen, bei denen die Zweifel an der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe überwiegen, beträgt demnach beim glaubwürdigsten Medium 40 Prozent.
Glaubwürdigkeitskurven weisen seit Januar 2015 nach unten
Am kleinsten war das Lager der Zweifler übrigens seit Beginn des Barometers mit 27 Prozent im Januar 2015. Zu diesem Zeitpunkt sprachen 63 Prozent dem Radio, wenn man so sagen will, das Vertrauen aus. Es ist ein bemerkenswertes Datum in der jüngeren Geschichte Frankreichs wegen der Terroranschläge auf Charlie Hebdo und den koscheren Supermarkt Hyper Cacher.
Danach kletterten die Misstrauenswerte und sanken die Vertrauenswerte in die Radio-Realitätsvermittlung sehr deutlich. Zwischendrin gab es einen kurzen Aufwind. In diesem Jahr erreicht der Anteil derjenigen, die Radioberichte als glaubwürdig einstufen mit 50 Prozent den niedrigsten Wert seit Beginn der Messungen 1987.
Presse und Fernsehen: Drastischer Rückgang der Glaubwürdigkeit
Der Kurvenverlauf ist bei Presse und Fernsehen ganz ähnlich. Die Glaubwürdigkeitswerte erreichten im Januar 2015 ihre Spitzenwerte und fielen danach drastisch ab, mit einer kleinen Erholung im vergangenen Jahr und einem neuen Tiefpunkt im Januar 2019. Der Unterschied zum Radio: Der Anteil der Zweifler überwiegt.
Bei der Presse sind es 48 Prozent, die davon ausgehen, dass die Berichte sich nicht mit den Vorgängen in der Wirklichkeit decken (und 44 Prozent, die mehr Vertrauen haben). Beim Fernsehen sind es 59 Prozent, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung haben und nur 38 Prozent, die Vertrauen signalisieren.
Auffallend ist die starke negative Entwicklung gegenüber dem Vorjahr. Das Lager derjenigen, die der TV-Berichterstattung trauen, hat um 10 Prozentpunkte abgenommen. Während das Lager der Misstrauischen um 11 Prozent gewachsen ist. Beim Medium Fernsehen sind auch mehr als bei den anderen beiden traditionellen Medien, nämlich 13 Prozent, der Auffassung, dass sich die Dinge aller Wahrscheinlichkeit nach anders zugetragen haben als berichtet.
18-bis 24-Jährige: "Null Interesse an Informationen von Radio und Print-Presse"
Richtig interessant für Medien, die an ihr Zukunftspotential denken, wird es, wenn es um das Verhalten und das Vertrauen der Jüngeren geht - wer soll die Abogebühren in Zukunft bezahlen? Der für diese Perspektive interessanteste Satz findet sich bei der Auswertung des Barometers bei France Inter:
Keiner der jungen Befragten nannte das Radio oder die Presse als Informationsmedium.
France Inter
Die Altersgruppe, die hier gemeint ist, sind die 18- bis 24-Jährigen. Auch das Medienbarometer von Kantar stellt noch einmal den Generationsunterschied fest, den jede(r) mit Kindern im Teenageralter im Entwicklungsstadium verfolgen kann. Die 18- bis 24-Jährigen interessieren sich deutlich weniger für News als die Älteren und Alten (laut Barometer sind es gerade mal 49 Prozent gegenüber 74% der Über-65-Jährigen) und sie informieren sich hauptsächlich über ihr den Internetzugang ihres Smartphones (53 Prozent laut Barometer).
Ausgeprägtes Misstrauen der Jüngeren
Das Misstrauen der Jüngeren gegenüber Informationen ist laut Barometer ausgeprägt. 64 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben kein Vertrauen in den Nachrichtenwert des Fernsehens und 67 Prozent geben an, dass sie auch kein Vertrauen in Nachrichten aus dem Internet haben. Generell bekommt "das Internet" als Medium keine besonders hohen Glaubwürdigkeitswerte. Lediglich 25 Prozent aller von den Barometer-Interviewern befragten Personen geben an, "dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie sie im Internet berichtet werden".
Das ist offensichtlich eine sehr pauschale Aussage. Angesichts der üppigen Publikationen, die Informationen in ganz unterschiedlichen Mischungen im Netz präsentieren fällt das Brachiale der Fragestellung hier vielleicht noch mehr auf als bei den anderen Medien. Aber es handelt sich hier ja auch um die Kurzfassung des Barometers.
Die stark generalisierten Entwicklungen, die ihm zu entnehmen sind, bestätigen auch bei den Aussagen zum Netz den Generaltrend des wachsenden Misstrauens gegenüber Medienangeboten in Frankreich seit Januar 2015. Mit 28 Prozent werden online-Auftritte von Zeitungen und Magazinen als erste Informationsquelle genannt. Dem folgen Facebook und Twitter mit 18 Prozent, TV-oder Radiosender sind mit 9 Prozent auf Platz 3.
Laut Informationen von France Inter präzisierte das Barometer, dass die Befragten wenig Vertrauen in die Gültigkeit von Informationen haben, die über soziale Netzwerke weitergegeben werden. Den Facebook- oder Twitterpublikationen von Medien vertrauen nur 36 Prozent und bei Informationen von Facebook-oder Twitterfreunden liegt der Anteil der Misstrauischen bei 67 Prozent.
Unzufrieden mit der Berichterstattung zu den Gelben Westen, wenig Vertrauen in Journalisten
Hinzuzufügen wäre noch, dass nur ein Drittel der Befragten zufrieden ist mit der Medienberichterstattung zu den Gelbwesten. Leicht mehr als die Hälfte, 51 Prozent, findet sie unbefriedigend. 67 Prozent sind der Auffassung, dass die Medien dramatisiert hätten. Als Informationsquellen werden zitiert: TV-Sendungen (64%), Radio (38%), Sender mit laufenden Informationen (37%) und Facebook (26%).
Fast 70 Prozent der Befragten sind der Überzeugung, dass Journalisten nicht unabhängig berichten, weil sie politischem Druck durch Parteien oder Mächtigen ausgesetzt sind, und 62 Prozent sind der Überzeugung, dass sie wegen finanziellem Druck nicht unabhängig sind.